Geldnot und UmweltschutzDarum stehen in Kerstlingerode Schafe auf dem Friedhof

Das kleine Dorf in der Gemeinde Gleichen hat ein Problem: Es gibt längst nicht mehr so viele Bestattungen wie in den vorherigen Jahrzehnten. Ein Problem, das viele kleinere Orte kennen. Was dennoch bleibt, ist die Pflege der Friedhöfe. Die Kerstlingeröder hatten jetzt eine Idee. Sie haben fünf Helfer gefunden: Auf dem Kerstlingeröder Friedhof weiden jetzt Schafe. Friedhofsarbeit: Ehrenamt: Dieter Schneemann ist ehrenamtlicher Friedhofsbeauftragter des Ortes. Er kümmerst sich in seiner Freizeit um die idyllisch am Ortsausgang gelegene Anlage. Allerdings: Die Einnahmen mangels neuer Bestattungen sinken, die Ausgaben für die Grünpflege nicht. Gemeinsam mit den Kirchenvorständen Liselotte Schmidt und Jürgen Heinemann hatte Schneemann nun eine Idee: Schafe sollen auf dem Friedhof weiden. „Wir können es uns nicht mehr leisten, die gesamte Fläche ständig zu mähen”, sagt der Friedhofsbeauftragte. „Außerdem ist eine Beweidung viel umwelt- und insektenfreundlicher”, sagt Schmidt. In Kerstlingerode lebt auch der Teilzeit-Schäfer Kai Cormann. Der studierte Forstingenieur ist zudem Mitglied der Biologischen Schutzgemeinschaft (BSG) in Göttingen und verantwortlich für das Beweidungsprojekt des Vereins. Cormanns andere Schafe weiden vor allem auf den Magerrasenflächen rund um Göttingen – beispielsweise im Bratental – und sorgen damit für deren Erhaltung. Etwa 40 Tiere leben in seiner Herde, „hauptsächlich für die Landschaftspflege“, so Cormann. Schafe am Pfarrhaus: Also dachten sich die drei Senioren, dass das doch auch für den Kerstlingeröder Friedhof eine Option sein könne. „Die Schafe waren schon einmal auf der Wiese am Pfarrhaus”, erzählt Schmidt. Also sprachen die drei engagierten Rentner Cormann an, der gern zusagte. Fünf Skudden, eine kleine, genügsame Schafrasse, weiden nun auf dem Friedhof – darunter „Theo“, der Bock. Die „Landschaftspflege“ ist es, die Cormann besonders am Herzen liegt. Das Beweidungsprojekt der BSG wurde bereits 2015 in Stadt und Landkreis Göttingen ins Leben gerufen. Im Jahr 2015 hat die Biologische Schutzgemeinschaft (BSG) Göttingen das Beweidungsprojekt im Landkreis und Stadtgebiet Göttingen initiiert. „Ziel dieses Projektes ist es, schützenswerte Biotope dauerhaft und nachhaltig zu erhalten oder zurückzuversetzen. Dabei richten wir ein besonderes Augenmerk auf Flächen, die für die konventionelle Landwirtschaft aufgrund des Verbuschungsgrades, starker Hangneigung oder Kleinflächigkeit nicht finanziell tragbar sind“, teilt der Verein auf seiner Homepage mit. Zudem werden Jung- und Hobbyschäfer beraten und Pflegekonzepte mit Priorität auf extensive Bewirtschaftung erstellt. Einige Flächen seien in der Vergangenheit durch Pflegemaßnahmen der Umweltverbände bereits in einen beweidungsfähigen Zustand zurückgeführt worden. Allerdings wachsen diese Flächen schnell wieder mit Gestrüpp wie Schlehen, Weißdorn und Hartriegel zu, sie müssen ständig gepflegt werden. „Diese Arbeit verrichten immer noch am besten und wie in den letzten Jahrhunderten auch üblich unsere tierischen Landschaftspfleger wie Schafe, Ziegen, Pferde und Rinder. Sie prägten somit durch diese extensive Beweidung unsere heutige Kulturlandschaft“, so die Biologen. „Hier waren die Tiere bereits”, sagt Schneemann und zeigt auf eine abgeweidete Fläche unterhalb des aktuell genutzten Gräberfeldes oben am Hang hinter der Kapelle. „Der Friedhof ist ja 3800 Quadratmeter groß”, sagt er. „Ein Drittel der Fläche wäre heute für unser Dorf ausreichend.” Gründe dafür gebe es viele, sagt Schneemann. Zum einen sei die Einwohnerzahl des heute noch 230 Einwohner starken Ortes in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Zum anderen werden die Menschen älter. „Das heißt auch, dass es immer weniger Angehörige gibt, die sich noch um die Grabpflege kümmern können”, sagt er. „Früher waren die Angehörigen 40 Jahre alt, heute sind sie selber oft weit über 60.” Trend: Friedwald und Seebestattungen: Darüber hinaus gehe der Trend zur Bestattung im Friedwald oder zu Seebestattungen auch an der Gemeinde Gleichen nicht vorbei. Auch Urnenbestattungen seien häufiger als in früheren Zeiten. Ein Feld für Urnengräber ist auch auf dem Friedhof in Kerstlingerode zu finden. „Einäscherungen waren früher die Ausnahmen, heute sind sie die Regel“, sagt Schneemann. Dennoch sind große Teile des Friedhofs eingeebnet und stehen bereit für kommende Grabstellen. „Wir bekommen ganz unterschiedliche Resonanz auf das Projekt”, sagt Schmidt. Nicht bei allen Kerstlingerödern findet es Zustimmung, bei den meisten aber schon. Die drei Senioren arbeiten ehrenamtlich, die Pflege der großen Flächen sei kaum leistbar. „Deshalb haben wir jetzt vierbeinige Rasenmäher”, sagt Schmidt. Schneemann: „Eine Win-win-Situation“. Lesen Sie auch Umgestaltung von Flächen auf dem Friedhof Spanbeck Bishausen: Peter Heppner pflegt seit 40 Jahren den Friedhof Von Britta Bielefeld