Bombenentschärfung: So ist die Lage in den Göttinger Hotels

Die Evakuierung stellt für alle betroffenen Göttinger eine riesige Herausforderung dar. Auch für die Hotels, die Evakuierte aufnehmen, ist die Bewältigung dieses Tages schwer – vor allem, weil man aufgrund des Lockdowns und der einhergehenden Gästeebbe personell nicht auf eine solche Ausnahmesituation eingestellt war. Größtenteils ist die Stimmung in den Hotels angespannt, den Umständen entsprechend aber gut. Wir haben drei der Hotels besucht, die Evakuierte beherbergen. Gegen 15 Uhr trifft Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) am Hotel Rennschuh an der Kassler Landstraße ein. Er will sich vor Ort ein Bild davon machen, wie die Evakuierung in den Hotels abläuft. „Die Hotels sind gut gebucht“, sagt Köhler. „Ich habe den Eindruck, dass die Aktion mehrheitlich gut organisiert ist, es geht also in eine richtige Richtung.“ Neben den Göttingern, die die Nacht nicht zu Hause verbringen können, sind auch Einsatzkräfte in den Göttinger Hotels untergebracht. 18 Hotels hatten sich laut Köhler gemeldet, in denen kostengünstig eine Notunterkunft angeboten wird. Bürger und Einsatzkräfte untergebracht: Im Rennschuh sind heute rund 140 Göttinger untergebracht, weitere etwa 50 Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks. Für Geschäftsführerin Katharina Schüle-Rennschuh war es Ehrensache, heute Göttingern ein Dach über dem Kopf zu bieten: „Uns war schnell klar: Wir wollen helfen. Als Haus im Groner Speckgürtel haben die Bürger nur eine kurze Anfahrt, aber natürlich muss unsererseits auch das Angebot stimmen.“ Und damit dieses auch stimmt, ist das Team von Schüle-Rennschuh schon seit Beginn der Evakuierung um 5.30 Uhr für die Gäste da. „Einige haben schon am Freitagabend eingecheckt, der Großteil war dann aber erst am Tag der Evakuierung angereist“, berichtet Schüle-Rennschuh. Für die Hotels, die in der Corona-Zeit sowieso schon schwer gebeutelt sind, ist die Evakuierungsaktion mehr oder minder ein Nullsummenspiel. So kostet eine Übernachtung im Hotel Rennschuh unter der Woche normalerweise 79 Euro im Doppelzimmer, man hatte sich aber im Vorfeld hotelübergreifend auf einen Preis von 77 Euro geeinigt. „Mit Geld verdienen hat das heute wenig zu tun, der organisatorische Aufwand, das Hotel von quasi null auf hundert hoch zu fahren, war immens. Wir haben mehr Personal gebraucht, aktuell haben wir mehr Mitarbeiter im Haus, als das bei einem Fünf-Sterne-Haus der Fall wäre“, erklärt Schüle-Rennschuh. „Wir tauschen quasi nur Geld um, aber wir leisten einen Beitrag für die Göttinger. Das ist dann kein finanzieller, aber ein gesellschaftlicher Gewinn“, so die Geschäftsführerin weiter. Großer Aufwand für eine Nacht: Ähnlich sieht es beim Hotel Eden in der Reinhäuser Landstraße aus. Dort sind etwa 100 Bürger für die Nacht untergekommen. „Natürlich ist es auch für uns ein großer Aufwand, in diesen Zeiten das Hotel für nur eine Nacht mehr oder minder in Vollauslastung zu betreiben“, berichtet Jörg Boggel, Inhaber des Hotels. „Gleichzeitig ist es natürlich wichtig, dass wir unseren gesellschaftlichen Beitrag für Göttingen leisten.“ Etwas entspannter ist die Lage im Hotel Onkel Tom’s Hütte in Geismar. „Eigentlich hatten wir um die 20 Anmeldungen, aber am Ende ist nur ein Gast gekommen“, erzählt Inhaberin Kornelia Werner. „Die meisten haben das Angebot wahrscheinlich als unverbindlich wahrgenommen, aber ich bin nicht böse darum, für uns bedeutet das weniger Arbeit“, so die Inhaberin weiter. Lesen Sie auch Bombenräumung in Göttingen: So läuft es in den Evakuierungszentren Bombenräumung in Göttingen: So funktioniert der Einsatz der Helfer vom DRK Bombenentschärfung live, heute in Göttingen: Alle Infos zum 30. Januar im Liveticker Doch neben Lob für die Hotels gab es auch massive Kritik an Plänen, die Göttinger in Hotels unterzubringen. Ein Gast, der seinen Namen nicht nennen wollte, macht seinem Ärger Luft: „Dass ich von zu Hause weg muss und dann auch noch ein teures Hotelzimmer bezahlen muss, sehe ich echt nicht ein, ich fordere mindestens einen Zuschuss von der Stadt.“ Doch Bürgermeister Köhler hält die Kritik an den Hotels, die es im Vorfeld gab, für unbegründet. „Ich war überrascht, als es plötzlich die Kritik an diesem Angebot gab“, so Köhler. „Natürlich ist es leider so, dass in unserer Gesellschaft das Einkommen sehr unterschiedlich ist, aber das kann man doch denjenigen, die ein solches Hilfsangebot machen, nicht ankreiden“, nimmt der Bürgermeister die Hoteliers in Schutz. „Es handelt sich um einen Solidarbeitrag von einer Branche, die momentan nicht auf der Sonnenseite des Geschäfts steht, und das Angebot wird ja gut angenommen. Uns hat es bei der Organisation jedenfalls immens geholfen zu wissen, dass eine große Menge an Menschen gut und sicher unterkommen kann.“ Von Max von Schwartz