Fenster St. Johannis Göttingen: Erste Glasbrände sind vielversprechend

Der Kirchenvorstand und der Pastor von St. Johannis haben kurz vor Ostern eine frohe Botschaft erhalten: Nach „zahlreichen Versuchen und Experimenten“ seien die ersten Glasbrände zur Zufriedenheit aller Beteiligten ausgefallen, teilte der von der Gemeinde beauftragte Architekt Heiner Ester den Zwischenstand zur Produktion der neuen Kirchenfenster mit. Sie werden zurzeit in den Glaswerkstätten Frank Schneemelcher in Quedlinburg gefertigt. Die Gestaltung hat der Wernigeröder Künstler Günter Grohs übernommen. Die mit der Herstellung beauftragte Firma sei „eine traditionsreiche Glaswerkstatt, welche sich mit der Umsetzung und Anfertigung künstlerisch gestalteter Verglasungen und mit der Restaurierung historischer Glastafeln auf sehr hohem Niveau“ beschäftige, so Hildgund Broda, Vorsitzende des Kirchenvorstands. „Einer der renommiertesten Glaskünstler Deutschlands“: Mit Grohs habe die Gemeinde „einen der renommiertesten Glaskünstler Deutschlands gewinnen“ können, so Broda. Grohs habe an „zahlreichen kunsthistorisch wertvollen Objekten mitgearbeitet. Dazu gehören Kirchen, Weltkulturerbestätten und auch unterschiedliche historische Räumlichkeiten.“ Die Herausforderung am Projekt Kirchenfenster bestehe in der Kombination einer „künstlerisch hochwertigen Gestaltung“ mit der „überzeugenden Beleuchtungssituation für die Nutzung des Raumes“. Architekt Ester kommentierte den ersten Blick unter die Brennhaube in der Werkstatt: „Die gute Qualität der Arbeit und die beeindruckende Umsetzung des Entwurfgedankens lassen sich bereits erkennen.“ Die Fenster und der Lichteinfall spielten in einer gotischen Kirche eine große Rolle, betont Gerhard Schridde, Pastor von St. Johannis. „Der Gedanke der Lichtführung war, den Kuppeln und der Raumhöhe etwas Schwebendes zu geben. In dieser Symbolik öffnete sich der Raum nach oben und die Kirchen verloren alles Drückende und Dunkle. Sie wurden zu einem Ort zwischen ,Himmel und Erde’, der Begegnung von Immanenz und Transzendenz.“ Damit habe diese Architektur einen „wesentlichen, christlich-theologischen Grundgedanken“ aufgenommen. Fenster fügen sich „wie eine Membran in die Wandebene“ ein: Seitens der Kirchengemeinde habe es keine motivische Vorgabe der Fenstergestaltung gegeben, betont Broda. Grohs sagt, die neuen Fenster in der Nord- und Südfassade würden den vormals dunklen Raum wesentlich heller erscheinen lassen. „Eine ornamentale Textur aus schwungvollen Krümmungen und Geraden füllt jedes Fenster aus. Die neuen Fenster fügen sich wie eine Membran in die Wandebene ein und vermitteln so zwischen dem Innen und Außen.“ Die „schmuckvolle Ornamentik“ werde fenster- und raumübergreifend wahrgenommen, wobei der Eindruck entstehe, „dass ein fortlaufend gestaltetes Band die Außenwände“ umschließe, so Grohs. „Es finden sich Spuren von Blau, Gelb und Grau in unterschiedlichen Intensitäten in den Gläsern und sie verleihen dem grafischen Duktus eine zusätzliche Dimension.“ 2017 die Erneuerung aller Fenster auf den Weg gebracht: Im Zuge des Umbaus der Kirche habe die Gemeinde vor gut drei Jahren die Erneuerung sämtlicher Fenster im Kirchenschiff auf den Weg gebracht – „bis auf die Kriegsgefallenen-Gedächtnisfenster an der Südseite“, so Broda. Dieses Werk aus bunten Glaselementen habe Bestandsschutz. Acht Fenster, vier im südlichen Kirchenschiff und vier im nördlichen Kirchenschiff, würden neu gestaltet. „Die bestehenden Maßwerkfenster haben eine Höhe von etwa neun Metern und variieren in der Breite von einem bis zu 2,60 Meter.“ Nach der Erarbeitung des Gesamtentwurfs zur Glasgestaltung sei das Nordfenster bereits 2017 hergestellt worden. Es weise eine besondere Gestaltung aus „und nimmt Bezug auf das Gefallenenfenster, das direkt gegenüber liegt“, so Broda. Die Gestaltung hatte Grohs – die Produktion hatten Fachleute der Firma Schneemelcher übernommen. Amts für Bau- und Kunstpflege beauftragt den Glasmacher: Die Ausschreibung zur Anfertigung der übrigen künstlerisch gestalteten Bleiverglasungen der Kirchenfenster sei 2019 durch die Göttinger Außenstelle des Amts für Bau- und Kunstpflege Hildesheim der Landeskirche erfolgt. Der Auftrag sei im November an den bewährten Glasmacher vergeben worden. Alle Fensterverglasungen des Kirchenschiffs würden nach dem bereits 2018 vom Förderverein der St. Johannisgemeinde gekauften Gestaltungskonzept vom Glaskünstler Grohs individuell angefertigt und im Anschluss in die Fensteröffnungen eingesetzt, so Broda. „Der bewusste Umgang mit Licht, das den Kirchenraum künftig manifestiert, spielt für alle liturgischen Feiern und Versammlungen eine große Rolle. Um das gewünschte Zusammenspiel von Architektur, Glasgestaltung und Belichtung zu erzielen, sollen alle zu verarbeitenden Glaselemente in einem aufwendigen Herstellungsprozess individuell zur geforderten Lichtführung in der sogenannten Absenktechnik im Brennofen bei 820 Grad Celsius hergestellt werden.“ Zusammenarbeit „auf einem sehr hohen Niveau“: Dieses Glasformverfahren sei vom Glaskünstler Grohs „in seiner frühen Schaffensphase mitentwickelt“ worden, „um objektbezogen auf die Herausforderungen des Kirchenraums eingehen zu können“, so Broda. Für die Umsetzung des Verglasungskonzeptes sei die Zusammenarbeit von Schneemelcher und Grohs „auf einem sehr hohen Niveau“ Voraussetzung. „Zahlreiche Studien und Zusammenkünfte“ in der Kirche mit dem Künstler und der Kirchengemeinde hätten die Grundlage der künstlerischen Entwurfsarbeit gebildet. Die Abstimmung über den Verlauf der Arbeiten sowie die Klärung baulicher Details erfolge in der momentanen Pandemie-Situation über dem digitalen Weg, so die Vorsitzende des Kirchenvorstands. „Eine überzeugende, enge Begleitung der Arbeiten“ könne aber „nur über den haptischen und persönlichen Austausch in einem ganz kleinen Personenkreis am Brennofen und über dem Lichttisch in der Glaswerkstatt in Quedlinburg stattfinden“. Die Einsetzung der Fenster werde, „je nach Fertigstellung der einzelnen Maßwerkabschnitte, im Zeitraum der Umgestaltung des Kirchenschiffes erfolgen, so Broda. Zurzeit gebe es „kein ,festes’ Datum“. Grohs sagt, die Arbeiten an den Fenstern würden vermutlich bis in den Herbst dauern: „Sie sollen voraussichtlich im Oktober eingesetzt werden.“ Die Kirche St. Johannis soll nach den Vorstellungen der Gemeinde in Zukunft nicht nur Ort von Gottesdiensten sein, sondern: „Eine offene Bürgerkirche für alle Menschen“, kündigt die Gemeinde auf ihrer Homepage an. Sie soll ein Veranstaltungsort werden, der neben der Stadtkantorei und dem Posaunenchor St. Johannis „auch anderen Kulturschaffenden eine Bühne bietet. Ein Raum für den gesellschaftlichen Diskurs und vielfältige Begegnungen.“ Der Umbau habe 2014 mit der Sanierung des Chorraums begonnen. 2016 und und ’17 folgten die „Vervollkommnung des Altarraums“ und der Start der Erneuerung der Fenster. Im vergangenen Jahr begannen die umfangreichen Innenrenovierungsmaßnahmen. Das Investitionsvolumen für die Innenrenovierung der Kirche betrage 3,5 Millionen Euro, teilt die Gemeinde mit. Der Bund fördere die Sanierung des Innenraumes mit 1,75 Millionen Euro. Die verbleibenden Mittel sollen durch die Landeskirche Hannover, durch Rücklagen der Gemeinde sowie durch Stiftungen und vor allem Spenden aufgebracht werden. Von Stefan Kirchhoff

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