Kampf gegen Corona-Virus im Klassenzimmer: drei Anträge im Rat Göttingen

Das Thema Luftreinigungsanlagen in Schulen beschäftigt weiterhin die Politik in der Stadt Göttingen. Gleich drei Anträge dazu stehen auf der Tagesordnung der Ratssitzung am Freitag. Mit einem Dringlichkeitsantrag der CDU-Ratsfraktion soll die Stadtverwaltung ermächtigt werden, Unterrichtsräume in den Göttinger Schulen kurzfristig für bis zu 1,5 Millionen Euro mit Luftreinigungssystemen und Plexiglastrennwänden für die Tische auszurüsten. Mit der Dringlichkeit will die CDU erreichen, dass die Verwaltung nicht erst im Mai oder Juni, sondern jetzt einen haushaltswirksamen Beschluss des Rates bekommt. Nach Vorstellung der CDU sollen die mobilen Luftreinigungsgeräte grundsätzlich drei Kriterien erfüllen: Sie sollen einen sechsfachen Austausch der Raumluft im Klassenzimmer pro Stunde ermöglichen. Sie sollen eine Reinigungsqualität entsprechend dem HEPA-Standard (High Efficiency Particulate Air) 13 oder 14 haben. Ihre Lärmbelastung soll unter 55 Dezibel liegen. Über weitere technische Spezifikationen soll dann der Bauausschuss am 18. Februar beraten, der Schulausschuss anschließend über die Verteilung der Geräte in die einzelnen Schulen. Finanzieren will die CDU die 1,5 Millionen Euro entweder aus Haushaltsresten oder auch „ausdrücklich“ über eine zusätzliche Kreditaufnahme. Vorschlag der GöLinke/ALG-Ratsgruppe: Die GöLinke/ALG-Ratsgruppe hat für die Finanzierung einen eigenen Antrag erarbeitet, der ebenfalls in der Ratssitzung erörtert werden soll. Damit soll der Rat der Stadt Göttingen seine Vertreter im Aufsichtsrat der Städtischen Sparkasse aufrufen, sich im Aufsichtsrat dafür einzusetzen, „dass die der Sparkasse zugewiesenen Gewinne der Städtischen Wohnungsbau in Höhe von 1 037 000 Euro der Stadt Göttingen überlassen werden, um die Göttinger Schulen mit Luftfiltersystemen und Trennscheiben auszustatten“. Die Ratsgruppe begründet das mit der guten Bilanz der Sparkasse für 2020 und einem Jahresüberschuss von 5,9 Millionen Euro. Lesen Sie auch Im Kampf gegen das Corona-Virus: Ministerium sagt Nein zu Plänen aus Göttingen Mit Technik gegen das Coronavirus: Göttingens Klassenzimmer sollen Ausstattung bekommen Göttingen: Kein universelles Muster A bei Luftreinigungsanlagen für Schulen möglich Stadtelternrat macht Druck: Offener Brief für besseren Corona-Schutz in Göttinger Schulen „Benachteiligte“ Klassenräume Göttinger Schulen sollen Belüftungstechnik erhalten „Aktuell weiß niemand, wie lange wir alle mit den massiven Bewegungseinschränkungen zur Eindämmung der Endemie werden leben müssen. Durch neue, aggressivere Varianten sind weitere Verschärfungen nicht“, begründet die CDU ihren Dringlichkeitsantrag und weiter: „Wir wissen auch nicht genau, welche Bedeutung speziell unseren Kitas und Schulen bei der Weiterverbreitung des Virus zukommt. Wir wissen aber sicher, dass wir unseren Kindern kein weiteres Jahr ohne Präsenzunterricht zumuten können. Die verfügten Anordnungen zum Durchlüften von Klassenräumen selbst bei Minustemperaturen wirken hier aber eher hilflos als praktikabel und zielführend.“ Nach „intensivem Austausch“ mit Experten unterschiedlicher Fachrichtungen hat die CDU Kriterien ausgemacht, die eine „vernünftige Beschaffungsentscheidung“ ermöglichen: Wirksamkeit, Luftdurchsatz, Betriebslautstärke, Unterhaltungsaufwand und Systempreis. Der FDP-Stadtverband Göttingen hat Haushaltsmittel für den Kauf von Luftreinigungssystemen für Schulen gefordert. Der Rat soll das entsprechende Geld bereitstellen. Um einen Präsenzunterricht zu gewährleisten, sei es, zwingend notwendig, die schulischen Räumlichkeiten technisch anzupassen, sagt Patrick Thegeder, Vorsitzender FDP-Stadtverbandes. So biete die momentane Situation keinerlei zufriedenstellende Perspektive und die Haltung der Landesregierung zum Lüften widerspreche jeder gängigen wissenschaftlichen Expertise zur Dauer des Luftaustauschs in einem von mehreren Personen genutzten Raum. Eltern benötigten nach zwei weiteren Monaten Schulschließungen eine Perspektive aufgezeigt zu bekommen, so Thegeder weiter. Eltern müssten ihren Kindern ruhigen Gewissens in ein gefahrloses und geschütztes Umfeld Schule geben können, ohne sich Sorgen über mögliche Infektionsketten und etwa die mögliche Gefährdung der Großeltern machen zu müssen. „Schüler müssen in einem zweifelsfrei gefahrlosen Umfeld lernen zu können, und Lehrer müssen sich ruhigen Gewissens auf die Weitsicht des Dienstherren verlassen zu können“, fordert Thegeder. All das sei bei einer unzureichenden Lüftung von Klassen- und Lernräumen nicht gewährleistet, und eine ausreichende Durchlüftung finde bei einem drei- bis fünfminütigen Lüften alle 20 Minuten nicht statt. „Es ist höchste Zeit endlich in die Sicherheit unserer Schulen zu investieren, sodass die Bildungschancen unserer Kinder gewahrt bleiben“, sagt Thegeder abschließend. SPD-Vorstoß: Geräte auch für Kindertagesstätten: Die SPD erweitert unterdessen die Diskussion auf die Kindertagesstätten. Mit ihrem Antrag zur Ratssitzung will sie die Verwaltung auffordern, in einem Stufenplan zu prüfen, „ob und an welchen Standorten es sinnvoll ist, die Gruppenräume in den Göttinger Kindertagesstätten in städtischer oder freier Trägerschaft mit Technik zur Luftreinigung auszustatten, um eine Covid -19-Infektionsgefahr durch Aerosole zu verringern“. Auch soll überlegt werden, so die SPD, ob und in welchen Räumen bestehende raumlufttechnische Anlagen ertüchtigt beziehungsweise ob an bestimmten Standorten geeignete CO2-Messgeräte sinnvoll eingesetzt werden können. Bei allen in Planung und Umsetzung befindlichen Neubauten und Sanierungen von Kindertagesstätten muss nach SPD-Antrag ab sofort sichergestellt werden, dass die aktuellen Erkenntnisse zur Notwendigkeit ausreichender Lüftung einfließen. Die Ratssitzung beginnt am Freitag, 12. Februar, um 16 Uhr in der Sparkassen-Arena Göttingen, Schützenanger 1. Aus Sicht der Stadtverwaltung Göttingen macht die Anschaffung von technischen Anlagen nur Sinn, „wenn bei einer kurzfristigen Beschaffung in den Klassenzimmern – anders als in der Niedersächsischen Corona-Verordnung eventuell vorgesehen – Unterricht in Göttingen dann auch stattfinden kann“. So hatte es die Verwaltung in einer Vorlage zum Bauausschuss im Januar formuliert. In einem Schreiben an Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hatte Schuldezernentin Maria Schmidt gefragt, ob die Nutzung der Räume bei technischer Ausstattung mit mobilen Luftfiltergeräten entgegen anderer Regelungen erlaubt sei. Die Ministeriumsantwort gegenüber dem Tageblatt fiel kurz und eindeutig aus: „Nein“, sagte Ministeriumssprecher Ulrich Schubert. Es gelte verpflichtend die Corona-Verordnung des Landes und damit zunächst bis zum 14. Februar die dort beschriebenen Szenarien B (Wechselunterricht) und C (Distanzunterricht). Derzeit gibt es in den Schulen in städtischer Trägerschaft 1039 Klassenräume. Eine Abfrage unter Göttinger Schulen bis zum 15. Januar hatte ergeben, dass es dort einen Bedarf von 340 technischen Anlage gebe. Allerdings: Nur etwa die Hälfte der Göttinger Schulen hatte bis dahin eine Rückmeldung gegeben. Gleich vier Anträge zum Rat der Stadt Göttingen beschäftigen sich mit dem Klimaplan und Klimaschutzzielen der Stadt. In verschiedenen Konstellationen haben sich die im Rat vertretenen Gruppen ihre Gedanken gemacht, wie Göttingen die selbstgesteckten Ziele in den kommenden Jahren erreichen kann. „Arbeit, Gerechtigkeit und Klimaschutz: Aktualisierung des städtischen Masterplans Klimaschutz der Stadt Göttingen“ hat die SPD ihren Antrag genannt. Die Grünen- und FDP-Ratsfraktionen sowie die Partei-Ratsgruppe bringen den Antrag „Das Pariser 1,5-Grad-Ziel kommunal umsetzen; Rahmenvorgaben zum Klimaplan Göttingen 2030“ zur Abstimmung. Die CDU-Ratsfraktion tritt für einen „Aktionsplan nachhaltiger Klimaschutz“ ein. „Göttingen bis 2030 klimaneutral machen“ lautet der Antrag gemeinsame Antrag der GöLinke/ALG-Ratsgruppe und des Ratsherren Francisco Welter-Schultes. Hintergrund ist das Ziel in Göttingen unter anderem der Treibhausgasausstoß bis 2050 fast vollständig auf null und der Energiebedarf mindestens um die Hälfte zu reduzieren. So ist es im „Masterplan 100 % Klimaschutz“ verankert, den der Rat der Stadt Göttingen im März 2014 verabschiedet hat. „Die Ziele haben wir bislang deutlich verfehlt“, sagte Dinah Epperlein, Leiterin des neuen Referats für nachhaltige Stadtentwicklung, im November. Die Zahlen bis 2018 hatte die Verwaltung bis dahin ausgewertet. Erreicht seien in den vergangenen Jahren bislang nur 29 Prozent der Ziele, die für das Jahr 2050 gesteckt worden seien. Von Michael Brakemeier