Corona-Pandemie bremst Hilfsbereitschaft in der Region Göttingen nicht aus

Seit 1986 gibt es den Internationalen Tag des Ehrenamtes. Ein Jahr zuvor hatten die Vereinten Nationen beschlossen, mit diesem Gedenk- und Aktionstag das ehrenamtliche Engagement weltweit anzuerkennen und zu fördern. Auch in Göttingen und im Umland gibt es viele Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. In Vereinen und bei der Feuerwehr sowieso, aber auch in Bereichen, die längst nicht jedem bekannt sind. Beim Freiwilligenzentrum BONUS in Göttingen laufen viele Fäden zusammen. Seit 20 Jahren werden dort in der Trägerschaft der Caritas zukünftige Freiwillige und Institutionen zusammen gebracht, die Hilfe gut gebrauchen können. Die Stadt Göttingen und das Land Niedersachsen fördern die Arbeit dieser Einrichtung, mit der „Aktion Mensch“ des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) gibt es eine Netzwerkpartnerschaft. „Wir bieten buchstäblich einen bunten Strauß an Möglichkeiten. Das reicht von Engagement-Möglichkeiten im Umweltbereich über Soziales und Kultur bis hin zu kirchlichen Angeboten“, berichtet BONUS-Leiterin Maria Weiss, die die gute Vernetzung in Göttingen und Umgebung hervorhebt. Es gebe einige Institutionen, wie beispielsweise die Tafeln, die selbst eine sehr gute Öffentlichkeitsarbeit betreiben und darüber freiwillige Helfer rekrutieren. „Es gibt aber auch viele kleine Angebote, die weitestgehend unbekannt sind und denen wir helfen, an Mitarbeiter zu kommen“, sagt Weiss. Persönliche Beratung ist möglich: Interessenten, die auf der Suche nach einem ehrenamtlichen Engagement sind, können sich einen ersten Eindruck zu den Angeboten über die BONUS-Homepage sammeln. „Online sind wir sehr gut zu finden. Wir bieten im Moment auch – trotz der Corona-Beschränkungen – persönliche Beratungen an, geben nach einem Gespräch mehrere Vorschläge mit. Viele Menschen kommen aber auch mit Ideen zu uns, in welche Richtung sie mitarbeiten möchten“, sagt die BONUS-Leiterin. Grundsätzlich müsse das freiwillige Engagement zu dem Menschen passen, der es übernimmt. Ideal sei der Einstieg ins Ehrenamt für Menschen, die neu in der Stadt sind. „Viele versuchen, darüber Kontakte zu knüpfen, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern und einen Fuß in die deutsche Gesellschaft zu bekommen. Meistens sind es internationale Studenten, die an der Universität oft nur Englisch sprechen“, erläutert die Sozialpädagogin, die gemeinsam mit zwei Kolleginnen für die Beratungen zuständig ist. Es kämen auch immer wieder Menschen, „die vom Leben durchgeschüttelt worden sind“ und nach neuen Aufgaben suchen. Außerdem kooperiert das Bonus-Freiwilligenzentrum mit Schulen. Junge Rentner bilden interessante Zielgruppe: Als eine „absolut interessante Gruppe“ bezeichnet Weiss die Menschen, die sich gerade vom Übergang aus dem Berufsleben in den Ruhestand befinden. „Sie sind qualifiziert, topfit und haben sehr viel Energie fürs Ehrenamt.“ Ihre Institution habe schon Kontakt zu den Personalabteilungen der großen Göttinger Firmen aufgenommen, damit diese ihren Mitarbeitern, die in den Ruhestand gehen, Informationen zu freiwilligem Engagement mit auf den Weg in den nächsten Lebensabschnitt geben. Dabei denkt die Sozialpädagogin beispielsweise an Patenschaften für Auszubildende. „Die Senioren haben dann die Kompetenz für eine Unterstützung, gerade wenn sie erst kürzlich aus dem Berufsleben ausgeschieden sind.“ Für Freiwillige, die ohne konkrete Idee zu den Beratungen kommen, finde sich immer etwas, dass zu ihnen passe. „Wir raten auch dazu, einfach mal etwas auszuprobieren, was man vorher noch nicht gemacht habe und dass ein deutliches Gegengewicht – beispielsweise zum Berufsleben – darstellt.“ „Wir sind zufrieden mit der Nachfrage“: Die Corona-Pandemie habe die Hilfsbereitschaft der Menschen in der Region nicht ausgebremst. „Im Gegenteil. Wir sind sehr zufrieden mit der Nachfrage“, sagt Weiss. Schon im ersten Lockdown in Frühjahr habe es viele Anfragen gegeben. Damals wurden die Beratungen per Telefon gemacht, einige Angebote – wie beispielsweise Besuche in Altenheimen – seien nicht möglich gewesen. „Weil die älteren Menschen dort so gebeutelt waren, haben wir Gartenkonzerte mit kleinen Ensembles organisiert. Die sind sehr gut angekommen. Das waren hauptsächlich Musiker des Göttinger Symphonie Orchesters, die das auf freiwilliger Basis gemacht und den älteren Menschen und Pflegekräften viel Freude bereitet haben“, erzählt Weiss. Lesen Sie auch: Caritas Göttingen: Bonus Freiwilligenzentrum ist Netzwerkpartner der Aktion Mensch Anrechnung vom Ehrenamt fürs Studium in Göttingen So engagieren sich die Göttinger „Leos“ im Ehrenamt Sportregion Südniedersachsen: Überraschung für Ehrenamtliche Landkreis Göttingen: GIVE-Projekt bietet virtuelle Hilfe für Ehrenamtliche Aber nicht nur Menschen, die ehrenamtlich tätig werden wollen, hilft BONUS. Auch auf dem umgekehrten Weg ist die Freiwilligenagentur engagiert. Vereine und Institutionen, die Freiwillige suchen, können sich an Weiss und ihre Kolleginnen wenden. „Über unseren Newsletter haben wir eine gute Möglichkeit, die Öffentlichkeitsarbeit für suchende Organisationen zu übernehmen.“ Zusammenarbeit mit der Universität fruchtet: Beim Blick auf die Statistik wird deutlich, dass ein Großteil der bei BONUS registrierten Ehrenamtlichen jünger als 29 Jahre ist. Weiss führt das auf die intensive Zusammenarbeit mit der Universität zurück und fügt an: „Vielleicht sind die jungen Menschen internetaffiner als ältere Menschen und finden uns einfach besser.“ Die Tatsache, dass es für manche Hilfeleistungen Credit-Points für das Studium gibt, sei dabei zweitrangig. Das sei nicht der Beweggrund, warum die jungen Menschen kommen. „Wir hören immer wieder, dass es für sie darum geht, einfach mal etwas ganz anderes zu machen.“ Die Kontaktaufnahme zum BONUS-Freiwilligenzentrum, das in der Godehardstraße 18-20 ansässig ist, kann über die Homepage erfolgen. Wer dort seine persönlichen Daten und Wünsche für das zukünftige Engagement hinterlässt, wird von den Mitarbeiterinnen kontaktiert. Per E-Mail (bonus@caritas-suedniedersachsen.de) oder Telefon (0551/99959-26) ist ebenfalls eine Kontaktaufnahme möglich. Ausführliche Informationen gibt es über die Homepage: www.caritas-suedniedersachsen.de/bonus-freiwilligenzentrum Andreas Graubner gehört zu der Zielgruppe von Ehrenamtlichen, die BONUS-Leiterin Maria Weiss besonders im Visier hat. Der Friedländer ist zum 1. Februar 2020 in den Ruhestand gegangen, war zuletzt als Merketing-Chef bei der Mitteldeutschen Zeitung in Halle beruflich aktiv. „Meine Frau ist noch berufstätig und ich übernehme natürlich Aufgaben zu Hause, aber ich wollte nicht nur der Hausmann sein“, erzählt der 63-Jährige, der auch beim Kirchenkreisamt Göttingen als – wie er es selbst bezeichnet – „Aushilfs-Hausmeister“ tätig ist. Im Juni schloss er sich der Freiwilligen-Organisation SES (Senior Experten Service) an, die als Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit weltweit tätig ist und sich hauptsächlich in Entwicklungs- und Schwellenländern aber auch in Deutschland engagiert. „Ich möchte gern Menschen helfen und das Gefühl haben, gebraucht zu werden.“ Seinen ersten Einsatz hat Graubner aber nun für einen SES-Ableger: Die Organisation „VerA – Stark durch Ausbildung“ versucht zu verhindern, dass Auszubildende vorzeitig aufgeben und ihre Lehre abbrechen. Der Friedländer kümmert sich um einen aus China stammenden Fliesenleger-Lehrling, der Sprach- und damit auch Verständigungsprobleme hat. „Ich habe jetzt Kontakt zu seinem Chef aufgenommen. Wir sind mitten im Vermittlungsprozess. Durch Corona ist alles etwas schwieriger, wir haben nur telefonisch Kontakt. Aber ich möchte diesen jungen Mann, mit dem ich hauptsächlich in englischer Sprache kommuniziere, gern an die Hand nehmen und sicher stellen, dass er die Ausbildung durchzieht“, hat sich Graubner vorgenommen. Von Kathrin Lienig