Kreisbauernverband Göttingen: Aktionstag „Redet mit uns“ via Internet

Redet mit uns, nicht über uns. Unter diesem Motto suchen Landwirte seit Jahren immer wieder das Gespräch mit der Bevölkerung. Normalerweise tauschen sich beide Seiten an Aktionstagen etwa auf dem Gänselieselplatz aus. In Corona-Zeiten geht auch das nicht. Deshalb hatte das Tageblatt in diesem Jahr seine Leser dazu aufgerufen, Fragen an die Bauernschaft zu stellen, die von Landwirten beantwortet werden. „Es ist wirklich eine ganze Menge zusammen gekommen“, blickt der Geschäftsführer des Landvolk Göttingen Kreisbauernverband, Achim Hübner, auf eine lange Liste. Manche Fragen, räumt er ein, würden die Bauern eher als Vorwurf empfinden. „Trotzdem gehen wir natürlich damit um“, versichert er. Den Frage-Antwort-Modus findet Gert-Werner Lellau aus Gleichen einen guten und sinnvollen Ansatz, um miteinander in einen Dialog zu kommen und Verständnis füreinander zu entwickeln. Er legt dar, dass das Thema Landwirtschaft in Deutschland sehr komplex sei. Seine Anregung: Eine differenzierte Betrachtung aller „Akteure“ wäre gut: vom Landwirt über Wirtschaft und Handel, die EU, die Bundesregierung bis hin zum Konsumenten. In seiner Zuschrift analysiert Lellau in mehreren Punkten den Status quo landwirtschaftlicher Produktion. Bundes- und Landesregierung wirft er eine halbherzige Umsetzung der EU-Vorgaben vor. Mit den, wie er sagt, mangelnden Eingriffen in Tierwohl-, Gesundheits- und Klimapolitik seien Bund und Land nicht unschuldig an der derzeitigen Misere. Die Verbraucher seien angesichts der „Gemengelage“ oft ratlos und überfordert. Bauern oder Agrarindustrielle? Klaus-Dieter Schulz schreibt: „Liebe Bauern.....nein, das ist die falsche Anrede! Liebe Agrarindustrielle, wogegen protestiert Ihr, was Ihr selbst verschuldet habt? Immer mehr produzieren senkt nun mal die Preise! Die Natur und das Tier interessiert Euch nicht. Eure Produkte schmecken nur noch nach Chemie und Gift und verursachen gesundheitliche Probleme. Qualität sieht anders aus und die wird von wenigen Bauern vor Ort produziert. Und nur die kaufe ich. Also meine Frage: Warum produziert ihr Euch selbst in den Ruin? Eine Fragestellung, der sich Markus Gerhardy annimmt. Der Landwirt aus Gieboldehausen ist der neu gewählte Vorsitzende des Landvolk Göttingen Kreisbauernverband. Gerhardy sagt: „Wir haben im Landkreis unterschiedliche landwirtschaftliche Betriebe. Dazu gehören Vollerwerbsbetriebe, Nebenerwerbsbetriebe, wir haben auf den Ackerbau spezialisierte Betriebe, Betriebe, die Tierhaltung betreiben oder die ein Geschäftsfeld im Bereich der Direktvermarktung haben. Was sie alle eint, ist eine starke familiäre und persönliche Verbindung mit dem Betrieb. Es gibt ein hohes Maß an Identifikation, an Verbundenheit, an Haftung und eine über Generationen ausgerichtete Entwicklung.“ Die Landwirte, erklärt Gerhardy, würden seit über einem Jahr für Rahmenbedingungen demonstrieren, die ihnen eine Perspektive für die Zukunft bieten. „Die Natur, die Tiere, das Wetter - mit diesen Dingen beschäftigen wir uns tagtäglich. Das ist die Basis unserer Arbeit. Als Landwirt liebt man es, mit diesen Dingen umzugehen. Als Landwirte leben und arbeiten wir in einem gesellschaftlichen Gesamtkontext“, erläutert Gerhardy. Er hebt hervor: „Der Rahmen wird durch die Politik bestimmt. Der Verbraucher entscheidet darüber, was ihm schmeckt und was er kauft und nachfragt. Wir Landwirte produzieren gerne für das, was der Verbraucher nachfragt. Wir können regional ebenso wie Bio, wir können aber auch Produkte herstellen, die gut und günstig sind. Und wir haben bewiesen, dass mit den heutigen Lebensmitteln die Menschen gesund alt werden.“ Antworten werden nach und nach auf Homepage platziert: Die gestellten Fragen will der Kreisbauernverband nach und nach abarbeiten und die Antworten auf der eigenen Homepage platzieren. Frage: Wenn den Landwirten das Wohl ihrer Tiere wirklich am Herzen liegt, warum machen sie sich dann nicht selbst stark für bessere Haltungsbedingungen und kurze Transportwege zum Schlachtbetrieb? „Ich bin in der glücklichen Lage, meine Ferkel mit dem eigenen Viehanhänger von der vier Kilometer entfernten Aufzuchtbetrieb holen zu können“, sagt Andreas Nolte, Schweinemäster in Westerode. Am Ende der Mastzeit werde ein Teil der Schweine von einem anderen Landwirt abgeholt, der die Tiere für die Mettwurstproduktion noch einmal vier Monate weiter füttere. Von den übrigen Schweinen würden die meisten von zwei Schlachtern aus der Nachbarschaft abgeholt. „Die restlichen Tiere werden 45 Minuten zum Schlachthof Rettstadt transportiert, der auch die Schlachterei bei uns ins Westerode beliefert“, sagt Nolte. „Ich bin jeden Tag bei meinen Schweinen im Stall und versuche ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Dazu gehört für mich, dass ich den Tieren 20 Prozent mehr Platz gebe als vorgeschrieben und verschiedene Spielsachen anbiete. Tierwohl kostet Geld. Deshalb ist es entscheidend, dass der Verbraucher bereit ist, für mehr Tierwohl an der Ladenkasse zu zahlen. Wir Landwirte sind bereit, in den Umbau der Tierhaltung zu investieren - wenn der Verbraucher es nachfragt und die Politik die rechtlichen Rahmenbedingungen schafft.“ Frage: Aldi senkt die Butterpreise – obwohl das Unternehmen bei den Bauernprotesten Ende 2020 zugesagt hatte, die Landwirte zu unterstützen. Wie stehen die Landwirte in der Region dazu? Was würden sie sich wünschen? „Wir haben seit Herbst mittlerweile fünfmal vor den Zentrallägern von Aldi gestanden. Wir sind enttäuscht“, sagt Sandra Sohnrey, Landwirtin in Esebeck. Die Gespräche seien gut angelaufen, hätten eine positive Stimmung bewirkt. „Und nun kam die Senkung der Butterpreise. Die Landwirte sind richtig wütend. Was ich mir wünsche? Dass wir mit unserer Arbeit so viel Erlöse für unsere Produkte bekommen, um die stetig steigenden Auflagen finanzieren zu können.“ Frage: Warum macht Landwirtschaft immer noch Spaß? Sandra Mahn ist Landwirtin in Erbsen. Die Milchviehhalterin engagiert sich auch im Kreisbauernverband, ist stellvertretende Vorsitzende dieser Interessenvertretung der Bauern. Sie antwortet auf die Frage: „Es ist für uns etwa Besonderes, jeden Tag wieder mit unseren Tieren zusammen zu leben und so zu arbeiten. Wir können von großem Glück sagen, gemeinsam mit unseren Kindern, unserer Familie, den Auszubildenden jeden Tag zu erleben, ihnen unseren Beruf nahe zu bringen und Hobby und Beruf zu vereinbaren.“ Was sie betrifft, kämen Beruf und Berufung zusammen, sagt die junge Frau. Sie lässt wissen: „Es gibt nichts Schöneres, als von unseren Kunden im Hofladen gesagt zu bekommen: ‚schön, dass es Euch gibt‘. Es ist eine ganz besondere Motivation, jeden Tag wieder daran anzuknüpfen.“ Frage: Der Landkreis Eichsfeld führt die Stallpflicht für Geflügel wieder ein. Besteht auch in Göttingen die Gefahr der Geflügelpest? Jens Timmermann ist Landwirt in Güntersen. Er gehört zu den wenigen Bauern in Südniedersachsen, die Hühner halten. Eine Stallpflicht demnächst auch im Landkreis Göttingen hält er für sehr wahrscheinlich. „Es muss ja nur ein Wildvogel, der infiziert ist, über einen mobilen Geflügelstall, wie wir ihn haben, drüberfliegen. Wenn er dann gerade in diesem Moment kotet, würden sich die Hühner infizieren“, schildert er einen denkbaren Fall. „Wir Mobilstallbetreiber können unsere Hühner zwar einsperren. Aber der Platz im Mobil ist ja gering und nur für die Nacht gedacht. Wir können etwa einen Folientunnel aus dem Gemüseanbau aufstellen, so dass die Tiere raus können, aber keinen Kontakt zu Wildvögeln haben. Das wäre eine Möglichkeit, die Tiere weiter draußen laufen zu lassen.“ Frage: Warum und wozu bekommen die Bauern Subventionen? Warum leugnen sie die Verunreinigungen der Böden? Landwirt Gerhard Teichmann betreibt mit seiner Familie und einem Auszubildenden einen Ackerbaubetrieb im südlichen Landkreisgebiet. „Wir haben in Deutschland das strengste Pflanzenschutzmittelgesetz“, versichert er. „Bei uns gibt es nur verträgliche, gut abbaubare Pflanzenschutzmittel, die wir einsetzen können. Da wir dadurch Wettbewerbsnachteile haben, müssen wir das natürlich ausgeglichen kriegen. Der nächste Punkt ist: Wir müssen ökologische Vorrangflächen schaffen, fünf Prozent unserer Betriebsfläche. Auf diesen Flächen können wir nichts ernten und brauchen auch dafür Subventionen.“ Wie Teichmann weiter erklärt, müssen Landwirte auf Grundlage des Bodenschutzgesetzes hohe Auflagen beim Schutz des Grundwassers einhalten. „Im internationalen Vergleich haben wir höhere Kosten bei Löhnen und Betriebsmitteln und natürlich ist auch unsere Technik teurer. Da wir global wirtschaften, müssen diese Nachteile ausgeglichen werden.“ Der Landwirt schätzt ein, dass also vieles für eine Agrarförderung spreche. Lesen Sie auch Landkreis Göttingen: Bauern sehen Vorgaben zum Tierwohl-Label kritisch „Kommen Sie zu einer Betriebsbesichtigung“: Markus Gerhardy hat die ehrenamtliche Arbeit als Vorsitzender des Landvolk Göttingen Kreisbauernverband vor wenigen Wochen übernommen. Zur aktuellen Aktion „Redet mit uns“ zieht er folgendes Fazit, verbunden mit einer Einladung an alle interessierten Menschen: „Mit Ihren Fragen haben Sie unterschiedlichste Bereiche der Landwirtschaft im Konkreten und im Allgemeinen angesprochen. Gerne sprechen wir Ihnen eine Einladung aus: Kommen Sie einmal zu einer Betriebsbesichtigung, melden Sie sich beim Landvolk und suchen Sie das persönliche Gespräch mit uns.“ Sie erreichen den Autor per E-Mail an u.meinhard@goettinger-tageblatt.de. Von Ulrich Meinhard