Figurentheatertage: Tristan Vogt haucht Steinen und Gläsern Leben ein

„Wann fühlt man sich reich?“ Diese Frage trieb Tristan Vogt nach eigenen Angaben bei den Vorbereitungen zu seinem aktuellen Stück „Was Sachen so machen“ an. Für die Figurentheatertage war er nach Göttingen gekommen. „Es ist nicht nur Geld, das reich macht“, erklärt Vogt, von „Thalias Kompagnons, Theater mit Puppen“ aus Nürnberg. Im Alten Rathaus in Göttingen haucht Vogt am Sonnabend Dingen wie Steinen, Servietten oder Schüsseln Leben und Persönlichkeit ein und zieht damit zehn Kinder und ihre Eltern in seinen Bann. Vogt spielt, wie Kinder spielen. Er versetzt sich in die Gedanken der Kleinen hinein und beweist damit viel Fantasie. „Normalerweise spiele ich in Kindergärten oder anderen Einrichtungen vor rund 30 Kindern“, erzählt Vogt. Dagegen finde die Vorstellung in Göttingen im eher kleinen, intimeren Kreis statt. Kinder fiebern mit: Mit weit aufgerissenem Mund und ausladenden Gesten verzaubert der Puppenspieler die Kinder. Die Kleinen fiebern mit den Schicksalen der Steine mit, bewundern die Melancholie des zierlichen Blütenblatts, das elegant ein Bad in seinem Privatschwimmbad, einem kristallenen Glas, nimmt. Gerne spielt Vogt für Kinder, die sonst eher nicht ins Theater gehen, und erfährt großartige Reaktionen und überraschende Emotionen vonseiten der Eltern und Kinder. Während seiner Vorstellung sitzt er auf einem kleinen Hocker vor einer massiven hölzernen Truhe, die, wie er sagt, „kleine Schätze“ enthält. Vogt spricht Kinder direkt an: „Ich will die Kinder direkt ansprechen, damit sie merken, dass ich für sie spiele und das Ganze keine Pseudokunst ist. Nicht ordentlich, aber schlau“, sagt Vogt. „Habt ihr denn auch kleine Schätze? Sammelt ihr auch Dinge?“, fragt er die Kinder. „Muscheln, Schneckenhäuser“, antworten die rund Vierjährigen. „Wieso sagen eure Eltern wohl manchmal ‚kleiner Schatz‘ zu euch?“, fragt Vogt. Für Erwachsene sei doch eigentlich immer Gold am wertvollsten, oder? „Seid ihr etwa auch aus Gold?“ „Nein“, rufen die Kleinen und lachen laut. „Genau, für eure Eltern seid ihr etwas ganz Besonderes, sie haben euch lieb“, erklärt Vogt. Dinge interagieren miteinander: Als Käpt´n mit einer dazugehörigen Mütze gibt sich Vogt als Weltbürger mit Lebenserfahrung und zeigt auf wunderbar spielerische Weise, dass es keine Wertunterschiede zwischen Hautfarben gibt. Teil der Vorstellung ist ein Erzähler und die verschiedenen Dinge, die ebenfalls miteinander sprechen und interagieren, die alle von Vogt mit Leben gefüllt werden. „Was wollen wir denn heute mal machen?“, fragt er eine Gruppe von Steinen, die er am Strand gefunden hat. „Du könntest uns aufräumen“, antworten die Steine. Worte können oftmals mehrdeutig verstanden werden, zeigt Vogt. So heißt aufräumen nicht gleich wegräumen. Doch wieso wollen die Steine nach Farbe geordnet werden? „So waren die am Anfang gar nicht. Da lagen sie kunterbunt durcheinander“, meint Vogt. Niemand habe eine falsche Farbe, beweist er, indem er die Steine in verschiedenen Anordnungen aufreiht. Hinzu kommen Steine, die Vogt im Park gefunden hat, die plötzlich einer anderen Spezies entsprungen scheinen. Welten aus Gläsern und Figuren: Die Vorstellung ist eine bedeutsame Abwechslung in einer Welt voller Technik. Vogt schafft Welten aus Gläsern und Figuren, die er aus dem Alltag entwendet hat. Frau von Stein, ein großer Kiesel, wundert sich über die spritzige und aufgedrehte Verhaltensweise eines kleinen Steins, der unentwegt um sie herumkugelt. Begleitet wird der kleine Stein durch das Lachen der Kinder. Frau von Stein, erwachsen und trotz ihrer Größe unauffällig, lässt sich anstecken vom kindlichen Stein und schreit vor Freude laut auf, als sie sich gehen lässt und sich im Kreis dreht. Die Moral: Erwachsene sollten das Kind in sich nicht vollständig unterdrücken, sondern Spaß zulassen, wild sein. Andersherum nehmen sich Kinder meist ein Vorbild an ihren Eltern. Anstatt das Kind also wütend zurechtzuweisen, sagt Frau von Stein alias Vogt: „Schau mal, wie still ich sitzen kann.“ „Das kann ich auch“, behauptet das Kind und verhält sich ruhig. „Thalias Kompagnons“ wurden 1990 als Tourneetheater „Tristans Kompagnons“ gegründet. Bis 2008 hatten die beiden Darsteller Tristan Vogt und Joachim Torbahn eine gemeinsame Spielstätte mit dem Theater „Salz & Pfeffer“ in Nürnberg. Gefördert werden die Kompagnons durch die Stadt Nürnberg, den Bezirk Mittelfranken und den Freistaat Bayern. Tristan Vogt studierte Germanistik und Soziologie und ist seit 1990 hauptberuflich Puppenspieler und Autor bei „Thalias Kompagnons“. Darüber hinaus ist er Gastdozent für Schauspielkunst an der Ernst-Busch-Hochschule in Berlin in der Abteilung Puppenspiel. Joachim Torbahn studierte Malerei in Wien, Bühnenbilder an der Oper Heidelberg und am Staatstheater Wiesbaden. Seit 1990 ist er Regisseur, Figuren- und Bühnenbildner bei „Thalias Kompagnons“, seit 1998 ist er dort auch als Spieler tätig. Lesen Sie auch: 35. Figurentheatertage in Göttingen starten mit dem Theater der Nacht aus Northeim Von Lisa Hausmann

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