Göttinger Wohnbauprojekte liegen im Zeitplan

Göttingen fehlt es an Wohnraum, vor allem an bezahlbarem Wohnraum. Um so aufmerksamer verfolgen die städtischen Entscheidungsträger die Bauvorhaben, bei denen eben dieser entstehen soll. Aber egal, wohin man seinen Blick wendet, ob auf das IWF-Gelände am Nonnenstieg, das EAM-Hochhaus an der Kasseler Landstraße, die Immobilien der Adler Real Estate in Grone oder das Wohnquartier „Am Klosterpark“ auf dem ehemaligen Huhtamaki-Gelände, nirgendwo schien es bisher so richtig voran zu gehen. So zumindest der Eindruck der SPD-Ratsfraktion, die sich deshalb Ende Oktober mit einer entsprechenden Anfrage an die Göttinger Stadtverwaltung wandte. „Bei mehreren größeren Projekten verstärkt sich der Eindruck, städtebauliche Verträge beziehungsweise deren Vertragsfristen würden nicht eingehalten“, heißt es in der SPD-Anfrage. Durch diese Nichteinhaltung der Verträge könnte unter anderem die wichtige Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und der Bau von KiTa-Plätzen erheblich verzögert werden, befürchten die Sozialdemokraten. Die jetzt vorliegenden Antworten der Verwaltung zeichnen allerdings ein weit weniger dramatisches Bild der Situation. So ist lediglich in einem Fall, nämlich dem Bau einer Kindertagesstätte in Grone, tatsächlich eine vereinbarte Frist verstrichen, allerdings begründet hier der Investor die Verzögerung mit einer festgestellten Asbestbelastung und den erschwerten Bedingungen während der Corona-Pandemie. Die Zeitpläne im Einzelnen: IWF-Areal: Die Wertgrund AG aus München will auf einem Teil des Grundstücks am Nonnenstieg rund 60 Millionen Euro in den Bau von 214 Wohneinheiten investieren. Sieben Bauanträge für Mehrfamilienhäuser sowie eine Tiefgarage wurden im Dezember 2019 für die Gebäude mit sozialen Wohnungsbau und im Februar 2020 für die übrigen Baukörper eingereicht. Laut Stadtverwaltung wurden die Genehmigungen für zwei Gebäude im September und Oktober erteilt. Noch im Juni hatte Wertgrund-Vorstand Thomas Meyer erklärt, der Bau werde beginnen, sobald die Genehmigungen dafür vorliegen. Er rechne mit einem Baubeginn noch 2020 und einer anschließenden Bauzeit von 18 bis 20 Monaten. Nach aktuellen Planungen sollen in diesen Neubauten 42 Wohnungen öffentlich gefördert werden und 34 Wohnungen mietpreisreduziert sein. Zwischenzeitlich waren Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan angestrengt worden. EAM-Hochhaus: In der Problemimmobilie an der Kasseler Landstraße wurde die SPD-Anfrage mittlerweile von der Realität beantwortet. Anfang November verkündete die Tetraeder Immobilien GmbH, dass die Arbeiten an dem Hochhaus-Gerippe begonnen haben und voraussichtlich im Frühsommer 2022 abgeschlossen sein sollen. Hier war der Bauantrag für die Adresse Kasseler Landstraße 20 vom Juli 2019 im März 2020 genehmigt. Für das zweite Bauvorhaben auf dem Grundstück – möglicherweise ein Hotel – liegt bereits seit Mai 2017 eine Baugenehmigung vor, die im April 2020 das erste Mal verlängert wurde. Adler-Immobilien: Über die Sanierungs- und Neubaupläne der Adler-Real Estate wurde in Grone zuletzt heftig diskutiert. Neben den Kosten für die Sanierung hatten vor allem Verzögerungen für Unmut gesorgt. Zuletzt hatte Projektentwickler Andreas Biening im September im Ortsrat angekündigt, die 2018 für die Modernisierung der Immobilien vereinbarte Zeitspanne von drei Jahren werde sich verdoppeln. Ein Bauantrag für die Adressen Süntelweg 8 bis 24 ist seit April 2020 genehmigt, weitere Anträge für die Straßenabschnitte 1 bis 11, 13 bis 25 und 25 bis 29 seien noch nicht abschließend beschieden, da zunächst Unterlagen nicht vorgelegen hätten, so die Stadtverwaltung. Der ursprüngliche Zeitplan sah vor, dass bis Mai 2024 die Bestandsgebäude aufgestockt und bis November die Grünanlagen erstellt sein sollen. Der soziale Wohnungsbau soll bis Ende 2021 zur Verfügung stehen und der Bau der Kindertagesstätte Ende Juni beginnen. Man sei mit dem Investor im Gespräch, dass es speziell in diesem Punkt nicht zu einer Verzögerung kommen dürfe. Lesen Sie auch: Bauarbeiten am EAM-Hochhaus 2022 abgeschlossen Grundsteinlegung auf dem Huhtamaki-Gelände in Weende Adler Real Estate in Göttingen-Grone: Heftige Diskussion im Ortsrat Wohnen auf IWF-Gelände Göttingen Wertgrund investiert 60-Millionen Euro Neue Wohnungen am Nonnenstieg in Göttingen – Anwohner ziehen Klagen zurück Huhtamaki-Gelände: Auf dem Weender Areal der HoKo Verwaltungs GmbH entsteht auf einer Gesamtfläche von über 60.000 Quadratmetern das Wohngebiet „Am Klosterpark“. Nach Angaben der Stadtverwaltung ist eine Realisierung des Baugebietes inklusive des sozialen Wohnungsbaus bis September 2021 geplant. Ursprünglich sollte ein erster Anteil der Wohneinheiten „vorfristig“ fertiggestellt sein. Diese nicht näher definierte Absprache ist einer verlängerten Planungsphase und der Wirtschaftslage im Baugewerbe zum Opfer gefallen. Die weiteren Vereinbarungen hätten jedoch weiterhin Gültigkeit. Die Rechtsgrundlagenstädtebaulicher Verträge sind in Paragraf 11 des Baugesetzbuches (BauGB) definiert. Dort heißt es, die Gemeinde könne städtebauliche Verträge mit privaten Investoren schließen, um bestimmte Ziele eines Bauvorhabens zu definieren. Dazu gehören beispielsweise die Festlegung von Zeitfristen, Kostenübernahmen oder der Grundstücksnutzung. Häufig versuchen Kommunen auf diesem Wege, Problemen der Wohnraumversorgung mithilfe privater Investoren entgegenzuwirken. Allerdings heißt es im Paragraf 11 BauGB auch, dass „die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein“ müssen. In der jüngsten Stellungnahme der Göttinger Stadtverwaltung klingt das dann so: „Grundsätzlich sei jedoch darauf verwiesen, dass ein gewisses Maß an Flexibilität erforderlich und angebracht ist um auf unvorhergesehene Hemmnisse angemessen reagieren zu können. Dies gilt in der aktuellen Krise umso mehr.“ Von Markus Scharf