Eigentlich solle der Zug bereits gegen Mitternacht durch den südlichen Zipfel Niedersachsens rollen. Am Göttinger Bahnhof stehen gegen 23.20 Uhr rund 200 Atomkraftgegener auf dem Bahnhofsvorplatz. Mit Kerzen, Redebeiträgen und Transparenten protestieren sie gegen den Castortransport und die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Dass sich der Castor verspäten wird, ist bereits klar. Via Twitter und Onlineticker werden ständig aktuelle Streckenberichte verbreitet. Gegen 2.30 Uhr kommt der Zug, heißt es jetzt. Nieselregen setzt ein. Die Demonstranten ziehen in die Innenstadt und später wieder zum Bahnhof zurück. Bis zum frühen Morgen hält ein kleines Grüppchen dort durch.
Überall entlang der Bahnstrecke im Landkreis ist Polizei stationiert. Doch auch die Führungskräfte im Lagezentrum an der Otto-Hahn-Straße wissen noch nicht, ob der Castor überhaupt über die Göttingen-Strecke geschickt wird. „Das entscheidet sich erst kurzfristig“, erklärt Göttingens Polizeichef Thomas Rath. Auch die Polizisten verfolgen auf Monitoren den Weg des Castors durch Hessen. Mit 70 bis 80 Stundenkilometern nähert er sich Bebra.
Hell erleuchtet ist ein Acker an der Bahnstrecke in Weende. Mit Hunden gehen Polizistinnen am Bahndamm entlang. „Hier endet der Lärmschutzwall, Demonstranten könnten auf die Schienen gelangen“, erklärt Polizist Mike Banasiuk, der aus Mainz-Kastell abgezogen wurde. Er ist einer von hunderten Polizisten, die im Landkreis an der ICE-Strecke „verpostet“ sind – so Rath.
Rund 700 Einsatzkräfte sind in der Robert-Bosch-Breite verpflegt worden. Pommes, Obst, Suppe: Auch spät in der Nacht sind dort Mitarbeiter damit beschäftigt, den Kollegen den Einsatz wenigstens kulinarisch zu versüßen. Denn: „Der Kuchen ist schon aus“, sagen Violetta Grobe und Ivana Kretschmer, die eigentlich Controllerin bei der Polizei ist. „Heute packen alle mit an, kaum jemand hat dienstfrei“, erklärt Polizeisprecherin Jasmin Kaatz. Kurz nach 3 Uhr verbreitet sich die Nachricht, dass Kletterer die Strecke zwischen Melsungen und Kassel blockieren. Castor steht. Das Warten geht weiter. Für die Einsatzkräfte und Demonstranten. Gegen 6.30 Uhr wird klar, der Castor nimmt die Göttingen-Strecke. Ohne Zwischenfälle rollt er wenig später durch den Bahnhof und weiter nach Norden.
Von Britta Bielefeld