Kolumne: Der Teufel steckt im Glasfaserkabel

Diese Woche ging mein Internet kaputt. Doch seltsamerweise funktionierte der Fernsehreceiver noch tadellos, obwohl der ja gar keine Daten empfing. Mit Naturgesetzen war dieses Phänomen nicht zu erklären, es war eindeutig Gottes Werk. Der Allmächtige stellte mich also mit Internetentzug auf die Probe, wie einst Noah mit der Sintflut. Doch warum ließ er den Fernsehempfang weiterhin zu? Nun, ganz offensichtlich hatte er etwas mit mir vor. Er hatte mir meinen Platz zugewiesen und wollte eben nicht, dass ich mich mit anderen versammle, auch nicht in seinem Namen. Sondern meine Prüfung bestand ganz klar darin, zuhause sitzen zu bleiben und pausenlos fernzusehen. Da erklärte sich mir auch, warum sich 125 Leute in Bad Gandersheim infiziert haben, als sie im „Glaubenszentrum“ singend seinen Namen priesen. Die hätten einfach wie ich klaglos, aber kerngesund auf dem Sofa rumlümmeln und sich auf RTL den unglaublichsten Quatsch anschauen sollen („Wie heißt die Landeshauptstadt von Sachsen?“ „Hessen.“), ohne überhaupt Empfang zu haben. Lesen Sie auch: Bau-Chaos in Göttingen? Lasst das Museum einfach vergammeln! Vor kurzem las ich irgendwo „Gott ist kein Arsch“ und dem konnte ich nun vollumfänglich zustimmen, zwar führte er mich nicht ins Licht, aber immerhin bis ins „Sommerhaus der Stars“; die Glotze lief Tag und Nacht und der Pizzadienst brachte jeden Tag pünktlich um eins eine Schinkenpilze – ich fragte nicht, warum. Doch plötzlich verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, das Internet nutzen zu können, so wie Eva einst nach Erkenntnis gierte. Also griff ich zum Apfel, beziehungsweise Handy und rief die Telekom an. Deren Mitarbeiterin riet mir seltsamerweise, den Fernsehreceiver kurz aus- und wieder anzuschalten. Ich gab zu bedenken, dass ich damit aber das einzige derzeit funktionierende Digitalendgerät deaktivieren würde, doch sie bestand darauf und versprach mir Erlösung. Ich tat also wie mir geheißen wurd,e und siehe da, danach war neben Festnetztelefonie und Interneterie auch kein Fernsehempfang mehr möglich. Direkt nachdem ich dies der Dame mitgeteilt hatte und um weitere Ratschläge bat, sagte sie unvermittelt in einem seltsamen Singsang „Ich werde das Gespräch jetzt beenden“ und legte auf. Da hatte ich doch glatt mit Beelzebub selbst telefoniert; er ist knallmagenta, durchzieht mit seinen Glasfasertentakeln geschwürartig das ganze Land und spricht mit Frauenstimme. Das hatte ich nun also davon: Weil ich nimmersatter Narr mich nicht auf das beschränken konnte, was Herrgott selbst mir zugewiesen hat, sondern maßlos wurde, lieferte ich mich Satan aus. Und nun ist mein einziger Kontakt zur Außenwelt eine diabolische Telefonansage, die mich grausam mit „Ihre Verbindung wird gehalten“ verhöhnt. Von Lars Wätzold