Bombenräumung in Göttingen: So funktioniert der Einsatz der Helfer vom DRK

Die Bombenräumung in Göttingens Weststadt hält neben den 8000 Anwohnern, die ihre Wohnungen verlassen mussten, auch tausende Helfer auf Trab. Eine der vielen beteiligten Hilfsorganisationen ist das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit seinem Kreisverband Göttingen. Die haupt- und ehrenamtlichen Helfer des DRK nehmen dabei eine ganz besondere Rolle im Ablauf und Organisation von Bombenräumung und Evakuierung ein. Während der Einsatz auf vollen Touren lief, gaben sie am Sonnabend einen Einblick in ihre vielseitige Arbeit. Das bemerkenswerte am Einsatz der DRK-Helfer: Sie betreuen nicht nur die Menschen in einem oder mehreren Evakuierungszentren. Sie koordinieren, erklärt DRK-Vorstandsmitglied Thomas Gerlach, auch die Arbeit in allen vier Zentren (Zentralmensa, IGS Geismar, Felix-Klein-Gymnasium, Jugendherberge), organisieren die Verpflegung für die Helfer, haben bereits am Freitag gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk (THW) für die Evakuierung des Seniorenheims Posthof gesorgt und müssen parallel dazu ständig auf Notfälle aller Art – ob sie mit der Bombenräumung zu tun haben oder nicht – reagieren können. Bombenräumung in Göttingen: Alles läuft im Einsatzzentrum zusammen: All das wäre nicht möglich ohne die zwei neuen Einsatzleitwagen des DRK Göttingen: Die pro Stück rund 150 000 Euro teuren Fahrzeuge beherbergen das digitale Herzstück des mobilen Einsatzzentrums der Organisation. Hier sitzen zwei Mitarbeiter, bei denen (fast) alle Fäden zusammenlaufen. In ihrem Rücken, am Sonnabend in einem extra aufgebauten, beheizten Zelt, sitzen sechs weitere haupt- und ehrenamtliche Helfer, die an Laptops den Überblick über die Lage in der Stadt behalten sollen. Bleiben Sie immer auf dem Laufenden zum Stand der Dinge während der Bombenräumung – mit unserem Liveticker. Einsatzleiter in der ersten Schicht ist Bereitschaftsleiter Frank Beckmann. Er berichtet von den Herausforderungen der Organisation einer Bombenräumung in Corona-Zeiten: Eine Hilfsorganisation habe kurzfristig ihre Unterstützung absagen müssen, so Beckmann. Dann sei da die Frage der Corona-gerechten Sicherstellung der Verpflegung aller Helfer: An zehn Orte im Stadtgebiet müssen die Helfer Mahlzeiten bringen – vom Frühstück am Sonnabend bis, wenn nötig, zum Mittagessen am Sonntag. Und diese Mahlzeiten könnten nicht einfach in einem Rutsch ausgeliefert werden, erklärt Beckmann: Schließlich arbeiten alle Helfer in Schichten – und sie können nicht essen, während sie ihrerseits Mahlzeiten an die Menschen in den Evakuierungszentren ausgeben. Bombenräumung in Göttingen: DRK evakuiert Seniorenheim: Rund 200 Helfer arbeiten allein beim DRK Kreisverband Göttingen während der Bombenräumung. Was das DRK von anderen Hilfsorganisationen unterscheide, sagt Vorstandsvorsitzende Petra Reußner, sei die Mischung aus Haupt- und Ehrenamt. Die große Zahl ehrenamtlicher Helfer – am Sonnabend sind insgesamt rund 160 im Einsatz – ermögliche dem DRK, auf fast jede Lage reagieren zu können, so Lutz Kappel, Sachgebietsleiter Katastrophenschutz beim DRK in Göttingen. Die Ehrenamtlichen hätten bereits am Freitag die Evakuierung von rund 150 Bewohnern des Seniorenheims Posthof organisiert, berichtet Kappel. Eine logistische Herausforderung: „Manche Bewohner mussten wir aus ihrem Bett holen, dann mussten wir sie zu ihrer Unterkunft bringen, während zeitgleich das THW das Bett transportiert hat.“ Dass die Helfer zusätzlich kurzfristig ihre Planung umstellen mussten – das Seniorenheim Klausberg fiel wegen eines Corona-Ausbruchs als Ausweichquartier aus –, habe es nicht leichter gemacht. Umso stolzer ist Kappel auf die Leistung der Helfer: „Das ist das Leben aus der Lage heraus, und unsere Leute meistern das super.“ Bombenräumung in Göttingen: Eine „gute Übung“ für das DRK: Thomas Gerlach versucht indes erfolgreich, etwas Positives aus der Situation zu ziehen: „Das ist eine Situation, auf die wir uns das ganze Jahr vorbereiten und von der wir gleichzeitig immer hoffen, dass sie nicht eintritt“, fasst er zusammen. Die Bombenräumung sei eine Gelegenheit, Abläufe und neue Ausrüstung zu erproben – eine „gute Übung“ nennt Gerlach das. Der Vorteil einer lange geplanten Evakuierung: Sie komme mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Personenschäden aus. Gleichzeitig zur Bombenräumung muss das DRK indes seine Einsatzfähigkeit für andere Notfälle aufrecht erhalten. „Wir sind deshalb mit Mann und Maus auf den Straßen“, sagt Gerlach. Nicht ein Wagen sei aus dem normalen Einsatz herausgezogen worden, um für die Räumung zur Verfügung zu stehen. Nach acht Stunden wurden die Helfer in der Technischen Einsatzleitung erstmals seit Beginn der Bombenräumung um 5 Uhr abgelöst. Sie sind nur ein paar von insgesamt rund 1800 Menschen, die nach Angaben der Stadtverwaltung bei der Bombenräumung inklusive Evakuierung mithelfen. Diese 1800 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Feuerwehr, Polizei, Verwaltung und natürlich Kampfmittelräumung arbeiten größtenteils im Schichtbetrieb – die Kräfte für den langen Einsatz wollen eingeteilt sein. Bereits am Vormittag waren nach Angaben der Stadtverwaltung gleichzeitig 1240 Menschen im Einsatz: 226 Feuerwehrleute, 463 Einsatzkräfte der Polizei, 45 vom Stadtordnungsdienst und 20 vom Technischen Hilfswerk stellten sicher, dass alle Anwohner das Evakuierungsgebiet verlassen haben. Sie ebneten den acht Experten des Kampfmittelräumdienstes den Weg. In den Evakuierungszentren waren in der ersten Schicht 120 Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes, 120 von der Johanniter Unfallhilfe, 22 vom Arbeiter-Samariter-Bund, 100 von der Bundeswehr, 30 vom HKS Sicherheitsdienst und neun von der Notfallseelsorge im Einsatz. Zehn Mitarbeiter der Göttinger Verkehrsbetriebe sorgten für den Transport der Menschen in die Zentren, zwölf Bus-Scouts der Freiwilligen Feuerwehren der Nachbargemeinden, zum Beispiel aus Reinhausen, verteilten an die Fahrgäste FFP2-Masken. 28 Mitarbeiter der Deutschen Bahn stellten sicher, dass der Bahnverkehr rund um Göttingen eingestellt wurde. 29 Einsatzkräfte im Krisenstab koordinierten den Einsatz. Von Tammo Kohlwes