Die liberale Demokratie in Deutschland ist gefährdet

Im zentralen Hörsaalgebäude der Universität hatten sich am Mittwochabend etwa 50 politisch Interessierte zur Podiumsdiskussion der Friedrich-Naumann-Stiftung versammelt. Heiß diskutiert wurden von Prof. Dr. Susanne Gervers von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, Konstantin Kuhle, Innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Ralf Fücks vom Zentrum Liberale Moderne und Prof. Dr. Marcel Tyrell, Präsident des Liberal-Demokratischem Laboratorium die ‚Herausforderungen und Chancen der Liberalen Demokratie‘. Moderiert wurde die Debatte von Martin Brüning, Chefredakteur des Politikjournals für Niedersachsen „Rundblick“. Eingangs erläuterte Tyrell in einem kurzen Vortrag das Thema. „Der Angriff von populistischen Tendenzen auf Bürgerrechte ist ein Spannungsfeld, in dem wir uns heutzutage bewegen müssen“, so der Professor. Mit einem Deut auf den Handelskrieg von US-Präsident Donald Trump meinte Tyrell: „Wir sind darauf angewiesen, importieren und exportieren zu können, wird dies eingeschränkt, stellt dies für uns und unsere Wirtschaft eine große Gefahr dar.“ Ein emotionsgeladenes Thema: Schon gleich zu Beginn der Diskussion wurde klar, wie emotionsgeladen das Thema für die Teilnehmer war. Nach einem Beitrag von Konstantin Kuhle, in dem er die zukünftige Ausrichtung der Liberalen in der Bundespolitik beschrieb und vorschlug, mit einer gewissen Distanz an Fragen mit hohem Konfliktpotenzial heranzutreten, wurde er hart von Gervers kritisiert, die ihm vorwarf, wichtigen sozialen Themen mit Emotionslosigkeit zu begegnen. Im Laufe der Diskussion warf Diskussionsleiter Brüning die Frage auf, wie sich eine „verhetzte Gesellschaft“ politisch lösen ließe und eine Konfliktpolitik beendet werden könne. Kuhle zeichnete als Antwort auf die Frage ein Modell des „politischen Wutnarrativs“ und „Mutnarrativs“ auf. „Es braucht einen Grundkonsens zwischen Wut- und Mutnattativen und es ist nun Aufgabe der Parteien, diesen Grundkonsens herzustellen. Solange dies nicht gelingt, wird es weiterhin Spannungen geben.“ Als Beispiel dafür nannte der FDP-Politiker die Flüchtlingspolitik der EU. Gebe es keinen Grundkonsens zur Sicherung der Außengrenzen und des Bleiberechts, würde es weiterhin Konflikte und Spannungen zwischen den Mitgliedsstaaten geben. Ist die liberale Demokratie gefährdet? Auffallend war, dass in der Diskussionsrunde oftmals von der „Rettung der liberalen Demokratie“ gesprochen wurde, als Lösung wurden aber oftmals nur ‚Aufgaben der Politik‘ genannt. Auf die Nachfrage aus dem Publikum, ob Konstantin Kuhle die liberale Politik in Deutschland als gefährdet sehe, kam dann von Kuhle die überraschende Bestätigung: „Ich glaube, dass die liberale Demokratie in Deutschland und Europa gefährdet ist.“ Als Gründe dafür sieht der FDP-Politiker unter anderem die Gefahr, dass Deutschlands Wirtschaftsmodell, welches stark auf Export angewiesen ist, durch die Politik von unter anderem Donald Trump, ins Rutschen geraten könnte. „Wir müssen uns aber auch im Klaren sein, dass es sich bei der liberalen Demokratie um ein lernendes und imperfektes System handelt, also ein System, das keinen historischen Endzustand erreicht hat.“ In seiner Antwort an die Fragestellerin formulierte Kuhle ebenfalls drei Faktoren, die er als unabdingbar für eine Rettung der liberalen Politik sieht. „Ich wünsche mir mehr politische Streitkultur, mehr politisches Engagement und Respekt für Institutionen mit einer Frage an uns Liberale selbst, welche Institutionen sollen das sein.“ Die FDP konnte im Landkreis Göttingen in den vergangenen Bundestagswahlen einen relativ großen Zuwachs verzeichnen. Während sie 2013 auf nur 4,06% der Zweitstimmen kam, konnte sie 2017 8,99 Prozentpunkte einfahren. Kurz bevor die Sondierungsgespräche zu einer Jamaika-Koalition abgeschlossen waren, zog sich die FDP aus den Sondierungsgesprächen zurück. Bei der Landtagswahl 2017 kam sie auf 6,86 Prozent der Stimmen. Die Europawahl 2019 lief für die FDP nicht wie erhofft, sie kam auf 4,52 Prozent der Göttinger Stimmen. Im Göttinger Stadtrat konnten die Liberalen bei der Ratswahl 2016 5,41 Prozent der Stimmen für sich gewinnen. Damit kommt sie auf insgesamt drei Sitze im Göttinger Stadtrat. Damit sind die Liberalen viertstärkste Kraft hinter SPD, CDU und den Grünen. Im nächsten Jahr stehen gleich mehrere Wahlen an, bei denen die FDP wieder auf Stimmenfang gehen wird. Im Herbst 2021 werden in Niedersachsen die Kreistage, Stadträte und Gemeinderäte gewählt. Ebenfalls steht im Herbst 2021 die Bundestagswahl an. Von Max von Schwartz

Podiumsdiskussion - Diskussion in Göttingen: Ist die liberale Demokratie gefährdet?