Kurz vor Einschulung – Göttinger Eltern sorgen sich um das Wohl ihrer Kinder

Mit großer Sorge blicken die Elternvertreter der Lohbergschule und der Wilhelm-Busch-Schule in Göttingen der Einschulung ihrer Kinder Ende August entgegen. „Es sollen zwei Klassen á 27 Kinder gebildet werden, anstatt wie eigentlich im Erlass als Normalfall vorgesehen, ab 26 Kinder pro Klasse eine weitere zu eröffnen“, sagt Susanne Wieneke stellvertretend für die Elternschaft der Lohbergschule. „Die Landesschulbehörde hat offensichtlich aus finanziellen Gründen die Maßgabe ausgesprochen, dass die Klassen für die kommenden Erstklässler bis an die äußerste gesetzliche Grenze gefüllt werden, um Kosten zu sparen“, mutmaßt Wieneke. Besonders in punkto Bildungsgerechtigkeit für eher „bildungsferne“ Familien sei das natürlich eine Katastrophe, weil eine individuelle Betreuung bei einer Klasse so einer Größe unmöglich sei“, berichtet sie. Gesundheitlichen Aspekt nicht außer Acht lassen: Keineswegs außer Acht gelassen werden dürfe ihrer Meinung auch der gesundheitliche Aspekt. „27 Erstklässler in einem kleinen Raum zusammen – das widerspricht sowohl der Fürsorgepflicht sowie auch den Hygienevorgaben des Landes. Das gesundheitliche Risiko, das hier eingegangen wird, steht in einem völligen Widerspruch zu allen momentanen Entwicklungen und Entscheidungen, die mit Blick auf eine zweite Welle getroffen werden. Gerade wir hier in Göttingen sollten doch besonders sensibel sein – wir haben es bereits erlebt, was ein weiteres Aufflammen der Pandemie bedeutet“, sagt Wieneke, und fügt hinzu: „Wir als Eltern wollen nicht hinnehmen, dass die Wirtschaft überall mit riesigen Maßnahmen gerettet werden soll und das auf dem Rücken derjenigen ausgetragen wird, die doch die Zukunft unseres Landes werden sollen und bereits hart von der Pandemie getroffen sind. Außerdem machen wir uns Sorgen um die körperliche und psychische Gesundheit unserer Kinder und der Lehrkräfte.“ Zwei statt drei Klassen an der Wilhelm-Busch-Schule: Die gleichen Befürchtungen teilt auch Regine Ratke-Borchard, Vorstandsmitglied im Schulelternrat der Wilhelm-Busch-Schule Göttingen. Die Entscheidung, die Klassen nach der Schülerhöchstzahl – 54 Kinder sind angemeldet – zu bilden, stößt auf großes Unverständnis. „Es sollen zwei statt drei Klassen gebildet werden. Dies entspricht leider in keiner Form den Bedingungen der Schule oder der voraussichtlichen weiteren Entwicklung der Schülerzahlen“, heißt es in einem Schreiben der Eltern an die Landesschulbehörde in Braunschweig. Darüber hinaus bedauern sie es ausgesprochen, dass es dadurch nicht möglich sein, das DaZ (Deutsch als Zweitsprache)-Konzept weiter durchzuziehen. Bislang wurden Kinder aus einem im Einzugsbereich liegenden Flüchtlingswohnheim gut integriert. Nicht zu unterschätzen sei bei einer derartigen Klassenstärke auch der gesundheitliche Aspekt. Risiko für Corona-Infektion erhöht: Das Risiko einer Corona-Infektion sei erhöht. „Insbesondere unter Erstklässlern, die Zeit brauchen, um sich an die Hygieneregeln zu gewöhnen. Außerdem bergen große Klassen die Gefahr, dass bei geringfügiger Erhöhung der Schülerzahl im Laufe des Schuljahres die Klassen aufgeteilt werden müssen“, lautet eine weitere Formulierung in dem Schreiben. Dies widerspräche dem Hygienekonzept der niedersächsischen Landesregierung, das feste Klassen vorsieht. Dazu erklärt die Landesschulbehörde auf Nachfrage: „An der Lohbergschule sind im Moment 54 Kinder für den kommenden ersten Jahrgang angemeldet. Bei der Bildung von zwei Klassen würden jeweils 27 Kinder in einer Klasse beschult. In Absprache mit der Schulleitung gehen wir in der Planung unter anderem auch deshalb nur von zwei neuen Klassen aus, weil wahrscheinlich zwei dieser Kinder noch im Schulkindergarten und ein weiteres an einer freien Schule angemeldet werden sollen, sodass dann nur noch 25 und 26 Kinder in den Klassen sind.“ Wunsch nach kleinen Klassen bewusst: Der Landesschulbehörde sei sehr wohl bewusst, dass die Bildung kleiner Klassen von Eltern gewünscht sei. Soweit die Personalsituation und der Rechtsrahmen dies zuließen, spräche auch aus Sicht der Behörde vieles für die Bildung kleiner Klassen. „Dies ist jedoch nur möglich, wenn dafür ausreichend Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Wir befinden uns derzeit noch mitten im Einstellungsverfahren und arbeiten mit Hochdruck weiter daran, alle noch offenen Stellen zu besetzen. Es ist aber absehbar, dass an der Lohbergschule keine weiteren Lehrkräfte zur Verfügung stehen werden, sodass mit einer Zweizügigkeit eine bestmögliche Versorgung erreicht wird“, heißt es in der Mitteilung. Ein Argument, mit dem sich Wieneke, Ratke-Borchard und die übrigen betroffenen Eltern nicht abfinden können. Die Schulelternratsvertreter beider Schulen wissen, dass sie rechtlich keine Handhabe gegen die Vorgehensweise der Behörde haben, hoffen aber in Anbetracht der besonderen Umstände noch auf eine Wende. Die rechtliche Grundlage für die Entscheidung ist der Runderlass der Ministerkonferenz vom 21. März 2019 „Klassenbildung und Lehrerstundenzuweisung“. Für die Bildung von Klassen seien für Grundschulen Schülerhöchstzahlen von 26 vorgesehen. Stichtag für die Klassenbildung ist der erste Unterrichtstag des neuen Schuljahres. Erhöhungen oder Rückgänge bei den Schülerzahlen, die im Laufe des Schuljahres zu erwarten sind, können bereits vorab bei der Klassenbildung berücksichtigt werden. Wird die Schülerhöchstzahl nur um einen Schüler je Klasse überschritten, entscheidet die Schulbehörde, ob die Klassen nach der Schülerhöchstzahl gebildet werden. Bei ihrer Entscheidung soll sie die besonderen Bedingungen der Schule und die voraussichtliche weitere Entwicklung der Schülerzahlen berücksichtigen, heißt es in der Verordnung. Die Autorin erreichen Sie per E-Mail an v.schwarze@goettinger-tageblatt.de Lesen Sie auch Corona in Göttingen: Hunderte Kinder müssen in Quarantäne Göttinger Schulen im Corona-Modus Corona in Göttingen: Was bedeutet der Ausbruch für die Schulen? Von Vicki Schwarze