Göttingen: Heinz-Günther Bode erinnert sich noch an die Bombenangriffe

Am Tag, als der Angriff kam: Heinz-Günter Bode, Jahrgang 1931, erinnert sich ziemlich genau an die Zeit vor 77 Jahren. Es war der 23. November 1944. Der 13-jährige Göttinger wohnte mit seiner Familie im Haus an der Güterbahnhofstraße 3. Zu Kriegsbeginn 1939 war Vater Bode an die Front geschickt worden. Erst 1947 sollte er zurückkehren. „Wir haben immer die Bomberstaffeln am Himmel gesehen“, erinnert sich Bode, „wir wussten, was auf uns zukam.“ Die Bomber flogen meist weiter nach Berlin oder in andere Städte. Aber am 7. Juli 1944 war auch Göttingen Ziel eines Bombenangriffs, in der Nähe der Artilleriekaserne in Weende. Und im November traf es dann erstmals die Innenstadt. Um welche Uhrzeit kamen die Bomber? Bode kann die Frage nicht genau beantworten. Aber auf jeden Fall sei es abends gewesen: „Ich weiß nur, dass wir im Dunkeln reingegangen sind.“ Das Haus in der Güterbahnhofstraße 3 war in solchen Zeiten nicht sicher. „Der Keller war nicht abgestützt“, erzählt Bode. Das bedeutet: Bei einem Treffer wäre das Haus auf sie gestürzt, keine Überlebenschance. Doch es gab freundliche Nachbarn im Haus Nummer 7, einem kleinen, damals schiefergedeckten Gebäude, das heute noch steht und in dem jetzt die Buchbinderei Fischbach untergebracht ist. Damals wohnte in diesem Haus der Chef der Güterabfertigung der Bahn, Oberinspektor Karl Becker, mit seiner Familie „Die hatten einen abgestützten Keller, der war sicherer. Und die haben uns aufgenommen, das war toll.“ Tatsächlich überlebten Mutter und Sohn Bode den Angriff unversehrt. Heute noch wundert sich Bode, dass es in Kriegszeiten für die in der Heimat verbliebenen Mütter und Kinder keinen anderen Schutz gab als die Keller. Um andere Möglichkeiten, die Zivilbevölkerung zu schützen, hätten sich die Nationalsozialisten nicht gekümmert. Volksheim zerstört: Der Angriff vom 23. und 24. November 1944, an den sich Bode erinnert, hatte für Göttingen schlimme Folgen. Das ehemalige Volksheim am Maschmühlenweg wurde zerstört, das politische und gesellschaftliche Zentrum der Göttinger Gewerkschaften und Arbeiterparteien ab 1921, das 1933 von den Nazis besetzt worden war. Eine ganze Häuserzeile in der Unteren Masch wurde von den Bomben getroffen. Eine Mine, die in der Universitätsbibliothek explodierte, beschädigte die Pauliner- und die Johanniskirche. Auch am Geismartor fiel eine Bombe, die Lutherschule hatte Schäden. „Am schlimmsten aber war“, wie Cordula Tollmien im dritten Band des Buches „Göttingen. Geschichte einer Universitätsstadt“ berichtet, „dass auch das Gaswerk getroffen wurde, sodass die Gasversorgung von da an nur noch eingeschränkt funktionierte.“ Bode berichtet von weiteren Bombentreffern in der näheren Umgebung. „Das Eckhaus, die Nummer 1, das gehörte damals Klie. Hinter dem Haus gab es Pferdeställe und Möbellager. Genau vor der Stalltür ist auch eine Bombe runtergekommen. Aber ob die je geräumt wurde, weiß ich nicht.“ Ziele späterer Angriffe waren unter anderem Bahnanlagen, etwa das Bahnausbesserungswerk. Vor dem Bahnhof, „da, wo jetzt dieses komische Denkmal steht“, habe es einen Splitterschutzgraben gegeben. Der sei auch einem Bomben-Volltreffer zum Opfer gefallen. „Die letzten Bomben haben den Bunker der Lokführer getroffen“, erzählt Bode. Von weiteren Bombenabwürfen auf den Universitäts-Sportplatz weiß er: „Ich hatte mal ein Bild von den Trichtern.“ Doch das habe er einem Architekten gegeben, der auf dem Gelände einen Neubau errichten sollte. Seitdem besitzt Bode das Foto nicht mehr. Ziel: die Bahnanlagen: Ziel späterer Bombenangriffen waren, wie Tollmien berichtet, immer wieder Anlagen der Bahn, so der Angriff vom 1. Januar 1945 (Güterbahnhof) sowie die Angriffe am 9. und 22. Februar 1945 (Güterbahnhof, Gleisanlagen). Dass dabei auch die Umgebung stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, nimmt nicht wunder. Das betraf immer wieder Häuser an der Arndtstraße und am Maschmühlenweg, dazu Gebäude an der Emilienstraße, der Königsallee und der Groner und Weender Landstraße. Außerdem wurden industrielle Produktionsstätten beschädigt, darunter die Phywe, die Aluminiumwerke und die Sartoriuswerke sowie der Flugplatz. Auch von einem irrtümlichen Bombenabwurf hat Bode gehört: Ein amerikanischer Pilot habe berichtet, er habe versehentlich das Landeskrankenhaus in Rosdorf getroffen. Zur Bahn hat Bode eine besondere Beziehung: Nach anfänglicher kaufmännischer Lehre bei Opel und fünf Jahren Arbeit beim Aluminiumwerk wurde er von der Bundesbahn eingestellt und war lange Zeit Lokführer, insgesamt 40 Dienstjahre bei der Bahn, hat sich hochgearbeitet bis zum Lokomotiv-Betriebsinspektor. Seit 30 Jahren wohnt er in Grone, war CDU-Ratsherr der Stadt Göttingen und „13 oder 14 Jahre“ stellvertretender Ortsbürgermeister in Grone. 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