Lockerungen für stationären Handel in Göttingen und Duderstadt denkbar?

Der verlängerte Lockdown mit seinen zusätzlichen Beschränkungen geht auch am Handel nicht spurlos vorbei. „Wir sehen die Notwendigkeit, in der Pandemie Leben und Gesundheit zu schützen. Für viele Betriebe wird dieser Winter aber zur Existenzfrage – umso mehr, je länger sie geschlossen bleiben müssen“, sagt etwa Martin Rudolph, Leiter der Göttinger Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer (IHK) Hannover. Der Einzelhandel wartet – wie zum Beispiel auch viele Betriebe aus der Gastronomie und Hotellerie – auf finanzielle Unterstützung. „Es ist dringend notwendig, dass die schon bestehenden beziehungsweise angekündigten Hilfen für die Betriebe aus diesen Branchen komplett ausgezahlt und verlängert werden und ohne bürokratischen Aufwand beantragt werden können“, appelliert Rudolph an die Entscheidungsträger in der Politik. Lesen Sie auch: Landrat Bernhard Reuter sieht „keinen Spielraum für Lockerungen“ In den von der Pandemie besonders betroffenen Branchen würden die derzeit geschlossenen Betriebe um ihr Leben kämpfen und nun eine Perspektive erwarten. Laut Rudolph gehe es inzwischen um Schadensbegrenzung: „Die Frage ist leider nicht mehr, ob es Insolvenzen geben wird, sondern wie viele es am Schluss sein werden.“ Kreativität und Solidarität gefragt: „Die Lage ist ernst, daran lässt sich nichts beschönigen“, sagt auch Elisabeth von Alvensleben, Geschäftsführerin der Göttinger Innenstadtvertretung Pro-City. Sie hoffe aber, dass durch Kreativität und Anpassungsideen der Betriebe sowie durch die Solidarität der Kunden eventuell einige der drohenden Insolvenzen noch verhindert werden können. „Wir vertrauen darauf, dass die Fachleute aus Wissenschaft und Politik unter Berücksichtigung aller Fakten zielführende Entscheidungen treffen werden“, kommentiert von Alvensleben im Namen von Pro-City den weiteren Umgang mit Lockerungen und Verschärfungen des bestehenden Lockdowns. Mit Hygienekonzepten die Läden öffnen? Jürgen Brunke, Centermanager des Göttinger Einkaufszentrums „Kauf Park“, wird da etwas konkreter: „Wir sehen die Möglichkeit, dass Einzelhändler, unabhängig von der Branche, mit einem korrekten Hygienekonzept öffnen dürfen“, schlägt er vor. Er trage zwar die politischen Entscheidungen mit, allerdings fehle ihm bislang ein substanzieller Nachweis, dass der Einzelhandel wirklich zu einer Ausbreitung der Pandemie beitrage. „Wir haben im ,Kauf Park’ weiterhin durchschnittlich 6000 Besucher am Tag, und davon halten sich 99,9 Prozent vorbildlich an die Regeln“, betont Brunke. Die Infektionsketten in Betrieben müssten seiner Ansicht nach hingegen viel besser nachverfolgt werden. „Die Nutzung der Corona-App wird kaum weiter propagiert, kann aber enorm helfen“, findet er. Lesen Sie auch: Private Treffen, Schulen, Ausflüge – diese Corona-Regeln gelten jetzt Nach Brunkes Einschätzung seien die Verschiebungen zum Online-Handel durch die Pandemie massiv beschleunigt worden, und der stationäre Handel partizipiere daran nicht. Es gehe nun darum, die Existenz der Betriebe zu sichern. Neben dem Handel gehören das Gastgewerbe und der Tourismus zu den vom Lockdown besonders hart getroffenen Branchen. „Die Unterstützungsprogramme vom Bund und den Ländern zur Abmilderung der Corona-Krise sind richtig, um die Betriebe zu unterstützen. Die Beantragung und die Auszahlung von Hilfen erweist sich jedoch seit Monaten als schwerfällig und zeitverzögert, das muss schneller gehen. Und es muss ein neues Kriterium zur Gewährung der Hilfen eingeführt werden: der Erhalt der Arbeits- und Ausbildungsplätze“, fordert Katja Derer, Geschäftsführerin der Region Süd-Ost-Niedersachsen-Harz in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Ihrer Ansicht nach müssen die Beschäftigten im Gastgewerbe und im Tourismusbereich in den Blick genommen werden, denn ihre finanziellen Reserven seien längst aufgebracht. „Die Gewerkschaft NGG fordert die Bundesregierung auf, den Beschäftigten im Gastgewerbe eine Corona-Sofort-Nothilfe in Höhe von 1000 Euro zu zahlen“, so Derer. Im Übrigen gebe es im Gastgewerbe und im Tourismussektor längst „hervorragende Hygienekonzepte“, die direkt wieder anwendbar seien. Werner rechnet mit weniger Selbstständigkeit: Um den Fortbestand der Geschäfte sorgt sich auch Hubertus Werner, Vorstandsvorsitzender beim Treffpunkt Stadtmarketing Duderstadt (TSD). Lockerungen hält er deshalb für sehr wichtig – und auch noch aus einem anderen Grund: „Weil sich auf Dauer keiner an die Regeln halten wird.“ Weitere Verschärfungen der Regeln sieht Werner kritisch: „Mit mehr Informationen über die Verbreitungswege, die Inkubationszeit und die Anhaftung der Keime könnte man die Bevölkerung sensibler machen. Das Wissen muss größer werden, nicht die Verbote.“ Lesen Sie auch: Das sind die Lockdown-Pläne für Niedersachsens Schulen Werner fürchtet zudem, dass viele die Selbstständigkeit in Zukunft meiden werden – aufgrund der Unsicherheit ob der historisch langen Schließung von Gewerbebetrieben: „Das ist ein nicht wieder gut zu machender Eingriff, der sich auch in Zukunft auswirken wird“, so Werner. Er habe Angst vor der Zukunft; auch der Umgang der Menschen untereinander werde sich seiner Einschätzung nach dauerhaft verändern. Lesen Sie auch Was bedeutet die Lockdown-Verlängerung für die Gastronomie in Göttingen? Güntzler hält zusätzliche Einschränkungen für möglich Kuhle: Lockdown nicht länger als unbedingt nötig Sie erreichen den Autor per E-Mail an m.riese@goettinger-tageblatt.de. Von Markus Riese