Göttingen: „Weihnachtsmarkt light“ in der Innenstadt

Zwölf statt 70. Nur ein Dutzend Buden finden sich in diesem Corona-Advent in der Göttinger Innenstadt im Halbrund um das Gänseliesel. Ein Weihnachtsmarkt sei das auf keinen Fall, sagt ein Händler. Er merkt an, dass schließlich alle Weihnachtsmarkt-Verträge gekündigt seien. Ein Hauch von Weihnachtsmarkt gehe von den zwölf Buden aus, schätzen Passanten das heruntergefahrene Angebot ein. Aber besser als nichts, lautet der Tenor. Wenn es denn schon nicht 70 Stände wie sonst üblich sein können... „Ja, besser als nichts“, betont auch Natascha Serke. Die Göttingerin bietet an ihrem Stand unter anderem Strickmützen an, auch kuschelige Schals aus Indien, die so groß sind, dass sie wie ein leichter Umhang getragen werden können. Ein farbenfrohes Sortiment liegt aus. „Die Leute freuen sich total darüber“, spricht Serke von der Resonanz der Kunden darauf, dass mit den zwölf Ständen seit 1. Dezember überhaupt so etwas wie Weihnachtsmarkt-Stimmung verbreitet wird. Und jetzt ist Halbzeit, am 23. Dezember sollte dann Schluss sein mit dem „Weihnachtsmarkt light“. Wahrscheinlich wird dieser Schluss aufgrund des deutschlandweiten harten Lockdowns auf den 16. Dezember vorgezogen, wenn denn auch Stände unter freiem Himmel betroffen sein sollten. „Wir achten aufeinander“: Nach der Frage an die Händler, ob sich das Ganze wirtschaftlich lohne, kommt das Gespräch schnell zur Überlegung, wie sinnvoll oder auch sinnlos die Vorgaben zum Infektionsschutz sind. Serke gehört nicht zu jenen, die alles hinnehmen. Eine Menge Schreiben habe sie an Politik und Verwaltung in Göttingen verfasst und darauf hingewiesen, dass eine Verbreitung des Corona-Virus nicht von Ständen unter freiem Himmel ausgehe. Es müsse doch Aufgabe der Politik sein, den Einzelhandel zu schützen. „Gastro ist gekillt“, macht sie auf die seit 2. November geltende Zwangsschließung für Restaurants und Cafés aufmerksam. Um die Pandemie in den Griff zu kriegen, müsse differenziert vorgegangen werden. Es gelte, die alten Menschen zu schützen, Pflegekräfte besser zu bezahlen. „Wir achten schon aufeinander“, sagt die Händlerin für die Göttinger Stadtgesellschaft. Ein generelles Verbot von Weihnachtsmärkten gibt es in Deutschland nicht. Die Entscheidung, ob Weihnachtsmärkte stattfinden dürfen, liegt bei den jeweiligen Kommunen. In Göttingen hat sich die Verwaltung für einen „Weihnachtsmarkt light“ entschieden: mit einzelnen Ständen an verschiedenen Standorten in der Innenstadt. Solange die Infektionslage es hergebe, könnte diese Alternative etwas vorweihnachtliche Stimmung in die Straßen der Altstadt bringen, hatte Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD) kürzlich gesagt. Die Entscheidung, den Weihnachtsmarkt mit seinen allgemein üblichen 70 und mehr Ständen abzusagen, „ist nicht leicht gefallen“, so Köhler. Unter Corona-Bedingungen sei ein Weihnachtsmarkt jedoch nicht zu realisieren. Zur Ausrichtung der „Light-Version“ hatte sich die Verwaltung nach eigener Darstellung mit der Pro City GmbH, dem Göttinger Tourismus- und dem Weihnachtsmarktverein abgesprochen. Nach der Verkündung des harten Lockdowns in Deutschland mit Schließungen von Einzelhandelsgeschäften muss die Entscheidung noch konkret fallen, ob auch Verkaufsstände unter freiem Himmel betroffen sind. Mit Stand Sonntag, 13. Dezember, hieß es, ausgenommen von der Schließung sind neben Lebensmittelgeschäften auch „Wochenmärkte für Lebensmittel“. Fünf Sicherheitsmeter entfernt bietet Denis Sourou Dah an seinem Stand Weizenkissen gegen steife Nacken und bunte Hemden gegen Winter-, Corona- und sonstigen Blues an. Die Hemden hat er selbst aus Stoffen genäht, die aus Afrika stammen. Änderungen kann er schnell auf seiner Nähmaschine ausführen. Denis Sourou Dah ist fröhlich wie die Stoffmuster und -farben um ihn herum. Dieser Stand sei auf jeden Fall besser als nichts, findet der Händler die gleichen Worte wie seine Nachbarin. Er sei zufrieden, weil er seine Waren anbieten kann. „Wir haben dankbare Kunden“: Am Stand von Ricarda Neubauer dampft und duftet es. Der Geruch nach gebrannte Mandeln erfüllt die Luft. Den 70. Firmenjubiläum des Familienbetriebes hat sich die Chefin ganz anders vorgestellt. „Das ist hier natürlich nicht mit einem Weihnachtsmarkt gleichzusetzen, aber es ist okay. Wir haben viele dankbare Kunden, die sich freuen, dass es nach Weihnachten riecht“, sagt Neubauer. Froh sei sie darüber, dass sie keinen Glühwein anbiete. Damit macht sie auf das ab sofort gültige Verkaufsverbot für offene alkoholische Getränke aufmerksam. Neubauer hofft, dass ein verschärfter Lockdown ab Montag nicht das Ende des Göttinger „Weihnachtsmarkt light“ bedeutet. „Ich habe gerade neue Ware eingekauft. Darauf möchte ich ungern sitzen bleiben“, sagt sie mit einem Seufzer. „Abgerechnet wird zum Schluss“, antwortet Wolfgang Sudeck auf die Frage, ob sich sein Stand mit Erzeugnissen aus der Buchbinderei rechnet. Auch er kommt schnell auf die politischen Vorgaben zu sprechen. Letztlich werde immer nur umgesetzt, was CDU und SPD vorgeben, dabei gebe es auch andere Meinungen aus anderen Parteien. „Und die sind auch gewählt worden.“ Zudem sei die Berichterstattung in den Medien zu einseitig. Immer nur Corona. Zahlen zu Grippe-Erkrankten oder Grippe-Toten würden nicht veröffentlicht. Lesen Sie auch Weihnachtsbuden statt Weihnachtsmarkt in Göttingen: Wer steht wo? „Ich will nicht maulen“: „Es ist mau, an manchen Tagen ist die Stadt fast menschenleer“, sagt Axel Weiß. Der Berliner verkauft Adventssterne und hätte gerne mehr Kundschaft. Glühweinstände und Publikumsverkehr bedingen einander, sagt Weiß. Fehlt das eine, fehlt das andere auch. „Ich will aber nicht maulen. Es ist der erste Markt in diesem Jahr für mich. Normalerweise würde ich jetzt in Berlin auf dem Breitscheidplatz stehen. Aber ich bin froh, hier zu sein. Hier gibt es liebe, nette Menschen, das fällt mir richtig auf“, lobt er das Gemüt der Göttinger. Von Ulrich Meinhard