Kommt die dritte Welle? Wissenschaftler Eiffert erklärt, wie verbreitet die Corona-Mutationen in Göttingen sind

Kommt die dritte Welle? Und wie verbreitet ist die Virusvariante B.1.1.7 bereits in Göttingen? Darauf antwortet Prof. Helmut Eiffert, niedergelassener Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. Der langjährige Universitätsprofessor arbeitet heute im Labor „wagnerstibbe“, amedes Göttingen. Lesen Sie auch Coronavirus in Göttingen: Die aktuelle Zahl der Infizierten heute, am 18.02.2021 Corona-Frage: Kann ich mich jetzt auch im Göttinger Klinikum gegen Corona impfen lassen? Der Index der Infizierten in der Region ist gesunken, wie sieht es derzeit im Corona-Labor aus? Gibt es eine Entspannung? Wir bearbeiten derzeit täglich etwa 1500 Proben, das sind immer noch viele, aber tendenziell sinkt die Zahl jetzt ein wenig. In der vergangenen Woche waren es, vermutlich wegen des Wintereinbruchs und damit verbundenen verschobenen Arztbesuchen, etwas weniger Proben. Wie hoch ist die Positiv-Rate bei den PCR-Tests derzeit? Aktuell liegen wir bei etwa sechs Prozent aller Proben, die einen positiven Corona-Nachweis zeigen. Wir verzeichneten mitten in der zweiten Welle Ende vergangenen Jahres etwa 20 Prozent. Erfreulicherweise ist dieser Wert deutlich zurückgegangen. Derzeit beschäftigt ja die Frage nach der Virus-Mutation B.1.1.7, also der britischen Variante, die Fachwelt. Sequenzieren Sie hier in Göttingen das Virus-Genom, um die Mutation zu finden? Nein, die Sequenzierung ist ein sehr aufwändiges Verfahren, das unser Labor in Hannover für uns übernimmt. Mit der Sequenzierung lassen sich auch neue Varianten finden, die bislang noch nicht bekannt sind beziehungsweise die nicht ohne weiteres durch PCR-Verfahren nachzuweisen sind. Wir nutzen hier in Göttingen jedoch PCR-Verfahren, mit denen sich die häufigsten Mutationen ebenfalls erkennen lassen. Dazu analysieren wir die RNA in der Probe. Das Verfahren gleicht dem zur Erkennung einer Corona-Infektion und benötigt die gleichen Geräte. Und wie verbreitet ist B.1.1.7 bereits in der Region Göttingen? Vor drei Wochen wurden auf Initiative von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dem RKI alle positiven Corona-Proben einer Woche in den akkreditierten Laboratorien auf die Variante hin untersucht. Es wurde in sechs Prozent aller Proben nachgewiesen - auch in Göttingen. Die gleiche Routine lief in der vergangenen Woche erneut. Bundesweit waren es dann bereits etwa 20 Prozent aller positiven Proben. In Göttingen fanden wir B.1.1.7 in etwa zehn Prozent der positiven Abstriche. In der kommenden Woche werden diese Daten erneut erhoben. Die Variante wird sich weiter ausbreiten, auch in unserer Region. Und außerhalb dieser Testwochen? Wie häufig werden die Proben auf Mutationen hin getestet? Ein neuer Erlass sieht vor, dass zehn Prozent der positiven Abstriche auf Mutationen mittels Sequenzierung untersucht werden. Das läuft aber jetzt erst an. Wir können sowohl die britische als auch die südafrikanische und die brasilianische Virus-Variante aber auch mit unseren PCR-Verfahren identifizieren. Sind die beiden anderen Mutationen denn in Südniedersachsen bereits aufgetreten? Nein, in unserem Labor habe wir sie noch nicht nachgewiesen. Wie gefährlich ist denn die britische B.1.1.7-Mutation für uns? Ganz genau wissen wir das noch nicht. Was wir noch herausfinden müssen ist, wie die klinischen Verläufe der Erkrankungen sind. Dazu gibt es aber noch zu wenige Daten. Als gesichert gilt, dass die Virusvarianten bis etwa zu einem Drittel ansteckender sind als der bekannte Wildstamm. Wie gefährlich es ist, können wir noch nicht wirklich beurteilen. Helfen denn alle drei Impfstoffe, die derzeit auf dem deutschen Markt sind, dagegen? Sagen wir so: Ich würde mich mit jedem der drei Impfstoffe sofort impfen lassen. Zumindest auf die britische Variante scheinen diese weiter sehr gut wirksam zu sein. Als Laborarzt zähle ich derzeit aber nicht zur priorisierten Gruppe. Es besteht kein Zweifel daran, dass man sich impfen lassen sollte - mit einem der drei Präparate. Wird sich im Frühling wieder ein saisonaler Effekt zeigen? Ja, ich denke, dass mit dem warmen Wetter tendenziell auch die Infektionszahlen sinken - vorausgesetzt, die dritte Welle wird durch entsprechende Maßnahmen ausgebremst. Es wird mehr gelüftet, die Menschen gehen wieder mehr ins Freie. Durchzug mag das Virus nämlich gar nicht. Allerdings kann die höhere Infektiösität der Varianten den eigentlichen Frühjahrseffekt durchaus abschwächen. Das wissen wir eben noch nicht so genau. Rechnen Sie denn mit einer dritten Welle? Ob wir eine dritte Welle bekommen, das wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Wir sollten in dieser Zeit keine Lockerungen zulassen, das macht keinen Sinn. Erst einmal müssen wir besser verstehen, wie die neuen Varianten funktionieren. Von Britta Bielefeld