Kulturfolger: Füchse erobern die Stadt Göttingen

Seit einigen Wochen sorgt ein Fuchs in Geismar für Aufmerksamkeit. Das Tier lässt sich immer wieder auch in Gärten und den Straßen des Ortsteils blicken - die Stadt scheint ihm keine Angst zu machen. Auch in anderen Ortsteilen Göttingens werden die Kulturfolger gesichtet. Auch Elvira Mönkemeyer hat das Tier kürzlich beobachtet - und ein paar Fotos mit dem Handy geschossen. Die Göttingerin war gerade mit ihrer Enkelin Felina im Auto im Bereich der Charlottenburger Straße unterwegs, als sie den Fuchs dort entdeckte. „Wir waren total begeistert, und die Kleine hat zum ersten Mal einen freilaufenden Fuchs gesehen”, sagt Mönkemeyer. Die Dreijährige hätte das Tier am liebsten mit nach Hause genommen, sagt ihre Großmutter. Der Fuchs sei ganz entspannt am Straßenrand entlang und dann in das kleine Wäldchen geschnürt, sagt Mönkemeyer. Auch am Ortsrand von Nikolausberg ist ein Fuchs gesichtet worden. Dieter Scharff erwischte das Tier bei einem Treffen mit einer Elster. Offenbar ist auch das kein Einzelfall: Scharffs Facebook-Post kommentierte Antje Rode mit: „Ist ja verrückt - genau das habe ich gestern auch beobachtet! Bei Rittmarshausen.” Auch in Weende wird immer wieder einmal ein Fuchs gesichtet. Jägerschaft: „Bitte nicht füttern“: Die Jägerschaft Göttingen erreichten bereits einige Anfragen zum Thema Stadtfuchs. „Was den wohl recht zahmen Fuchs in Geismar im Bereich des GDA Wohnstiftes betrifft, möchten wir darum bitten, diesen nicht zu füttern oder gar anzulocken“, so die Jägerschaft. Als Kulturfolger habe sich der Fuchs angepasst, er scheine sich in Geismar sehr wohl zu fühlen. Es sei, so die Jägerschaft weiter, nicht davon auszugehen, dass er an Tollwut erkrankt ist. Wie es sich mit Staupe oder Räude verhält, könne auf Entfernung nicht beurteilt werden. „Zur Vorsicht sollten Hunde, nicht nur wegen der Brut- und Setzzeit, an der Leine geführt werden.“ Wie Jägerschafts-Sprecherin Maiken Ropeter-Nolte erklärt, sei seit Jahren kein Tollwut-Fall mehr in der Region bekannt geworden. Die Füchse ziehen derzeit ihre Jungen auf. Dann sei der Nahrungsbedarf besonders groß. „Die Tiere finden in der Umgebung der Menschen oft Futter. „Sie sind häufig dort zu sehen, wo es etwas zu fressen gibt“, sagt Ropeter-Nolte. In den Wäldern rund um Göttingen gibt es viele Füchse, deshalb werden sie bejagt. Im vergangenen Jagdjahr waren es knapp 1000 Füchse, die allein im Bereich der Jägerschaft Göttingen überfahren oder erlegt wurden. Im Jahr davor waren es rund 760. Füchse sind auch Fressfeinde einiger bedrohter Arten. „Ich würde gerne mal wieder mehr Rebhühner oder Fasane sehen“, sagt die Jägerin. Beide stehen auf dem Speiseplan der Füchse. Auch deshalb werden sie von den Jägern dezimiert. Weender Stadtfuchs eingefangen: Auch in Weende wurde seit längerem immer wieder ein Fuchs gesichtet. „Bei mir strich er im vergangenen Jahr durch den Garten“, sagt Horst Reinert, der am Weendespring wohnt. „Der hat mich gar nicht weiter beachtet und mich keines Blickes gewürdigt“, so Reinert. Auch Michael Bertram hat das Tier in Weende beobachtet – und ein kleines Video gemacht. Das war vor etwa vier Monaten. Seit Anfang April hat er das Tier nicht mehr gesehen. „Wir haben den Fuchs erstmalig am 29. Februar gesichtet. Er kam wie selbstverständlich die Straße runtergelaufen und setzte sich dann vor die Haustür eines Nachbarhauses“, sagt der Musiker. „Danach haben wir ihn fast täglich immer um die Mittagszeit gesehen“, so Bertram. Manchmal habe er längere Zeit in seinem Garten verweilt und „scheinbar desinteressiert“ den Hasenstall des Nachbargrundstücks beobachtet. Etwa eine Woche später habe er gehumpelt, offenbar war eine Pfote verletzt. Zehn Fuchs-Einsätze bislang in 2020: Anfang April wurde er dann eingefangen. „Wir haben ihn in die Tierklinik gebracht“, bestätigt Frank Gloth von der Göttinger Berufsfeuerwehr. Der Leiter der Universitäts-Tierklinik, Prof. Stephan Neumann, erklärt, dass bei verletzten Wildtieren immer individuell entschieden werde, ob und wie eine Behandlung für das Tier sinnvoll ist. Bei Tieren, die dem Jagdrecht unterliegen, werde manchmal auch der zuständige Jagdpächter hinzugezogen. Wenn eine Behandlung der beste Weg ist, werden die Tiere in der Klink versorgt und anschließend in eine Pflegestelle gegeben. „Allein in 2020 hatten wir bislang zehn Fuchs-Einsätze im Stadtgebiet“, so Gloth. Herzberger Landstraße, Reinhäuser Landstraße, Weende und Geisamr: Die Tier erobern viele Bereiche der Stadt. „Als Kulturfolger, Kulturbegleiter, synanthrope Arten gelten Pflanzen- oder Tierarten, die vor allem im menschlichen Kulturbereich günstige Entwicklungsmöglichkeiten vorfinden und deshalb im Gefolge des Menschen eine weitere Verbreitung gefunden haben“, heißt es in einer Veröffentlichung der der Hochschule Hannover . Demnach zählen zu den „klassischen tierischen Kulturfolgern“ Arten wie Feldhase, Feldmaus und Kohlweißling. Auch Feldhamster, Rebhuhn, Wachtel, Feldlerche oder Kiebitz gelten als Kulturfolger. „Auch von den einst typischen Arten der Bauernhöfe, wie Hausmaus, Rauch- und Mehlschwalbe, Schleiereule, Gartenrotschwanz und Stubenfliege, gehen heute einige in ihrem Bestand zurück“, schreibt Hans Langer in dem Papier. Ein typischer Kulturfolger in suburbanen Regionen sei die Rabenkrähe. Zu den Kulturfolgern gehören demnach zudem auch felsen- und höhlenbewohnende Arten, für die Gebäude künstliche Felsen darstellen, wie Stadttaube, Mauersegler, Dohle, Turmfalke oder Hausrot-schwanz. Ein typischer Kulturfolger ist auch die Wanderatte. Ebenfalls in Göttinger Gärten häufig zu sehen ist die Amsel. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war sie noch ein scheuer Waldvogel. Lesen Sie auch: Tierische Einwanderer: Deutschlands junge Wilde Tierwelt in Torfhaus Fuchs ohne Schwanz Fuchs erbeutet immer wieder Hühner, Gänse und Enten im Dorf Von Britta Bielefeld