Diskussion um Innenstadtverkehr Wie viel Autoverkehr verträgt die Innenstadt von Göttingen

Für die CDU im Rat der Stadt Göttingen ist der Wegfall von weiteren Parkplätzen in der Göttinger Innenstadt inakzeptabel. Sie fürchtet um die Existenz von inhabergeführten Innenstadt-Geschäfte und sieht „autofreie Utopien“ von Rot-Grün. Deutlich spricht sich die Fraktion gegen eine Umgestaltung des Autoverkehrs in der östlichen Innenstadt aus. So müssten Prüfungserkenntnissen zu Folge, die die Göttinger Stadtverwaltung Mitte Oktober vorgelegt hatte, „fast 80 Stellplätze umgewidmet und so für die Öffentlichkeit unzugänglich gemacht werden“, beschreibt die CDU in einer Stellungnahme. Betroffen seien unter anderem die Friedrich-, Burg-, und Theaterstraße. Hintergrund der Straßenschließung ist die von SPD und Grünen mehrheitlich unterstütze Sanierung der Stadthalle und die damit ebenfalls beschlossene Umgestaltung des Albaniplatzes, mit der Theater- und Burgstraße für den Durchgangsverkehr geschlossen werden sollen. „Endlich diesen Wahnsinn beenden“: „Hier würden autofreie Utopien auf dem Rücken der inhabergeführten Innenstadt-Geschäfte ausgetragen. Wenn wir wirklich wollen, dass wir auch in Zukunft noch unsere alltäglichen Einkäufe in Göttingens Innenstadt machen können und nicht nur noch im Internet bestellen müssen, dann müssen wir endlich diesen Wahnsinn beenden“, sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Olaf Feuerstein. Die CDU unterstütze so die Kritik vom Innenstadtverband „Pro City“. Auch Pro City hatte sich „vehement“ gegen die Abschaffung von Parkplätzen ausgesprochen. Die CDU verweist auf die Debatte zu einer Tiefgarage unter dem Albaniplatz. Laut Ausführungen der Verwaltung gestalte sich die Investorensuche als „schwierig“ gestalten. Die Alternativen dazu „wären die Bezuschussung des Projektes oder der Verzicht auf eine Tiefgarage“, sagt Feuerstein. Er wähnt die Verwaltung nach ihrer Prüfung mittlerweile aufseiten der CDU, sei die doch „unserer Meinung, dass es bei einem privaten Investor ohne städtische Zuschüsse nur auf den Verzicht einer Tiefgarage hinausläuft. Ein Hoffen auf Ersatz der wegfallenden Parkplätze ist also vergebens“, sagte Feuerstein. Die CDU wolle sich im Bauausschuss für eine lebendige Innenstadt einsetzen. Für die Geschäfte gehöre „realistisch gesehen“ auch Autoverkehr dazu. „Nicht jeder kann mit dem Lastenfahrrad einkaufen fahren“, sagte Feuerstein. Das sagen SPD und Grüne zur CDU-Kritik: Der SPD-Fraktionsvorsitzende Tom Wedrins kontert: „Die CDU tut so, als ob hier alles gesperrt würde, nennt aber keine Lösungen für die Verkehrsprobleme. Wir vermuten da Effekthascherei und erkennen dort eine Verkehrspolitik wie in den 70er Jahren – alles soll sich wohl nach dem Auto richten.“ „Wir verstehen die einzelnen Sorgen der Händler in der östlichen Innenstadt. Nicht verstehen können wir die ewig gleiche jammernde Parkplatzmantra-Haltung von Pro City“, erklärte Rolf Becker, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat. Er nimmt Pro City in die Pflicht. Ideen, die die Zukunftsfähigkeit des Innenstadthandels förderten, müssten von dieser Seite kommen. So wäre Pro City gefragt bei der Einrichtung eines „kunden- und klimafreundlichen Liefersystems“. Ein „gut gestalteter Internetauftritt für alle kleineren Geschäfte“ könnte helfen, dem Online-Handel Paroli zu bieten. Park&Ride und Bus-Shuttle: „Eine Verkehrswende ist aus Klimaschutzgründen dringend geboten“, erklärt die baupolitische Sprecherin der SPD, Sylvia Binkenstein. Dazu gehöre eine nach und nach autofreie Innenstadt, die gut durch den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erreichbar sein müsse. „Eine Verkehrswende wird nur möglich, wenn auch für Pendler klar ist, wie sie die Innenstadt erreichen können. Deshalb müssen wir langfristig Park- und Ride-Systeme mit Busshuttles entwickeln, die günstiger sind, als Parkhäuser.“ Auch wenn die SPD die von der Verwaltung gemachten Vorschläge begrüßt und diese als Grundlage für weitere Diskussionen sieht: Der Fraktion sei klar, dass auch die Innenstadt weiterhin durch Pkw und Lkw erreichbar sein müsse. Aus SPD-Sicht sei es notwendig, zu überlegen, wo zukünftig Stellplätze geschaffen werden könnten. „Wir brauchen für eine weitestgehend autofreie Innenstadt, folglich weitere Stellplätze entlang des Walls. Deshalb ist zu prüfen, wo zukünftig zentrale Parkhäuser und Parkmöglichkeiten geschaffen werden können, um Parksuchverkehre zu verringern.“ Auch die Errichtung weiterer Parkplätze am Hainholzweg, wie von der Verwaltung vorgeschlagen, müsse weiter geprüft werden. Innenstadt als „echte Fußgängerzone“: Becker sieht durch den Online-Handel eine sich wandelnde Rolle der Innenstadt. „Nur jene Innenstädte werden eine Zukunft haben, die den Menschen mit ihrem Bedürfnis nach Erlebnissen, Kommunikation, Flanieren und Sicherheit Rechnung tragen“, sagt er. Die Straßenrandparkplätze im Ostbereich der Innenstadt trügen relativ wenig zur Erreichbarkeit der Innenstadt bei, nähmen aber viel öffentlichen Raum ein, der weitaus sinnvoller genutzt werden könne. „Wir wollen die Innenstadt zu einer echten Fußgängerzone wie die Weender Straße machen“, sagt Becker. „Selbstverständlich werden wir zumindest zeitweise fürs An- und Abliefern Bereiche vorhalten, wie auch für Bewohnerparken und Behindertenparken.“ Die politische Aufgabe der Grünen sehe die Fraktion der Grünen darin, die Innenstadt zukunftsfähig zu machen. „Dazu gehört eine Innenstadt, die für die Göttinger und die Menschen aus dem Umland schnell, sicher und klimafreundlich erreichbar ist.“ Kultur ohne Stress: Die Grünen förderten nicht nur den Radverkehr mit Ziel Innenstadt, sondern auch den ÖPNV. Es gebe wenige Städte in den vergleichbar mit Göttingen von 21 Buslinien 15 durch die innere Innenstadt fahren. Für eine bessere Anbindung der östlichen Innenstadt sei eine Buslinie von Süden nach Norden über die Herzberger Landstraße ein weiterer Baustein. Ein Bus-Shuttle-System zu den meist abendlichen Veranstaltungen in Stadthalle und Deutschen Theater sei „ein weiterer zu erprobender Baustein“. Das Ziel laut Becker: „Kultur genießen ohne abendlichen Stress“. Bei der Diskussion um ein neues Parkhaus am Albaniplatz warten die Grünen noch auf das Prüfergebnis. Als „Nichtfachleute“ würden sie zum jetzigen Zeitpunkt „ungern“ eine Aussage darüber treffen, wie realistisch die Verwirklichung dieses Vorhabens ist. „Klar ist jedoch, dass die Realisierung einer Tiefgarage ohne Subventionen endlich einmal zu ehrlichen Kosten eines Stellplatzes in einem Parkhaus führen würde“, sagt Becker. SPD will mit Anwohnern ins Gespräch kommen: Den Grünen schwebt ein Parkraummanagement-System „für die gesamte Stadt“ vor, das „perspektivisch“ durch eine städtische Gesellschaft betrieben werden soll. „Wir brauchen ein modernes und nutzerfreundliches Parkleitsystem, eine Gebührenstaffelung für Parkplätze von Innen nach Außen und eine Verknüpfung von P&R&B-Plätzen am Rande der Stadt mit dem ÖPNV und Radabstellanlagen.“ Mit diesem System könne die Innenstadt vom motorisierten Individualverkehr entlasten und zudem jenseits gezielter Ergänzungen von Parkhausplätzen auch über genügend Parkflächen verfügen werden. Die SPD kündigte für Dienstag ein Gespräch mit den Anwohnern von Burg- und Theaterstraße an. Hier sollen Maßnahmen und Ziele erläutert werden. Über Postkarten habe sie dazu eingeladen. Das Thema Verkehr in der östlichen Innenstadt ist dann am Donnerstag, 24. Oktober, aus der Tagesordnung des Bauausschusses. Die Sitzung beginnt um 16 Uhr in Raum 118 des Neuen Rathauses, Hiroshimaplatz 1-4. Sie erreichen den Autor unter: E-Mail: m.brakemeier@goettinger-tageblatt.de Twitter: @soulmib Facebook: michael.brakemeier Von Michael Brakemeier

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