Abgesehen von der „Insel Leipzig", sei im Freistaat schon seit Jahren ein „massives Anschwellen" rechter Gewalt zu beobachten, sagte Lühmann am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Wissenschaftler arbeitet zum Schwerpunkt Parteien und Extremismus am Göttinger Institut für Demokratieforschung.
Einen Grund für die Eruption rechter Gewalt gerade in Sachsen sei, dass „die Politik, namentlich die sächsische Union und Ministerpräsident Michael Kretschmer sich dem nicht entgegenstellen", betonte Lühmann: „Es ist bedenklich, dass der Ministerpräsident erst viel zu lange zu den Vorfällen schweigt und dann seine Pressestelle vorschickt, die relativiert und verharmlost." Kretschmer besitze selbst nicht die Courage, in Chemnitz zu erscheinen, sagte Lühmann.
2500 Demonstranten
In Chemnitz war es am Montagabend bei erneuten Demonstrationen wieder zu gewaltsamen Zwischenfällen gekommen. Ausgangspunkt war unter anderem eine Demonstration der rechten Bewegung „Pro Chemnitz", an der sich nach Schätzungen rund 2500 Menschen beteiligten. An einer Gegendemonstration beteiligten sich nach Schätzungen rund 1000 Demonstranten. Auslöser der aufgeheizten Stimmung ist der Tod eines 35-jährigen Deutschen am Wochenende. Gegen die beiden mutmaßlichen Täter, einen 22-jährigen Iraker und einen 23-jährigen Syrer, war am Montag Haftbefehl erlassen worden.
Die rechte Szene in Sachsen habe sich nach ihrer Zerschlagung vor einigen Jahren vor allem in den Fußballstadien neu formiert, sagte Lühmann. Wie auch beim Kern der ausländerfeindlichen „Pegida"-Bewegung komme es dort zu einem Zusammenspiel rechter Hooligans, lokaler rechter Szenen und rechtsaffiner Bürger. Der sächsische Verfassungsschutz sei „leider systematisch blind gegenüber solchen Verhältnissen und Verbindungen", betonte Lühmann: „Der Feind steht links, was rechts passiert, dafür ist man blind und verharmlost."
„Pegida und AfD gehen Hand in Hand“
„In Sachsen gehen ,Pegida' und die AfD schon seit geraumer Zeit Hand in Hand", fügte der Politikwissenschaftler hinzu. Ideologisch hätten sie ohnehin nie weit auseinander gestanden. Noch bedenklicher sei aber, dass "mit der AfD der parlamentarische Arm von 'Pegida' und 'ProChemnitz' längst im Landtag sitze". Dabei ließen sich Ereignisse wie in Chemnitz mit rechtsstaatlichen Mitteln zumindest in Bahnen lenken, sofern der politische Wille vorhanden sei. Das weit verbreitete menschenfeindliche Denken sei damit allerdings nicht zu brechen. „Die Bedrohung der Demokratie von außen und innen, sie ist real", sagte Lühmann.
Von epd