Händel Jubiläum in Göttingen erneut verschoben

Die Jubiläumsfestspiele zum 100-jährigen Bestehen waren aufgrund der Pandemie bereits von 2020 auf 2021 verlegt worden. Christoph Oppermann hat mit Tobias Wolff, geschäftsführender Intendant der Festspiele, gesprochen. Die Händelfestspiele 2020 sind weitestgehend der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Wie sieht es mit dem Festival 2021 aus? Es ist nicht absehbar, dass wir in knapp 50 Tagen beginnen können, mit Künstler*innen u.a. aus den USA, Großbritannien und Österreich szenische Proben durchzuführen. Gemeinsam mit dem Aufsichtsrat der Festspiele haben wir deswegen beschlossen, große Teile des Festivals in den September zu verschieben. Im Mai werden wir trotzdem mit einem digitalen Programm an den Start gehen. Was bedeutet diese Teilung des Programms konkret – für Künstler, Publikum und Organisatoren? Wir haben das Programm ja schon einmal verlegt. Damals – im März 2020 – konnten wir uns nicht vorstellen, dass die Situation für die Kultur ein Jahr später nicht wesentlich besser sein würde. Natürlich ist es zermürbend, nun noch einmal alles anfassen zu müssen. In manchen Bereichen bedeutet das auch Umbesetzungen – natürlich hat nicht jeder Künstler und jede Künstlerin im September Zeit. Sehr berührt hat mich bei der Umplanung das große Entgegenkommen vom Deutschen Theater und der Lokhalle, ohne die wir die Festspiele gar nicht durchführen könnten. Wieviel Festival-Charakter geht Ihrer Meinung dadurch verloren? Ehrlich gesagt hoffe ich darauf, dass wir im Herbst Festival-Charakter zurückgewinnen! Eine Durchführung im Mai wäre mit Abstand, Maske, Hygienemittelspendern und vielen Barrieren sicher nicht so atmosphärisch geworden. Worauf können sich Händel-Fans jetzt noch freuen? Natürlich auf unseren Kern: die szenische Oper „Rodelinda“ in einer Inszenierung, die wir aus einer Vielzahl internationaler Bewerbungen ausgewählt haben. Außerdem natürlich auf spannende Kammerkonzerte, neue digitale Formate, großartige internationale Solist*innen, Publikumslieblinge der letzten zehn Jahre, auf unser großartiges FestspielOrchester Göttingen – und natürlich auf unseren Künstlerischen Leiter Laurence Cummings! Welche Auswirkungen hat das auf die Finanzierung der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen? Die finanziellen Auswirkungen sind überschaubar. Hier und da werden Ausfallgagen fällig, ansonsten verschieben sich unsere Kosten nur in einen anderen Zeitraum. Wenn wir im September wieder mehr Menschen in unsere Säle lassen dürfen, wäre das finanziell sogar von Vorteil. Wieviel und welche Unterstützung haben Sie bislang in der Corona-Krise bekommen? Wie haben die Sponsoren und das Publikum reagiert? Wir haben im vergangenen Jahr eine unglaubliche Spendenbereitschaft von unserem Publikum und Mitgliedern der Göttinger Händel-Gesellschaft erfahren. Dadurch konnten wir schon im vergangenen Jahr bereits erbrachte Teilleistungen vergüten, ohne dass uns in diesem Jahr das Geld fehlt. Unsere Gesellschafter bestehend aus Händel-Gesellschaft, Stadt und Landkreis Göttingen und Händel-Stiftung standen geschlossen hinter uns und haben mit ihren Zuschüssen den laufenden Betrieb gesichert. Die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen profitieren außerdem von diversen Sonderprogrammen des Bundes und des Landes Niedersachsen. Aus Mitteln von „Neustart Kultur“ können wir zum Beispiel die Umwandlung unserer Jugendoper „Ezio: Game of Rome“ in ein Filmprojekt ermöglichen beziehungsweise Ticketscanner und Desinfektionsmittelspender finanzieren. Auch bei den Sponsoren und Förderern gab es eine große Unterstützung. Stiftungen haben ihre Zusagen in das Jahr 2021 verlängert, Sponsoren haben zum Teil ihre Unterstützungen in Spenden umgewandelt und haben schon frühzeitig Zusagen für das Folgejahr gemacht. Welche Folgen hat die zweite Corona-Runde zu Lasten der Festspiele für die betroffenen Künstlerinnen und Künstler? Die meisten Künstler und Künstlerinnen haben dankbar auf die Verschiebung reagiert. Ein Festhalten am Mai-Termin hätte insbesondere für die Orchester-Mitglieder aus den USA ein Einreiseverbot und eine Umbesetzung bedeutet. Natürlich gibt es Künstler*innen, die im September nicht können. Die Anzahl ist aber überschaubar. Tobias Wolff, Jahrgang 1975, studierte Musikwissenschaft, Bratsche und Betriebswirtschaft in Cambridge, Essen und Leipzig. Nach beruflichen Stationen als Kulturmanager und Musikjournalist wurde er 2011 zum Geschäftsführenden Intendanten der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen berufen. In seiner Amtszeit erhielten die Festspiele unter anderem den Förderpreis Musikvermittlung, eine Förderung der Europäischen Union für das Stipendiennetzwerk „eeemerging“, eine Einladung zur EXPO 2015 sowie 2015 und 2016 in mehreren Kategorien den renommierten australischen Helpmann Award. r Welche Schlüsse ziehen Sie selbst aus dem zweiten Programm unter Corona-Bedingungen für die Tätigkeit als Intendant? Mein Vertrag endet am 30. Mai. Ab dem 1. Juni ist mein Nachfolger Jochen Schäfsmeier verantwortlich. Ich habe aber von meinem nächsten Arbeitgeber – der Stadt Leipzig – bereits eine Genehmigung erhalten, im September für drei Wochen nach Göttingen kommen zu können. Ich freue mich natürlich sehr darauf, das Festspielprogramm endlich zu erleben, liebe Menschen wiederzusehen und auch in angemessener Form nach zehn Jahren Abschied nehmen zu können. Eine große Herausforderung liegt allerdings vor meinem Nachfolger. Durch die Verschiebung liegen zwischen den nächsten Festivals nur acht Monate. Deswegen müssen wir bereits jetzt parallel zwei Jahrgänge bearbeiten. Nach den Erfahrungen von 2020 und 2021: Ist die Veranstaltungsform noch zeitgemäß oder ist die Pandemie möglicherweise sogar Katalysator bei eventuell nötigen Veränderungen im Charakter eines solchen Festivals? Natürlich geht die Krise nicht spurlos an der Festivallandschaft vorüber. Die unbegrenzte internationale Mobilität wird vermutlich nicht mehr wiederkommen, nicht zuletzt aus Überlegungen der Nachhaltigkeit. Es wird etliche Jahre in Anspruch nehmen, um die Internationalität bei Künstler*innen und Publikum neu zu definieren und wiederaufzubauen. Was empfehlen Sie den Händel-Fans, um sich jetzt ein wenig zu trösten? Festival-Freunde und -Bekanntschaften anrufen, ein bisschen im Festspiel-Magazin des letzten Jahres mit den vielen schönen Rückblicken und Bildstrecken schmökern. Oder einfach Händel hören! Sie erreichen den Autor unter E-Mail: c.oppermann@goettinger-tageblatt.de Twitter: https://twitter.com/tooppermann Facebook: https://www.facebook.com/christoph.oppermann. Von Christoph Oppermann