Göttinger Landwirte: Insektenschutzgesetz ist in dieser Form nicht hinnehmbar

Es ist ein hehres Ziel, dass Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) verfolgt: Die Insekten retten, um Biodiversität zu erhalten und zu fördern. Die Maßnahmen, die mit dem Insektenschutzgesetz einhergehen, das am Mittwoch, 10. Februar, im Bundeskabinett verabschiedet werden soll, stoßen den Landwirten jedoch sauer auf – auch im Landkreis Göttingen. Geplant sind nämlich weitreichende Verbote von Pflanzenschutzmitteln, die dem Insektenschutz dienen sollen. Lesen Sie auch Neue Gefahr für Bund von Umweltschutz und Landwirtschaft in Niedersachsen Kommentar zum Berliner Insektenschutz-Gesetz: In die Sackgasse? Bundesweit haben die Bauernverbände eine betroffene Fläche von mehr als einer Million Hektar ermittelt, teilt Achim Hübner vom Landvolk Göttingen mit. „Das Insektenschutzpaket betrifft uns in Göttingen in erheblichem Umfang“, sagt er. So seien etwa 9000 Hektar, also knapp 20 Prozent der Ackerfläche, betroffen. „Das diskutierte Herbizidverbot bedeutet im Kern das Ende des integrierten Pflanzenbaus“, betont er. Eine normale Landwirtschaft, wie sie auf 95 Prozent der Flächen betrieben werde, „wird mit diesen Regelungen nicht möglich sein“, so Hübner. Eine ganze Reihe von Betrieben werde in so erheblichen Umfang betroffen sein, dass ein weiteres Wirtschaften insgesamt nicht mehr darstellbar sei. Der Niedersächsische Weg als Alternative? Derzeit werde der sogenannte Niedersächsische Weg angewandt, erläutert Landvolk-Vorsitzender Markus Gerhardy. Nach diesem gibt es für umgesetzte Umwelt-, Arten- und Gewässerschutzmaßnahmen Ausgleichszahlungen für die Landwirte. „Die Mehrzahl der Betriebe beteiligt sich bereits an den Maßnahmen“, erläutert er. Und: Diese umfassen einen Großteil der im Insektenschutzgesetz festgelegten Aktion, wie etwa den Abstand zu Gewässern, der beim Pestizideinsatz eingehalten werden muss. „Wenn wir an diesen Stellen weniger düngen oder sprühen dürfen, können wir weniger bewirtschaften“, fasst Hübner zusammen. Doch dann gibt es eine finanzielle Entschädigung für diese Fläche. Diesem Ausgleich würde durch das Infektionsschutzgesetz die Rechtsgrundlage entzogen. Der Niedersächsische Weg, „der gut funktioniert“, wäre dann tot, sagt er. Neben vielen anderen Maßnahmen soll auch die Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel in Gebieten mit besonderer Bedeutung für den Insektenschutz und an Gewässern eingeschränkt werden. Wesentliche Bestandteile des Insektenschutzgesetzes sind: Biozide sollen in Naturschutzgebieten, Nationalparken, nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung sowie in gesetzlich geschützten Biotopen verboten werden. Außerdem soll in diesen Gebieten sowie in Flora-Fauna-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten) der Einsatz von Herbiziden sowie biodiversitätsschädigenden Insektiziden verboten werden. Außerdem darf kein Pflanzenschutz innerhalb von zehn Metern zur Böschungsoberkante von Gewässern betrieben werden. Der Abstand verringert sich auf fünf Meter, wenn der Randstreifen dauerhaft begrünt wird. Außerdem soll die Aufbringung flüssiger organischer Düngemittel auf Grünland im Herbst begrenzt werden. Einer, dessen Existenz auf dem Spiel steht, sollte das Gesetz verabschiedet werden, ist Arnold Kracht. Er betreibt in Seeburg einen Hofladen, seine landwirtschaftliche Fläche liegt zu 80 bis 90 Prozent in Schutzgebieten, wie er sagt. Neben der Schweinehaltung betreibe er das Gebiet in unmittelbarer Nähe des Seeburger Sees größtenteils ackerwirtschaftlich. „Sollten die Auflagen so durchgeführt werden, wie die Bundesumweltministerin es vorhat, würde das an meine Existenz gehen“, sagt er. „Das ist beängstigend.“ Sein Sohn habe gerade seine Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister beendet, „was soll ich ihm sagen? Such dir was anderes?“, fragt Kracht. Die wohl einzige Alternative wäre, komplett auf einen Biobetrieb umzusatteln, doch das würde auch wieder Konsequenzen haben, von den Kosten ganz zu schweigen. Man sollte mit den Landwirten zusammen etwas gestalten, anstatt ihnen mit einer Verordnung eine Last aufzubürden, meint er. Umweltminister Olaf Lies steht Landwirten bei: Deshalb fordern die Landwirte und deren Interessenverbände, das Grundprinzip des Niedersächsischen Wegs „Auflagen gegen Ausgleich“ bundesweit anzuwenden. Landes-Umweltminister Olaf Lies (SPD) schließt sich der Kritik der Landwirte an. In einem Brief an Bundesumweltministerin Schulze fordert er, „die Auswirkungen für die Landwirtschaft von Vornherein“ zu bedenken und „dafür Sorge zu tragen, dass Maßnahmen zur Verbesserung des Insektenschutzes von den Landwirten auch mitgetragen werden können“. Zudem kündigte Lies bereits an, gegen ein Insektenschutzgesetz in der derzeitigen Form stimmen zu wollen. Damit ist er nicht allein: Deutschlandweit gibt es Proteste gegen die Gesetzesvorlage, die bayerische Politik lehnt den Vorschlag ebenfalls ab. Und auch in Baden-Württemberg macht Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) mobil. Sein klar formuliertes Ziel: Das Insektenschutzgesetz und die damit verbundene Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zu verhindern. Denn statt Verboten und Vorgaben müssten Anreize geschaffen werden, damit Bauern freiwillig den Einsatz von Pestiziden reduzierten – wie es in Niedersachsen bereits der Fall ist. Von Tobias Christ