Großprojekt auf Gothaer-Gelände: Streit um bezahlbaren Wohnraum

Der nochmals geänderte und nach der einstigen Lüttich-Kaserne benannte Bebauungsplan für das ehemalige Gothaer-Gelände zwischen Geismar Landstraße und Wörthstraße hat den Rat der Stadt Göttingen passiert – bei fünf Gegenstimmen und einer Enthaltung. Voraussichtlich bis Ende 2021 sollen auf dem 70.000 Quadratmeter großen Areal mehr als 900 Wohnungen entstehen, mehrheitlich Studentenappartements. Edgar Schu (Linke/ALG-Ratsgruppe) nutzte die Ratssitzung, um erneut Grundsatzkritik an der Göttinger Wohnungspolitik und privaten Investoren zu üben. Die Stadt nutze nicht den gesetzlichen Spielraum, um ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, meinte Schu. Das geschehe nur in homöopathischer Dosierung. Von fast 1000 geplanten Wohnungen auf dem Gothaer-Gelände würden statt 300 nur 120 als geförderter Wohnungsbau errichtet werden. Das entspreche nicht der 30-Prozent-Quote, die die Stadt festgelegt habe. Auch Fransisco Welter-Schultes (Piraten) sprach von einem „sehr mageren Ergebnis für bezahlbaren Wohnraum“ nach fünf Jahren Vorgeschichte. Dem widersprachen SPD-Fraktionsvorsitzender Tom Wedrins und Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler (SPD). Auf dem Areal würden 500 Studentenappartements und 430 weitere Wohneinheiten, davon 137 als geförderter Wohnraum, entstehen, sagte Wedrins: „Wir haben dringend Nachholbedarf und sind über der Quote. Wo ist hier der Skandal?“. Wedrins verteidigte auch seine Äußerung, dass Bebauungspläne „ein Stück weit“ investorengerecht sein müssten. Das heiße, dass sich das Engagement der Investoren auch lohne müsse: „Was wir an Wohnraum benötigen, ist allein durch die öffentliche Hand nicht finanzierbar.Wir setzen deutliche Rahmenbedingungen, dass überhaupt Wohnraum entsteht.“ Durchmischung erwünscht: „Was nicht funktioniert, ist Bauen nach Ratsbeschluss“, sagte Köhler: „Wir können ein Ziel haben, brauchen aber Dritte, wenn wir eigene Mittel nicht haben.“ Bebauungspläne würden nicht nur auf Wunsch von Investoren gemacht, ihre Wünsche müssten aber mitberücksichtigt werden. Und ein Ziel müsse auch die Durchmischung sein. 2014 habe es noch kein Landesfördergesetz für öffentlichen Wohnungsbau und bis 2019 keinerlei Mittel für studentischen Wohnraum gegeben, dann nur ein Miniprogramm für Sozialwohnungen in Niedersachsen mit mehr als zehn Prozent der bisherigen Anforderungen aus Göttingen. Es sei der dritte oder vierte Versuch, auf dem ehemaligen Gothaer-Gelände Wohnungsbau zu etablieren, die Baupreise seien in fünf Jahren um mehr als 35 Prozent gestiegen, sagte Köhler und nannte als Grundprobleme Preis, Verfügbarkeit, Bereitschaft und Kapital: „Wir müssen Wege und Mittel finden für Geld und Geschwindigkeit.“ Lesen Sie auch: So soll das neue Studenten-Appartementhaus aussehen BUND kritisiert Bebauungskonzept Investoren und Architekten stellen Pläne vor Nur ein Teil der Altgebäude bleibt Zurückhaltung bei konkreter Planung Von Kuno Mahnkopf

Geismar Landstraße - Großprojekt auf ehemaligem Gothaer-Gelände: Streit um bezahlbaren Wohnraum