Kritische Töne beim Neujahrsempfang im Weender Krankenhaus

Deutliche Worte zur Situation im Gesundheitswesen sind am Mittwochabend beim Neujahrsempfang im Evangelischen Krankenhaus Göttingen-Weende gefallen. Dessen Medizinischer Geschäftsführer Prof. Michael Karaus zeichnete vor mehr als 330 Gästen ein dramatisches Bild der Umwälzungen und Verunsicherung in Zeiten sowohl von Ressourcenknappheit als auch Überversorgung. Er verdeutlichte aber auch, dass das Weender Krankenhaus weiterhin kerngesund sei, in die Zukunft investiere und gut für die kommenden Jahre aufgestellt sei. Ein Teil des Areals hat sich in eine Großbaustelle verwandelt. Nach Abrissarbeiten entsteht ein Neubau, in den Anfang 2022 die bislang in Lenglern angesiedelte Lungenfachklinik einziehen soll. Durch den Ausbau aller Stockwerke und die ständig steigenden Baukosten werde das zunächst mit 26,5 Millionen Euro geförderte Vorhaben auf etwa 50 Millionen Euro ansteigen, sagte Karaus: „Trotz großzügiger Hilfe vom Land wird ein nicht unbeträchtlicher Teil der Baukosten mit Sicherheit bei uns bleiben.“ Überlebenskampf im Klinikbereich: Während fast die Hälfte der deutschen Krankenhäuser Verluste schreiben und mehr als 80 Prozent eine weitere Verschlechterung erwarten, habe Weende 2019 wie in den Vorjahren wieder ein positives und bei einem Umsatzvolumen von 110 Millionen Euro – davon bereits mehr als zehn Millionen in ambulanten Versorgungsstrukturen – sogar ein besonders gutes wirtschaftliches Ergebnis erzielt. „Es herrscht Überlebenskampf – wer einmal den Löffel abgibt, bekommt ihn nicht mehr wieder“, sagte Karaus: „In dieser Phase ist es gut, wenn man als Klinik gestärkt und mit einem Polster in den Ring steigen kann.“ Die gravierenden Gesetzesvorhaben mit teilweise noch nicht absehbaren Folgen und Änderungen in der Kliniklandschaft verglich Karaus mit dem Wechsel der Autoindustrie zur E-Mobilität. Bereits ein Drittel der Kliniken habe wegen Personalmangels Stationen schließen oder sich von der Notfallversorgung abmelden müssen. Trotz Bettenabbaus sei Deutschland aber im Ländervergleich weiterhin absolut führend: „Das kostet viel Geld, bindet viel Personal und führt nicht zwingend zu einer besseren Versorgung.“ Die Vergütung nach Fallpauschalen habe bis 2017 zu einer enormen Steigerung stationärer Behandlungen geführt, die man unter bestimmten Umständen auch ambulant behandeln könnte. Diesen Weg beschreitet auch das Weender Krankenhaus und setzt auf das bereits geknüpfte Versorgungsnetzwerk und neue Kollegen wie die Orthopäden Dr. Hartmut Stinus und Dr. Jochen Dörner. 107 neue Mitarbeiter eingestellt: Auch die Anstrengungen, dem Mangel an Pflegekräften entgegenzuwirken, tragen Früchte. 2019 seien 107 neue Mitarbeiter eingestellt, für die ersten vier Monate 2020 Verträge für 34 weitere Einstellungen unterzeichnet worden, berichtete Karaus und verwies zugleich auf die personelle Kontinutität und Mitarbeiterbindung. In den vergangenen zwei Jahren habe man sich bei 218 Mitarbeitern bedanken können, die länger als zehn Jahre dabei sind, zwölf sogar 40 und zwei 45 Jahre. Das Weender Krankenhaus habe an allen drei Standorten die Patientenzahlen stabil halten können, sei in der Notfallversorgung und mit „Lean Hospital“ Vorreiter in der Region. Hinter dem Anglizismus verbirgt sich ein neues Behandlungskonzept, um die Arbeitsabläufe zu verbessern und „den Patienten ganz ins Zentrum zu stellen“. Auch die Digitalisierung schreitet voran, die vollständige elektronische Patientenakte rückt näher, die Technik ist aufgerüstet, neue Geräte sind angeschafft worden, insbesondere in der Bildgebung. Allein dafür, so Karaus, seien fünf Millionen Euro investiert worden. Ein High-End-MRT-Gerät, in dem Promis in die Röhre geschoben wurden, ist jetzt im Weender Krankenhaus im Einsatz. Der Kernspintomatograph ist einige Jahre lang exklusiv für die Fußballspieler von Manchester United genutzt worden. All die großen Stars des Vereins hätten in diesem Gerät gelegen, das von heute auf morgen zur Verfügung gestanden habe, weil Manchester United sich schon wieder ein neues leisten konnte, sagt Prof. Michael Karaus: „Weil unsere Radiologie-Baumaßnahme so schnell voranschritt, haben wir sofort zugeschlagen.“ Das MRT-Gerät mit 3-Tesla, der höchsten klinisch eingesetzten Qualitätsstufe, habe noch die Hülle, in der die Spieler gelegen haben, Magnet und Technik seien aber komplett erneuert worden: „Wir sprechen von einem praktisch neuwertigen Refurbished-Gerät, mit dem jetzt neue Untersuchungsmethoden möglich sind.“ Zudem wurden ein zweiter nagelneuer Computertomograph, ein Durchleuchtungsgerät für die Endoskopie, ein digitaler Arbeitsplatz fürs Röntgen, Sonografie- und weitere diagnostische Geräte angeschafft. Von Kuno Mahnkopf

Neujahrsempfang - Weender Krankenhaus investiert in einer Zeit des Umbruchs