Klimaschutz: Mehr Ideen, wie Göttingen klimaneutral werden kann

Die Diskussion um Göttingens Weg zur Klimaneutralität und mehr Klimaschutz ist auch jenseits der Ratsfraktionen entbrannt. So geht es etwa der Initiative „Göttingen Zero“ in Sachen Klimaschutz in Göttingen nicht schnell genug. Sie fordert angesichts des Klimawandels die Klimaneutralität der Stadt bis zum Jahr 2030. Die Stadtverwaltung plant bislang, dies in ihrem „Masterplan 100 % Klimaschutz“ erst bis 2050 zu erreichen. Um ihren Forderungen Druck zu verleihen, hat „Göttingen Zero“ ein Bürgerbegehren auf den Weg gebracht und mit der Unterschriftensammlung dafür Anfang Dezember begonnen. Ziel ist es, so einen Bürgerentscheid zur Klimapolitik in der Stadt zu erreichen. Grüne Göttingen: Stadtvorstand kritisiert Ratsfraktion: Auch der Stadtvorstand der Grünen in Göttingen kritisiert den momentanen Stand des Masterplanes und fordert eine Orientierung am 1,5-Grad Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens. Die Kritik richtet sich damit auch gegen die eigene Stadtratsfraktion. Deren Forderung nach Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels begrüße der Stadtvorstand zwar, aber das reiche nicht aus, sagt Linus Steinmetz. „Die Maßnahmen müssen radikaler werden, sodass echte Klimaneutralität bis 2030 erreicht wird.“ Der Stadtvorstand fordert nun ein wissenschaftliches Gutachten, wie und wie schnell die Stadt Klimaneutralität erreichen könne. Städte wie Tübingen oder Marburg zeigten, wie viel auch auf kommunaler Ebene möglich sei. Aber auch der Bund und das Land Niedersachsen müssten die Weichen richtig stellen, so Steinmetz. Marie Kollenrott vom Stadtvorstand der Grünen begrüßt, dass „die Göttinger Klimaschutzambitionen durch das Engagement von Göttingen Zero und weiteren vorangetrieben werde. Es sei völlig klar: „Die bisherigen Ziele des Masterplans 100 % Klimaschutz sind unzureichend. Die Stadt befindet sich zudem noch nicht einmal auf dem Zielerreichungspfad.“ Die Grüne Jugend Göttingen schließt sich den Forderungen des Stadtvorstands an. Lesen Sie auch Klimaschutz in Göttingen: Parteien im Rat wollen schneller handeln, wie bleibt aber offen „Göttingen Zero“: Initiative fordert Klimaneutralität bis 2030 OB-Kandidat Kangarani über Klimaziele, Energiepolitik und Göttingen Zero Göttingen: Klimaziele bislang „deutlich verfehlt“ Stadt Göttingen hinkt dem selbst gesteckten Ziel beim Klimaschutz hinterher Dragoneranger Göttingen: Runder Tisch abgesagt, Oberbürgermeister-Kandidaten positionieren sich Ziele des Klimaplans bislang verfehlt: Die Vorgaben im „Masterplan 100 % Klimaschutz“, den der Rat der Stadt Göttingen im März 2014 verabschiedet hat, sind klar: Bis 2050 sollen in Göttingen unter anderem der Treibhausgasausstoß fast vollständig auf null und der Energiebedarf mindestens um die Hälfte reduziert werden. „Die Ziele haben wir bislang deutlich verfehlt“, hatte Dinah Epperlein, Leiterin des Referats für nachhaltige Stadtentwicklung, im November einräumen müssen. Zahlen bis 2018 hatte die Verwaltung bis dahin ausgewertet. Erreicht seien in den vergangenen Jahren bislang nur 29 Prozent der Ziele, die für das Jahr 2050 gesteckt worden seien. 2019 hieß es in der Bilanz: Würde man die bisherige Treibhausgas-Reduktion von 12 000 Tonnen CO2 jährlich linear bis zum Zieljahr 2050 hochrechnen, läge die Reduktion in 30 Jahren bei 61 Prozent im Vergleich zu 1990. Um das aufzuholen, bräuchte Göttingen eine „deutlich höhere Rate“, sagte Epperlein im November. Fragel fordert „sehr viel höheres politisches Gewicht“ für Kommunen: Für die Oberbürgermeister-Kandidatin der Grünen, Doreen Fragel (parteilos) spielt sich die Umsetzung der Klimaschutzziele in erster Linie in den Kommunen ab. „Also bei uns in Göttingen“, sagt sie. Daher sei es aus ihrer Sicht elementar, dass den Kommunen in den Gesetzgebungsprozessen ein „sehr viel höheres politisches Gewicht“ gegeben werde. Dafür werde sie sich insbesondere als Oberbürgermeisterin der Stadt Göttingen weiter einsetzen. „Wir brauchen den Mut zur gesellschaftlichen Veränderung und diese gesellschaftliche Veränderung kann durch umfangreiche Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und mit der Beteiligung der Stadtgesellschaft auch hier in Göttingen geleistet werden“, sagt Fragel. Notwendige Investitionen für diesen Transformationsprozess könne die Stadt aus ihrer Sicht aber nur zum Teil allein aufbringen. Umfängliche Förderungen von Land, Bund und EU seien notwendig. Das „100 Climate-neutral Cities by 2030 – by and for the Citizens“-Programm werde dafür ebenso maßgeblich sein, wie Bundes- und Landesförderungen, sagt Fragel. Förderprogramm „100 Städte klimaneutral bis 2030“: Auch der Klimaschutz-Beirat, bei dem Fragel zum Vorstand gehört, hat die Stadt Göttingen aufgefordert, sich an der Ausschreibung zum Förderprogramm „100 Städte klimaneutral bis 2030“ zu beteiligen. Er begrüßt dieses Programm. Damit schreibt die Europäische Union ein 45 Milliarden Euro umfassendes Förderprogramm für 100 europäische Städte aus, mit dem Ziel, diese Städte bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden zu lassen. So soll es ausgewählten Städten ermöglicht werden, „mit neuartigen Projekten und Ideen vorbildhaft aufzuzeigen, wie Kommunen schnell Klimaneutralität erreichen können“, fasst der Klimaschutz-Beirat zusammen. Die Umsetzung dieser Projekte soll finanziell unterstützt werden mit Beträgen, die mehrere hundert Millionen Euro pro Stadt ausmachen können. Kangarani für Gründung eines Klimabündnisses: Im Tageblatt-Interview hat der CDU-Kandidat für die Wahl zum Göttinger Oberbürgermeister, Ehsan Kangarani, erklärt, das Anliegen von „Göttingen Zero“ zu unterstützen. Er sprach sich für die Gründung eines Klimabündnisses aus – „wo man auch Göttingen Zero mit an Bord holt und deren Know-how mit einfließen lässt“. Ihm schwebt ein Bündnis vor, bei dem man nicht nur die Politik und die Verwaltung, sondern auch die Wirtschaft, den Handel und die gesamten Player im Bereich der ehrenamtlichen und freien Träger, die im Umweltschutz und im Klimaschutz unterwegs seien, zusammenbringe. Ziel des Bündnisses: einen interfraktionellen Antrag auf den Weg zu bringen, der konsensfähig ist. „Ich finde den Ansatz sehr gut, den Göttingen Zero betreibt. Ich möchte ihn auch unterstützen, aber bitte so, dass wir die Bevölkerung auch mitnehmen – und dann auch den Großteil der Bevölkerung“, sagte Kangarani. Von Michael Brakemeier