Göttinger Organspendeskandal: Land muss Haftentschädigung für Arzt zahlen

Jetzt ist es endgültig: Das Land Niedersachsen muss einem in den Göttinger Transplantationsskandal verwickelten Chirurgen eine Haftentschädigung von knapp 1,2 Millionen Euro zahlen. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig am Freitag mitteilte, wird sie keine Rechtsmittel gegen das Ende Oktober ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG) einlegen. Damit sei das Zivilverfahren abgeschlossen, sagte Behördensprecherin Serena Stamer. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte in dem Verfahren als Prozessvertreterin des Landes Niedersachsen fungiert. Der frühere Leiter der Transplantationschirurgie am Göttinger Uni-Klinikum hatte 2013 rund elf Monate in Untersuchungshaft verbracht, ehe der Haftbefehl gegen Zahlung einer Kaution von 500000 Euro außer Vollzug gesetzt wurde. Der Chirurg hatte sich damals vor dem Landgericht Göttingen wegen elffachen versuchten Totschlags und dreifacher Körperverletzung mit Todesfolge verantworten müssen. Der Prozess endete im Mai 2015 mit einem Freispruch. Das Gericht sah es zwar als erwiesen an, dass der Chirurg medizinische Daten manipuliert hatte, damit eigene Patienten schneller ein Spenderorgan bekamen. Dies sei zwar moralisch verwerflich, zu dem Zeitpunkt aber nicht strafbar gewesen. Freispruch rechtskräftig: Nachdem der Freispruch rechtskräftig geworden war, zahlte das Land Niedersachsen dem früheren Oberarzt eine Haftentschädigung von 8500 Euro. Der heute 53 Jahre alte Arzt forderte indes eine deutlich höhere Summe, weil er aufgrund der Haft eine ihm zugesagte Stelle in Jordanien mit einem Monatsgehalt von 50000 US-Dollar nicht habe antreten können. Der ärztliche Leiter der Klinik in Jordanien hatte dies als Zeuge vor dem Landgericht Braunschweig bestätigt. Das Landgericht verurteilte daraufhin in erster Instanz das Land Niedersachsen zur Zahlung von rund 1.170.000 Euro. Lesen Sie auch: Göttinger Organspendeskandal: Arzt hofft auf Millionen-Entschädigung Göttinger Transplantationsprozess: Arzt hat Recht auf Entschädigung Nach Transplantationsprozess: Arzt fordert 1,2 Millionen Euro Haftentschädigung Gegen dieses Urteil hatte das Land Niedersachsen dann Berufung eingelegt, jedoch ohne Erfolg. Anders als das beklagte Land war das OLG der Ansicht, dass die vom Landgericht vorgenommene Beweisaufnahme keine Verfahrensfehler aufweise und es keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen und der zugrundeliegenden Beweiswürdigung gebe. Revision nicht zugelassen: Der OLG-Senat hatte gegen diese Entscheidung keine Revision zugelassen. Die Generalstaatsanwaltschaft hätte allerdings noch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen können. Nach Prüfung der Urteilgründe habe man entschieden, davon abzusehen, teilte Stamer mit. Dieses Rechtsmittel sei nur für bestimmte Konstellationen vorgesehen, beispielsweise dann, wenn ein Fall grundsätzliche Bedeutung habe und auch für andere Fälle relevant werden könne. Eine Revision müsse auch dann zugelassen werden, wenn die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dies erfordere, weil ein Urteil von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung abweiche. Solche Konstellationen lägen hier nicht vor. Von Heidi Niemann