Johanniskirche in Göttingen: Neues Kirchenbild enthüllt

Beim Eintritt in die Johanniskirche in Göttingen schweift der Blick automatisch nach links. Nicht einmal auf den zweiten Blick ist erkennbar, ob es sich um den in neuem Glanz erstrahlenden Altarraum oder um ein überdimensionales Poster handelt. „Wo hört die Realität auf und wo fängt die Illusion an“, sagt dann auch Pastor Gerhard Schridde, der Gönner und Förderer eingeladen hatte, damit sie sich ein Bild über den Fortschritt bei der Renovierung des Kirchenschiffs machen konnten. „Es ist eine Einladung zur Illusion. Das Bild vermittelt den Eindruck, als wäre schon alles fertig“, verdeutlicht Schridde. Die Gäste folgten gern der Einladung, sich gedanklich treiben zu lassen. „Nein, wir sind noch nicht fertig. Wir nehmen immer mehr wahr, dass wir in einem offenen Prozess sind. Jeder der baut weiß, dass man vor Überraschungen nicht sicher ist. Deswegen ist es auch schwer, Zeitpläne zu nennen“, erklärt der Pastor. Vorfreude überwiegt: Die Ungeduld, die einen zuweilen plagt, sei aber deutlich leichter zu ertragen, wenn am Ende die Vorfreude auf das gelungene Gesamtwerk überwiegen würde. „Wir lassen uns auf ein Gedankenspiel ein, stellen uns unsere Kirche als einen hellen, gastfreundlichen Ort vor“, schließt Schridde die Zuhörer mit in seine Gedanken ein. „Wir streben eine multifunktionale Nutzbarkeit an. Von der Konferenz bis zum Konzert ist alles denkbar“, berichtet Superintendent Friedrich Selter, denn vorgesehen ist auch eine hochmoderne Beschallungs- und Lichttechnik. „Von Geselligkeit, Erlebnis bis hin zu Spiritualität ist alles möglich“. Darüber hinaus wird die Kirche auch mit entsprechender Sicherheitstechnik ausgestattet. Unternehmungslustig zeigte sich Hildgund Broda, die Vorsitzende des Kirchenvorstands. „Es ist eine gemeinsame Vision, die wir haben. Es ist eine Reise, auf der wir unterwegs sind. Es sind kleine Schritte, die wir machen, aber rückblickend stellen wir fest, dass es ein entscheidender Schritt war. Wir haben noch viel vor uns“, ist sie sich sicher. Und im Gegensatz zu einer bis ins letzte Detail durchgeplanten Reise sieht die Situation in Bezug auf die Johanniskirche komplett anders aus. „Eine Innenrenovierung ist eine schwer planbare Reise, aber wir freuen uns über jeden Fortschritt“, sagt Broda und dankte den Förderern und Gönnern für ihre Abenteuerlust, indem sie zum Reisebudget beigetragen hätten. Lust auf das Endergebnis: Walter Stickan, Vorstandsvorsitzender des Vereins „Aufbruch St. Johannis“, gehört mit seinen Mitstreitern ebenfalls zur Reisegruppe. „Der Verein hat sich gern an der Reise beteiligt“, führt er aus und fügt an: „Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Das Poster macht Lust auf das Endergebnis.“ Die Animation in der Kirche stammt vom Amt für Bau und Kunstpflege der Landeskirche Hannover. „Heino Ester begleitet die umfangreichen Sanierungsarbeiten sehr engagiert und kompetent“, berichtet Superintendent Selter. Für die Herstellung des Posters zeichnet „Klartext“ verantwortlich. Bauidee ist erhalten geblieben: Als dreischiffige Hallenkirche aus Rotsandstein wurde die Johanniskirche, die die Stadtsilhouette prägt und darüber hinaus zu ihrem Wahrzeichen geworden ist, erbaut. Die ursprüngliche Bauidee ist trotz zahlreicher Umbauten und Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte weitgehend erhalten geblieben. Teile eines Vorgängerbaus sind im Dach und im spätromanischen Portal der Nordfassade mit der ehemals grün-weiß-rot gefassten Archivolte (Stirnseite eines Rund- oder Spitzbogens) wiederverwendet worden. Das Südportal mit Laubwerk wurde nachträglich eingefügt. Den nördlichen Turmaufsatz prägen gotische, den südlichen barocke Stilelemente. Das Gesamtinvestitionsvolumen für die Renovierungsmaßnahmen im Inneren sind mit 3,5 Millionen Euro veranschlagt. Der Bund fördert die Sanierung des Innenraumes der Johanniskirche in den nächsten drei Jahren mit 1,75 Millionen Euro. Dies hat der Haushaltsausschuss des Bundestages in seiner abschließenden Beratung für den Haushalt 2017 beschlossen. Die Mittel werden im Haushalt der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien bereitgestellt. Die restlichen Mittel sollen durch die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover, durch Rücklagen der Johannis-Gemeinde sowie durch Spenden und Stiftungen aufgebracht werden. Die letzte größere Renovierung gab es in den 60er Jahren. Damals wurden die Reste der qualitätvollen neugotischen Ausstattung entfernt und durch eine moderne ersetzt. Die neue Empore orientierte sich dabei an der Höhe ihrer Vorgängerin. Das neue Konzept sieht eine eher lockere Gestaltung vor. Speziell die transparente Brüstung soll eine gewollte Leichtigkeit vermitteln. Von Vicki Schwarze

Johanniskirche in Göttingen - Illusionen und Reiselust