Europaquartier in Göttingen: Bauverkehr soll nicht durch Europaallee rollen

Corona wirbelt auch große Bauvorhaben durcheinander: Eigentlich hätten die Entwickler des geplanten „Europaquartiers“ zwischen dem Holtenser Berg und Holtensen ihre Pläne für das Neubaugebiet schon vor einem Jahr öffentlich vorstellen wollen. Dann kam die Pandemie, zog diesem Plan einen Strich durch die Rechnung. Am Donnerstag, 25. Februar, stellten die Entwickler des Neubaugebietes, die Klosterkammer und die Niedersächsischen Landgesellschaft (NLG), erste Überlegungen zur Gestaltung des Gebiets bei einer Online-Veranstaltung vor. In der Spitze sahen bis zu 150 Zuschauer den Live-Stream auf Youtube. Über die städtebauliche Struktur des Gebietes – also der Rahmen für die künftige Entwicklung – hat sich Michael Linker vom Büro Architektur + Städtebau Bankert, Linker & Hupfeld Gedanken gemacht. Drei Entwürfe sind dabei herausgekommen – Terrassenhöfe, Wohnhöfe und Gartennachbarschaften heißen sie. Allen gemein ist die Erschließung über eine Hauptstraße, mit viel Grün- und großen Freiflächen sowie einem Mix aus 30 Prozent geförderten sozialem Wohnungsbau mit Mieten zwischen 6,10 und 7,50 Euro pro Quadratmeter, Mietwohnungen und Eigentumswohnungen und -häusern. Gebaut werden sollen Geschosswohnungsbau mit bis zu fünf Stockwerken, Mehrfamilienhäuser und Einfamilienhäuser in kompakter Bauweise, etwa als Reihenhäuser, erläuterte Linker. Detailplanungen zum Gebiet erfolgen, wenn das städtebauliche Konzept steht, mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet. Noch bis Mittwoch, 31. März, ist es auf der Internetseite europaquartier.de möglich, mittels einer interaktiven Karte Feedback, Kritik, Lob und neue Ideen zu dem Vorhaben „Europaquartier“ einzubringen. Dort sind auch Informationen zum Planungsprozess des Europaquartiers einzusehen. Auf dem elf Hektar großen Gebiet nördlich der bestehenden Bebauung des Holtenser Berges sollen 600 neue Wohnungen entstehen. Planer gehen davon aus, dass künftig 1200 Menschen dort leben werden. Rund 20 Millionen Euro fließen in die Entwicklung des Quartiers. Verantwortlich sind die Klosterkammer, der die Hälfte der Fläche gehört, die Landgesellschaft Niedersachsen (40 Prozent) und die Stadt Göttingen. Die Planung und Errichtung des Europaquartiers liegen bei den beiden Haupteigentümern der Fläche. Die Stadt Göttingen ist am Planungsprozess beteiligt. „Wir bauen nicht selber. Wir stellen die Grundstücke zur Verfügung“, sagte Mareike Schäfer von der Klosterkammer am Donnerstag. Lesen Sie auch Diskussion um Europaquartier auf dem Holtenser Berg in Göttingen Europaquartier: Planungen für 600 neue Wohnungen für Göttingen Europaquartier: Kommt eine zweite Zufahrtsstraße? Debatte um Verkehrsanbindung von Göttinger Neubaugebiet Europaquartier Bürger fordern zweite Zufahrt Europaquartier: Heftige Bürger-Debatte um mehr Verkehr un ein Variantencheck Drei in der Vergangenheit immer wieder vorgebrachte Kritikpunkte kamen bei der Online-Veranstaltung zur Sprache: das Problem der Entwässerung, der Bauverkehr während der Erschließungs- und Bauarbeiten und die Zufahrt über die Europaallee zum neuen Wohngebiet. Zeljka Kalytta, Projektleiterin bei der NLG, räumte ein, dass die Entwässerung des nach Norden abschüssigen Geländes ein Problem darstelle. „Wir arbeiten an Lösungen“, versicherte sie. Mehrere Regenrückhaltebecken seien für das Gebiet in Planung. Kalytta kündigte an, dass der Bauverkehr keinesfalls über die Europaallee fließen wird. Welche Routen für die Baumaschinen und Lkw infrage kommen, steht aber noch nicht fest. „Das Konzept ist noch nicht fertig“, sagte sie. Heftig kritisiert wird von Anwohnern und der Bürgerinitiative Holtenser Berg weiterhin der vom Rat der Stadt längst beschlossene Plan, die erwarteten zusätzlichen 2500 Fahrzeuge täglich, die künftig über den Holtenser Berg zum Europaquartier fahren, über die Europaallee zu leiten. Verkehrsplaner Heinz Mazur vom Planungsbüro „PGT Umwelt und Verkehr“ aus Hannover erneuerte am Donnerstag seine Aussage, dass das ohne gravierende Auswirkungen möglich sei. Die Europaallee müsste allerdings umgestaltet, Engstellen durch geparkte Autos, Bushaltestellen und Überquerungen beseitigt werden. Ein Kreisel an der Ausfahrt an der Holtenser Landstraße ist laut Mazur weitere Bedingung für den reibungslosen Verkehr auf dem Holtenser Berg. Baudezernentin Claudia Baumgartner sicherte zu, sich bei dem Thema Verkehr erneut der Diskussion zu stellen. Sie versprach zudem, dass die Stadt vor Baubeginn im Europaquartier in Vorleistung gehe und die Europaallee umbauen und den Kreisel bauen werden. Vor der Online-Informationsveranstaltung hatte es Kritik an dieser Form der Beteiligung von der SPD-Ratsfraktion und der Bürgerinitiative Holtenser Berg gegeben. Udo Schlaudraff von der Initiative fürchtete etwa, dass unbequeme Stimmen zu dem Projekt so kein Gehör fänden. So war der Anteil an kritischen Fragen durch Zuschauer am Donnerstag tatsächlich gering. Patrick Güllenbeck von der NLG versprach aber, dass alle während des Livestreams per Chat-Funktion eingegangenen Fragen und Kritikpunkte gesichtet und Eingang auf der Internetseite des Europaquartiers finden werden. Nach der Online-Informationsveranstaltung am Donnerstag sieht der weitere Plan für das Vorhaben „Europaquartier“ so aus: April 2021 – Auswertung der Rückmeldungen der Beteiligungsphase: Die Rückmeldungen von Bürgern zu den drei städtebaulichen Entwürfen werden ausgewertet und beantwortet. 3. Quartal 2021 – Entscheidung des finalen städtebaulichen Entwurfes: Anregungen und Kritiken werden ausgewertet, die städtebaulichen Entwürfe konkretisiert und städtebauliche Planung festgelegt. Es folgen Fachplanungen, etwa zu Umweltauswirkungen, Verkehr und Schall, und der Entwurf des Bebauungsplans. 2021/2022 – Bebauungsplan - Weitere Bürgerbeteiligung: Im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit im Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan haben Bürger die Möglichkeit, sich über die Planung weiter zu informieren und Stellungnahmen abzugeben. Es folgt ein Abwägungsprozess. 2022/2023 – Beginn der Erschließungsmaßnahmen: Erster Schritt bei der baulichen Umsetzung des Europaquartiers wird die Herstellung von Straßen, Wegen und öffentlichen Plätze sowie Leitungen und Regenrückhaltebecken sein. Auch die Vermarktung soll jetzt beginnen. 2023/2024 – Bezug des Europaquartiers: Nach Fertigstellung der Erschließung und der Baumaßnahmen für die Gebäude, können die neuen Bewohner das Quartier beziehen. Von Michael Brakemeier