Göttingen: Grünen-Kreisverband kritisiert Polizei

Im Sommer 2017 wurde eine großflächige Überwachung und Datensammlung durch das Fachkommissariat 4 (Staatsschutz) der Göttinger Polizei öffentlich. Die Polizei ließ damals Personen in der Stadt verdeckt beschatten, erstellte Pinnwände mit Fotos und legte fünf Aktenordner mit hunderten Einträgen an. Betroffen seien damals auch Mitglieder der Grünen Jugend und des Kreisvorstands der Grünen Göttingen gewesen, teilt der Kreisvorstandes der Göttinger Grünen mit. Von 24 Klagen gegen diese Praxis hat die Polizei Göttingen Ende Dezember 2020 bei sieben weiteren, darunter die Klage eines Mitglieds des Kreisvorstands, die Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens anerkannt. Noch immer stünden sechs Verfahren aus, so der Kreisvorstand. Die Akten waren damals kurz vor Bekanntwerden der Überwachung geschreddert worden. „Trauriges Zeugnis“: „Es ist wichtig zu betonen, dass die Polizei Göttingen die Rechtswidrigkeit rein aus formellen Gründen anerkannt hat, weil keine sogenannte Dateibeschreibung angelegt wurde“, teilt Gregor Kreuzer mit, Sprecher des Kreisvorstands Göttingen. „Unsere Kritik richtet sich aber vor allem dagegen, dass die Polizei offenbar anlasslos hunderte Menschen in Göttingen im Alltag überwacht hat und darin scheinbar immer noch keinerlei Problem sieht. Dass es drei Jahre dauert, diese Formalie festzustellen, hinterlässt zu viele offene Fragen. Es ist ein trauriges Zeugnis über den Geist und die Wagenburgmentalität, die bei der Göttinger Polizei zu herrschen scheinen.“ Leonie Engelbert, Sprecherin des Kreisvorstands, ergänzt: „Auch wenn die Akten wirklich zufällig kurz vor dem Bekanntwerden geschreddert worden sein sollten, hätten wir uns etwas mehr Problembewusstsein erhofft. Scheinbar will die Göttinger Polizei aber an solchem Vorgehen festhalten: In der Reihe des Spudok-Skandals in den 80ern, dessen Wiederauftauchen nach angeblicher Löschung in den 90ern und den LiMo-Enthüllungen 2017 muss schon fast damit gerechnet werden, dass in einigen Jahren wieder derartiges an die Öffentlichkeit kommt. Nach einigen konstruktiven Gesprächen mit der Göttinger Polizeiführung sind wir enttäuscht über dieses intransparente Vorgehen. Die Polizei muss Bereitschaft zur Aufarbeitung zeigen und endlich anfangen, eine andere Fehlerkultur zu etablieren.“ Auch die Grüne Jugend schloss sich der Kritik an. Lesen Sie auch Polizei räumt ein: Datensammlung war rechtswidrig „Limo-Akten“: Land muss Ex-Polizisten aus Göttingen entschädigen Klagen gegen Göttinger Staatsschutz vor Verwaltungsgericht Uwe Lührig, Präsident der Polizeidirektion Göttingen, zeigt sich angesichts der Vorwürfe erschüttert und persönlich betroffen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahr 2017 Gespräche mit Vertretern der Partei zum Sachverhalt geführt worden sind. Von einer Wagenburgmentalität kann also keine Rede sein. „Im Gegenteil: Die Polizei hat eingeräumt, dass Fehler gemacht worden sind und hat das auch stets offen in der Öffentlichkeit und in den Medien kommuniziert“, erklärt Lührig. Dass sich Vorgänge, wie sie sich in der Polizeiinspektion Göttingen zugetragen haben, nicht wiederholen, dafür seien umfangreiche Maßnahmen getroffen worden, über die ebenfalls transparent informiert worden sei, so Lührig. So wurden bereits kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe interne Untersuchungen geführt und eine Geschäftsprüfung angeordnet und auch umgesetzt. Weiterhin seien die Mitarbeiter für das Thema sensibilisiert worden. Bedauern über Vorwürfe: „Ich bedauere sehr, dass der Kreisvorstand der Göttinger Grünen trotz der von ihnen selbst erwähnten konstruktiven und offenen Gespräche in den vergangenen Jahren nun derartige Vorwürfe erhebt. Wir haben angekündigt, zunächst die gerichtliche Prüfung abzuwarten. Das ist jetzt geschehen, wir haben die formelle Rechtswidrigkeit eingeräumt. Ich hätte es begrüßt, wenn die Parteiverantwortlichen jetzt das Gespräch mit der Behördenleitung gesucht hätten“, so Lührig. „Wir werden weiterhin dafür sorgen, dass datenschutzrechtliche Vorgaben in der Polizeidirektion Göttingen eingehalten werden und stehen dem Kreisvorstand der Grünen auch weiterhin zur Verfügung.“ Von Peter Krüger-Lenz