Interview mit Musumsleiterin Andrea Rechenberg: Einzigartige Göttinger Stadtansichten

Seit Jahrzehnten sind zwei großformatige Gemälde im Städtischen Museum am Ritterplan zu besichtigen. Die Stadtansichten aus dem 17. Jahrhundert stellen Belagerungsszenen des Dreißigjährigen Krieges dar. Museumsleiterin Andrea Rechenberg erklärt im Tageblatt-Interview die Bedeutung der Gemälde und deren kunsthistorische Untersuchung fürs Museum. Seit wann sind Ihnen die Stadtansichten bekannt? Die Bilder waren schon bekannt, aber sie hingen bis 2008, dem Beginn der Sanierung, jahrzehntelang unscheinbar in der Dauerausstellung des Städtischen Museums: schlecht zu betrachten, ungünstig beleuchtet, nicht inventarisiert, dürftig erläutert und auch von den wenigsten Besuchern beachtet. Die Bilder sind zwar sehr groß, aber hingen oben unter der Decke. Es hätte einer Leiter bedurft, um sie wirklich betrachten zu können. Hatten beide Gemälde schon immer einen festen Platz in den Räumen des Museums? Die Gemälde kamen 1893 aus dem Rathaus in das noch junge, 1889 gegründete Museum. 1908 wurden sie wieder ins Rathaus gebracht. Nachweislich kamen dann die Gemälde erst wieder 1972 ins Museum zurück. Sie waren hier dann in den Räumen, die dem 16./17. Jahrhundert gewidmet waren, ausgestellt. Die Untersuchung durch Herrn Dr. Appel hat einiges zur Herkunft und auch Bedeutung der Werke festgestellt. Wie wird das von Ihnen beurteilt? Wir sind sehr, sehr glücklich über die Forschungen von Herrn Appel. Die Ergebnisse seiner Untersuchung haben nicht nur die Maler, sondern auch die Bedeutung der Bilder für die Stadtgeschichte sichtbar gemacht. Er hat durch seine Archivalische Quellenarbeit die politische Bedeutung der Gemälde herausgearbeitet. Das aufeinander bezogene Bilderpaar wurde vom Rat der Stadt Göttingen in Auftrag gegeben, nicht von einem siegreichen Feldherrn zur Darstellung seines Ruhms, damit stehen die beiden Gemälde in der europäischen Kunstgeschichte recht einzigartig dar. Eng damit verknüpft ist dann auch die politische Funktion der Bilder: Der Auftrag durch den Rat der Stadt Göttingen erfolgte noch vor dem Friedensschluss von Münster und Osnabrück 1648. Damit wollte er die offizielle Interpretation der Kriegsereignisse in repräsentativer Form festhalten. Gibt es Pläne, auf die Geschichte der beiden Stadtansichten besonders einzugehen? Die beiden Gemälde sind ja jetzt schon seit einiger Zeit zentrale Objekte der Dauerausstellung: „Stadt.Macht.Glaube.“ Neben der üblichen Beschriftung haben wir multimediale Vermittlungsformen gewählt. Das Belagerungsgemälde von 1626 wird den Besuchern an einer Audiostation von Herrn Appel selber erläutert. Zu dem Belagerungsgemälde von 1641 gibt es ein kleines Filmchen. Aber um die ganze, hochinteressante Geschichte der Bilder zu zeigen, wäre eigentlich das Format einer digitale Ausstellung angemessen. Mit der Restaurierung ist, wie an Stellen der 1626-Ansicht erkennbar ist, begonnen worden. Wie lange wird die dauern? Wie lange genau die Restaurierung dauern wird, ist noch nicht abzusehen. Es wird bestimmt einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Restaurierung wird übrigens, wegen der Größe des Bildes, an dem jetzigen Standort, also in der Ausstellung stattfinden. Sind weitere Exponate im Besitz des Städtischen Museums, für die eine Herkunftsanalyse aufschlussreich wäre, auch um mehr über die Göttinger Geschichte zu erfahren? Ganz bestimmt und wir haben durch unsere Provenienzforschung auch schon sehr interessante Ergebnisse zu unterschiedlichen Sammlungsbeständen erzielen können. Unser Haus ist ja eines der ältesten Stadtgeschichtlichen Museen in Niedersachsen mit einem hervorragenden alten Bestand von geschätzten 150 000 Objekten. Wir arbeiten, neben unseren vielen anderen Aufgaben, mit Nachdruck an der Erforschung unserer Objekte. Interview: Angela Brünjes Von Angela Brünjes