Ein 29-jähriger Mann aus Osterode muss sich seit Donnerstag wegen versuchten Totschlags und anderer Gewaltdelikte vor dem Landgericht Göttingen verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, kurz vor Weihnachten die Schwester seiner Lebensgefährtin mit einem Messer lebensgefährlich verletzt zu haben. Die Frau erlitt eine Stichverletzung an der Leber und konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. Zuvor soll der Angeklagte aus Eifersucht seine Freundin geschlagen, gewürgt, eine Treppe heruntergestoßen und mit einem Messer bedroht haben. Ferner soll er deren Mutter attackiert haben.
Der Angeklagte ist bereits mehrfach vorbestraft und sitzt derzeit noch eine vom Landgericht Oldenburg verhängte Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren ab. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er zur Tatzeit alkoholisiert war und zudem unter dem Einfluss von Cannabis und Amphetaminen stand. Eine nach seiner Festnahme vorgenommene Alkoholuntersuchung ergab damals einen Wert von 1,42 Promille.
Hilferufe aus der Wohnung
Der Anklage zufolge war es am Tatabend zu einem Streit gekommen. Der 29-Jährige habe seiner Lebensgefährtin vorgeworfen, dass sie ihn mit ihrem Ex-Freund betrüge, und ihr mindestens eine Backpfeife versetzt. Die Frau sei dann ins Schlafzimmer gegangen, um ihren kleinen Sohn zu beruhigen, der aufgrund des Streits aufgewacht war. Der Angeklagte habe sie dort mit beiden Armen von hinten am Hals umklammert und bis zu zehn Sekunden lang zugedrückt, sodass sie Angst um ihr Leben gehabt habe. Anschließend habe er ihr eine Kopfnuss versetzt. Seine Freundin habe dann drei SMS an ihre Mutter geschickt und darum gebeten, sofort vorbeizukommen.
Die Mutter hatte sich dann mit ihrer anderen Tochter und deren Freund spätnachts zu der Wohnung begeben. Als sie auf ihr Klingeln hin Hilferufe aus der Wohnung hörten, habe der Freund der Schwester die Tür eingetreten. Er habe den mit einem Küchenmesser bewaffneten Angeklagten von hinten gepackt und ins Schlafzimmer gezogen, um ihn zu beruhigen. Der 29-Jährige habe sich dann aber losgerissen und mehrmals der Mutter seiner Freundin mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Als seine auf dem Treppenabsatz stehende Freundin schrie, dass er ihre Mutter in Ruhe lassen solle, habe er nach ihr getreten, so dass sie mehrere Stufen hinunter stützte und gegen eine Wand prallte. Der Angeklagte habe dann die Mutter im Treppenhaus verfolgt und ihren Kopf mehrfach gegen eine Wand geschlagen. Als seine Freundin ihr zu Hilfe kommen wollte, habe er ihr gedroht: „Ich stech’ dich ab“.
Mit Totschläger auf den Kopf geschlagen
Nachdem es den Frauen gelungen war, das Haus zu verlassen, soll der Angeklagte sie weiter verfolgt haben. Beim Versuch zu fliehen, sei die Mutter mit dem Kleinkind zu Boden gestürzt. Als der Angeklagte sich in ihre Richtung begeben habe, habe sich ihm die Schwester seiner Freundin in den Weg gestellt. Daraufhin habe der Angeklagte das Messer gezogen und ihr mit Wucht in den Oberbauch gestoßen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat er ihren Tod zumindest billigend in Kauf genommen. „Ohne eine Notoperation wäre sie innerlich verblutet“, sagte die Staatsanwältin.
Der Angeklagte selbst erklärte zu Prozessbeginn, keinerlei Erinnerung an das Geschehen zu haben. Er wisse nur noch, dass er am Tatabend Alkohol getrunken habe. Der Vorsitzende Richter zeigte sich über diese Einlassung verwundert, da der 29-Jährige nach seiner Festnahme gegenüber der Polizei Angaben gemacht hatte. Dort hatte er es so dargestellt, dass seine Freundin den Streit provoziert habe. Später habe es geklingelt, und der Freund ihrer Schwester habe ihm mit einem Totschläger auf den Kopf geschlagen. Er sei dann in Panik geraten, weil er so bedrängt worden sei. Wie das Messer in seine Hand geraten sei, wisse er nicht. Jemand müsse es ihm gegeben haben. Das Gericht hat für den Prozess zehn Verhandlungstage angesetzt.
Von Heidi Niemann