Kolumne: Gier nach Kompost siegte

Im waldigen Teil meines Gartens gibt es einen Haufen für Gartenabfälle. Rasenschnitt landet dort zusammen mit diversen Pflanzen, die ich manchmal in ihre Schranken weisen muss. Im Laufe der Jahre ist aus dem Haufen längst ein Hügel geworden. Als ich zu Beginn des Frühjahrs Erde für neue Beete brauchte, ist mein Mann kurzerhand in den Tagebau eingestiegen. Ich erwähnte noch das ganze Saatgut, das dort eventuell von ehemals entsorgtem Kraut schlummern könnte. Aber es blieb bei der Erwähnung. Die Gier nach Kompost siegte und im Kompostrausch griff auch ich selbst immer wieder zum Spaten, füllte Schubkarren und verteilte das kostbare Gut überall im Garten. Zwei Beete habe ich anschließend mit besonderer Spannung beobachtet. Eines hatte ich mit vielerlei Stauden bepflanzt, auf dem anderen hatte ich eine Bienenfutter-Mischung ausgesät. Täglich beobachtete ich, wie die Saat aufging und zu stattlichen Pflanzen heranwuchs. Die bunte Vielfalt, die auf dem Foto der kleinen Saatgut-Tüte abgebildet war, blieb allerdings aus. Mein Beet machte eher den Eindruck einer Monokultur. Welche Pflanze würde für die Bienen einen derartigen Mehrwert bieten, dass ihr Saatgut diesen unfassbar hohen Anteil in dem Tütchen hatte? Die herausragende Pflanze bildete eines Tages schließlich eine Blüte, die ich sehr gut kannte – in meinem Bienenfutter-Beet wuchs Stechapfel. Dicht an dicht. Der Stechapfel war einst wie von Zauberhand auf meinem Grundstück aufgetaucht. Ich hatte ihn noch nie zuvor gesehen und erst ein Bekannter, der zu Besuch war, konnte ihn für mich identifizieren. Wegen seiner schönen Blüten ließ ich den Stechapfel einfach wachsen. In seinen Kapseln steckt jedoch so viel Saatgut, dass meine Faszination für diese Pflanze im Jahr darauf in Genervtsein umschlug. Es kam der Tag, an dem ich sehr viele Stechapfel-Pflanzen mit halb geöffneten Saatgutkapseln aus der Erde riss und auf den Gartenabfall-Haufen warf. Mindestens zwei Jahre hat er in erdigen Tiefen geschlummert. Und plötzlich war er wieder da. Majestätisch erhob er sich über den übrigen keimenden Pflanzen, die unter seinen gummiartigen Blättern keinen Lichtstrahl mehr abbekamen. Schon aus Mitgefühl für die unterdrückten Keimlinge griff ich zu und reduzierte den Stechapfel-Bestand in meinem Bienenfutter-Beet auf ein Minimum. Einige Exemplare durften bleiben, schließlich hat auch der giftige Stechapfel mit seinem abendlichen Duft einen Nutzen für Nachtfalter und somit auch für Fledermäuse. Seit der Ausdünnungs-Aktion haben es nun auch endlich Kornblumen, Disteln und Phacelia bis zur Blüte geschafft und ich kann mich an den herbeischwärmenden Bienen erfreuen. Was den Tagebau bezüglich kostbarer Komposterde in meinem Garten betrifft – der wurde eingestellt. Von wegen Bodenschatz! Dieser Gartenabfall-Haufen ist eine Sonderdeponie für hochvirales Gefahrsaatgut. Info: Das Buch „Mein Landleben“ ist in den GT-Geschäftsstellen oder im Buchhandel erhältlich. Sie erreichen die Autorin unter E-Mail: autorin@anke-weber.de Von Anke Weber