Landkreis Göttingen: Fleecedecken für frierende Schüler?

Die Kreistagsfraktion P2+ will „Schüler nicht im Regen stehen lassen“. So ist ein Antrag überschrieben, der vorsieht, dass Schulen in Trägerschaft des Landkreises Göttingen Pavillons für ihre Schulhöfe bekommen sollen und jedem Schüler eine Fleecedecke ausgehändigt wird. Die Decken sollen in den Schulen bleiben und namentlich gekennzeichnet werden. Die Situation für die Schüler müsse in diesen Corona-Zeiten mit Masken und Abstand und ständigem Lüften bei aktuell niedrigen Temperaturen so erträglich wie möglich gestaltet werden, heißt es zur Begründung. Zwar würden von einigen Schülern bereits Decken in den Unterricht mitgebracht, es sollte jedoch eine einheitliche Lösung geschaffen werden, mit gleichen Voraussetzungen für alle. „Wir können von den Schülerinnen und Schülern nicht unter diesen erschwerten Bedingungen erwarten, dass sie die Grundlagen für das spätere Leben lernen, wenn wir ihnen neben dem Lernen noch Bürde um Bürde auflasten“, heißt es in dem von Rieke Wolters, Mohan Ramaswamy und Hans Georg Schwedhelm unterzeichneten Antrag. Zwiebel-Look, das Mitbringen von regenfester Kleidung, Decken und Schirmen seien schöne Empfehlungen, mit denen die Politik die Konsequenzen aus der Entscheidung, den Schulbetrieb so lange wie möglich aufrechterhalten zu können, einzig auf die Schüler abwälze. Klassenlehrer sollen Sitzordnung erfassen: Die Kreisverwaltung hat sich zu diesem Vorschlag bereits positioniert. Der Antrag werde von der Entwicklung der Pandemie-Zahlen und den Hygienevorschriften an den Schulen überholt, heißt es in der Stellungnahme vom 13. November. Es wird ausgeführt: „Zukünftig sollen Klassenlehrer die Sitzanordnung in den Unterrichtsräumen erfassen, um im Falle einer Covid-19-Infektion eine Eingrenzung möglicher Kontaktpersonen zu ermöglichen.“ Eine für Kohorten ausgelegte Überdachungsmöglichkeit würde dieser Regelung zuwider laufen, heißt es weiter. Hingewiesen wird darauf, dass auch bei einer Überdachung Mindestabstände einzuhalten seien. Die meisten Schulhöfe würden nicht ausreichen, um genügend große Pavillons aufzustellen. Partyzeltgarnituren würden aus Gründen der Verkehrssicherheit ausfallen. Kosten von mehr als 500 000 Euro möglich: Sollte sich der Kreistag trotzdem für den Vorschlag von P2+ entscheiden, müssten zusätzliche Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Bei rund 18 300 Schülern an kreiseigenen Bildungsstätten und dem Stückpreis pro Decke von 28 Euro (wie von der Verwaltung in einem Rechenbeispiel veranschlagt), würden für Decken Kosten von 512 000 Euro entstehen. Die Frage müsse dann geklärt werden, wer die Kosten der Reinigung trägt. Die Anfrage bei einer „ortsansässigen Großwäscherei“ habe ergeben, dass bei einer angenommenen dreimaligen Reinigung der Decken im Jahr noch einmal rund 200 000 Euro zu Buche schlagen würden. Der Landkreis Göttingen ist Träger von 23 Allgemeinbildenden Schulen (darunter vier Gymnasien, drei Förderschulen, sieben Haupt- und Realschulen, sechs Oberschulen und drei Gesamtschulen) und sieben Berufsschulen. An den Allgemeinbildenden Schulen werden aktuell 9408, an den Berufsbildenden Schulen 8880 Schüler unterrichtet. Laut Niedersächsischem Kultusministerium gelten für Schulen in Corona-Hotspots ab 1. Dezember zusätzliche Schutzmaßnahmen. Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 und mehr in einer Stadt oder einem Landkreis gilt ab Jahrgang 7 das Szenario B (Unterricht im Wechselmodell). Alle Schüler in Corona-Hotspots ab Inzidenz 200 müssen zudem ab 1. Dezember eine Mund-Nasen-Bedeckung auch im Unterricht tragen. Das gilt auch für Grundschüler. Die Weihnachtsferien in Niedersachsen werden verlängert, sie beginnen am Montag, 21. Dezember, anstatt 23. Dezember. Ein Notbetreuungsangebot am 21. und 22. Dezember soll für die Jahrgänge 1 bis 6 vorgehalten werden. Bei der Anschaffung kleinerer und preisgünstigerer Decken von vier Euro pro Stück ohne Reinigung durch den Landkreis entstünden Kosten von rund 73 000 Euro. „Die lassen uns nicht erfrieren“: Ist der Vorschlag dennoch zu begrüßen, etwa weil nicht alle Schüler von Zuhause aus mit Decken ausgestattet werden? „Nein, ich denke eine solche Ausstattung muss nicht sein“, wägt der Leiter der Schule am Hohen Hagen in Dransfeld, Mark Bödefeld, ab. Man könne schon unterstellen, dass ein Großteil der Schüler eine Decke von zu Hause mitbringen kann. Die Leiterin der IGS Bovenden, Renate Heyn, schätzt ein, dass eine Decke dem ein oder anderen Schüler helfen würde, zumal der Altbau der Schule nicht so gut gedämmt sei, wie es heutzutage Standard ist. Frieren und lernen, das gehe nicht zusammen. Allerdings vertraut sie der Zusage des Schulträgers, für eine technische Nachrüstung sorgen zu wollen. „Die lassen uns nicht erfrieren“, sagt Heyn. Gut findet sie die Idee des eigenen Schülerrates, in den Pausen stets nur einen Teil der Schüler auf den Schulhof zu schicken. Lesen Sie auch: Schulen und Corona:Schüler und Lehrer in Hannover fühlen sich wie "Freiwild" Neue Corona-Regeln an den Schulen in Göttingen: Das sagen Betroffene Corona in Hannover: Sind Lüftungsgeräte in Klassenzimmern eine Lösung für Schulen? Lüften in der Schule: Stoßlüften, mobile Luftreiniger, fest installierte Lüftungsanlagen - Experten fordern langfristige Lösungen Der Antrag der Fraktion P2+ soll am Mittwoch, 2. Dezember, in der Kreistagssitzung in Osterode behandelt werden. Die Sitzung beginnt um 15 Uhr. Von Ulrich Meinhard