Corona und das große Ausmisten: Was passiert mit den Altkleidern bei den GEB

So manchem Göttinger hat die Corona-Krise etwas Zeit beschert. Und was läge da näher als das große Ausmisten der Keller und Schränke? Die Göttinger Entsorgungsbetriebe (GEB) bekommen das zu spüren, am Wertstoffhof stehen die Bürger Schlange, Grünschnitt liegt auf den Gehwegen. Doch wie verhält es sich mit den Altkleiderspenden? Das weiß Sergej Schertovski, der Woche für Woche seit mehr als sechs Jahren die GEB-Container leert. Die Hälfte der insgesamt 150 Altkleider-Container, die sein Arbeitgeber in und um die Stadt Göttingen aufgestellt hat, fährt Schertovski ab. „Mein Kollege übernimmt den Rest“, sagt der 47-Jährige, die Wege trennen sich morgens um 6 am Recyclinghof. Schertovskis Automatik-Kleinlaster startet in Richtung Westen, der große Laster des Kollegen übernimmt den Osten und die Innenstadt. An einem sonnigen Dienstagmorgen bremst Schertovski gegen 8 Uhr an den zwei Containern an der Ernst-Fahlbusch-Straße. „Die sind immer voll – also wirklich immer“, sagt Schertovski, als er den Schlüssel dreht. Kaum zieht er an der Front, fallen ihm schon pinke Kinderschuhe entgegen. Sauber und in Säcke verpackt: „Eigentlich haben wir ganz einfache Maßgaben: Die Kleidung soll sauber sein und in Säcke verpackt“, erklärt Schertovski. „Manche Leute halten sich auch daran – aber sie machen den Sack nicht zu!“, erzählt er lachend. Schlimmer als die Unordnung seien die Momente, wenn ihm Gestank entgegenkommt und er schon ahnt, dass irgendwo ein Beutel voll Hundekot oder schlimmer – unverpackte Exkremente – mittendrin liegen. Dann ist der ganze Container kontaminiert und der Inhalt kann nicht mehr verkauft werden. Das ist schlecht für die GEB, die alle Alttextilien an eine sortierende Privatfirma verkauft – der Erlös fließt zurück in den Gebührenhaushalt. „Oft sind auch ganze Hausmüllsäcke, Batterien oder Radios dabei“, erzählt Schertovski. Solche Fremdgegenstände sortiert er im Laster an die linke Seite, wo auch Sonnenliegenauflagen oder anderes, das nicht weiter verwertet wird, auf ihre Entsorgung warten. Schertovski bringt sie mit ins Kompostwerk und wirft sie dort in den entsprechenden Container. Mehrmals ausladen am Kompostwerk: „Zweimal am Tag muss ich ausladen, manchmal auch dreimal – wie in den ersten zwei Corona-Wochen“, sagt er. Zu Beginn der Kontaktbeschränkungen hätten die Menschen ganz klar mehr Kleidung gespendet. „Mittlerweile geht das – aber viel ist es immer“, sagt der Entsorger. „Wenn ich sechs so volle Container wie am Parkbad habe, ist mein Laster voll und ich muss noch einmal extra zum Kompostwerk“, erklärt er. Die Container am Parkbad sind nicht die einzigen, mit denen er schnell ans Limit seines Kleinlasters kommt. Die meisten GEB-Textilcontainer stehen neben Glascontainern in Wohngebieten, um die 150 Meter Luftlinie trennen sie. Der nächste auf der Dienstagstour steht an der Otto-Lauffer-Straße. Auch hier haben Menschen ohne Säcke gearbeitet – zwei Lederjacken liegen zuoberst. „Manchmal wundere mich, was Menschen alles wegwerfen“, sagt Schertovski. „Wir kaufen alle zu viel und zu billig – und werfen es dann wieder weg“, sagt er. Der Kollege in der Innenstadt habe manchmal eine ganze Ladung voller Neuware mit Etiketten – „wahrscheinlich direkt aus dem Laden, weil die Saison vorbei ist“. Auch diese Kleidung landet im großen Container. Schertovski fährt gegen 9.30 Uhr zum ersten Mal am Tag das Kompostwerk an. Über eine Rampe leert er den Kipplaster aus – auch hier ist Handarbeit gefragt, damit jedes Stück in die Container kommt. Er ist schnell genug, um die 10 Uhr-Frühstückspause nicht zu verpassen, wo sich viele GEB-Angestellten treffen. „Die Arbeit ist ein bisschen einsam, so allein im Laster – aber einmal am Tag können wir trotz Sicherheitsabstand mal reden“, sagt er. „Das tut gut – vor allem in diesen schwierigen Zeiten.“ In ihren 150 Altkleider-Containern im Stadtgebiet inklusive der umliegenden Orte wie Roringen und oder Knutbühren sammeln die Göttinger Entsorgungsbetriebe (GEB) sehr viele Textilien. 2019 seien es 707 Tonnen gewesen, sagt Horst Patzelt aus dem Bereich Gewerbe- und Industrieabfallberatung und Wertstofferfassung der GEB. Einen leichten Anstieg konnte in den vergangenen Monaten verzeichnet werden – „das waren etwa zehn Tonnen mehr im Corona-Zeitraum, wobei nicht feststeht, ob das zusammenhängt“, betont Patzelt. Die Erlöse aus dem Verkauf der Alttextilien fließen zurück in den Gebührenhaushalt, sagt der Sprecher. Die Erlöse seien seit den Corona-Maßnahmen allerdings „deutlich gefallen“, da in Deutschland insgesamt mehr gesammelt würde und manche Märkte wie der afrikanische dicht seien. Bisher nimmt die Privatfirma jedoch weiter GEB-Textilien an. „Die Mitarbeiterinnen sortieren dann in mehr als 300 Kategorien. Manches kommt in örtliche Second-Hand-Läden, anderes in den Export und zerrissene Kleidung und ähnliches wird weiterverarbeitet zu Putzlappen“, nennt Patzelt als Beispiele. Sie erreichen die Autorin per E-Mail an l.lang@goettinger-tageblatt.de. Mehr zum Thema: GEB schränkt Abfallentsorgung ein Bauarbeiten am Science Park: GEB baut Rückhaltebecken gegen Überflutung Göttingens Helden in der Corona-Krise: Der Müllentsorger Von Lea Lang

Altkleider - Corona und das große Ausmisten: Was passiert mit den Altkleidern?