Mehr Bauschutt durch Bauboom: Deponien in Göttingen sind bald voll

Die Bauwirtschaft boomt. Vor Corona definitiv – aber auch mit und nach Corona wird sich an der Dringlichkeit von Baumaßnahmen nicht viel ändern. Die Unternehmen können sich die Aufträge aussuchen, die wirtschaftlichen Zahlen sind gut – genug qualifizierte Mitarbeiter im Betrieb vorausgesetzt. Da ein deutliches Plus an Bauaufträgen zu deutlich mehr Bauschutt führt, besteht nun deutschlandweit ein Problem mit der Entsorgung. Deponien können kaum noch die Masse an Bauabfällen aufnehmen, die Lagerkapazitäten sind begrenzt, schwinden zusehends. Laut Angaben des Bundesamtes für Statistik läuft die Betriebserlaubnis vieler Deponien in Deutschland in den nächsten Jahren aus. Ist das auch ein Problem im Landkreis Göttingen? Nach Vorgabe des Kreislaufwirtschaftsgesetzes muss vor einer Beseitigung von Abfällen deren Verwertungsmöglichkeit geprüft werden. „Wenn ein Abfall nicht verwertet werden kann und deponiert werden soll, muss dies ab einer bestimmten Größenordnung mit Erklärung und Entsorgungskonzept gegenüber der Abfallbehörde des Landkreises Göttingen nachgewiesen werden“, erläutert Landkreis-Sprecherin Andrea Riedel-Elsner. Nach Zustimmung der Abfallbehörde könne die Abfallentsorgung dann bei der jeweiligen Abfallwirtschaft beantragt werden. Soweit zum Prozedere. Abfallwirtschaften werden getrennt erfasst: Auch vier Jahre nach der Fusion der Landkreise Göttingen und Osterode/Harz werden die Abfallwirtschaften (AWi) Göttingen und Osterode getrennt voneinander erfasst. Die AWi Göttingen verfügt über die Entsorgungsanlagen Breitenberg (EAB) und Dransfeld (EAD). Betrachtet man die AWi Göttingen, hat sich das gesamte Abfallaufkommen von 2009 bis 2019 stetig erhöht und zwar von einst 40000 Tonnen auf 75000 Tonnen jährlich, ein Zuwachs von fast 50 Prozent. Bei der AWi Osterode mit ihrer Entsorgungsanlage Hattorf (EAH) ist eine ähnliche Steigerung, nämlich von 41000 Tonnen seit 2009 auf maximal 72000 im Jahr 2016 festzustellen. Allerdings gab es 2013 einen Einbruch, verursacht durch eine exorbitante Gebührenerhöhung aufgrund eines Verwaltungsgerichtsurteils. Wohl deshalb gingen hier die angelieferten Mengen deutlich zurück auf knapp 32000 Tonnen. Die größte Fracht ist Straßenaufbruch: Die größte Fracht bei der AWi Göttingen ist Straßenaufbruch sowie Boden und Steine. Bei der AWi Osterode stellt es sich ähnlich dar. Ausnahmen bilden hier erstens wiederum das Jahr 2013, als große Mengen eines Gemisches aus Beton, Ziegeln, Fliesen und Keramik angeliefert wurden und zweitens das Jahr 2019 mit einem hohen Anteil nicht verwertbarer Produktionsabfälle. Aktuell fallen bei der AWi Göttingen insgesamt circa 75000 Tonnen deponierbarer Abfall an (einschließlich Abfallmengen aus dem Gebiet der Stadt Göttingen), bei der AWi Osterode sind es aktuell nur noch knapp 32000 Tonnen. Wie die Landkreis-Sprecherin weiter informiert, lässt der Landkreis den Polder 2 der EAH als Deponieklasse II ausbauen, EAB und EAD sind Deponieklasse I Deponien (Abfälle mit sehr geringem organischem Anteil). „Am Standort EAH wird mit dem Ausbau Polder 2 die Voraussetzung für die Entsorgung von DK II Abfällen geschaffen“, erklärt Riedel-Elsner. Das sind Abfälle mit etwas mehr organischem Anteil. Die Erweiterung steht also nicht im direkten Zusammenhang mit dem Aufwuchs an zu deponierendem Bauschutt. Trotzdem: Die Kapazität einer Deponie und damit deren Laufzeit ist endlich und „aktuell auch aufgrund des andauernden Baubooms früher oder später erreicht“, stellt Riedel-Elsner klar. Hattorf hat noch Platz bis 2070: Ablagerungsfläche ist bei der EAB noch etwa für vier Jahre gegeben, dann ist die Deponie voll. Bei der EAD sind es noch etwa fünf Jahre. Die EAH dürfte noch mehr als 50 Jahre betrieben werden können. „Dies hängt letztlich von der künftigen Entwicklung der nicht verwertbaren Abfallströme und Mengen ab“, erklärt Riedel-Elsner. Mit anderen Worten, die EAB ist 2024 voll, die EAD 2025. Die AWi Osterode mit ihrer Deponie Hattorf kann wohl noch bis 2070 wirtschaften. Zur aktuellen Planung beim künftigen Umgang mit deponierbaren Abfällen sagt die Sprecherin: „Es werden bereits Möglichkeiten wie die Getrennthaltung der Abfälle beim Rückbau und des Vorrangs der Verwertung praktiziert. Die Einführung eines Gipsrecyclings auf den Entsorgungsanlagen wird ebenso wie der Einsatz von Recyclingmaterial im Straßenbau erprobt beziehungsweise erwogen.“ Darüber hinausgehende Lösungen seien die Erweiterungen der Boden und Bauschuttdeponien bei der EAB und der EAD. Das Anlegen neuer Deponien sei nicht vorgesehen. Von einem Abfall-Notstand müsse im Landkreis nicht geredet werden, „wenn die geplanten Realisierungszeiträume der Erweiterungen gehalten werden können“, sagt Riedel-Elsner. Lesen Sie auch: Landkreis will Entsorgungsanlage Hattorf ausbauen Landkreis Göttingen schließt wegen Coronavirus Deponien Im Landkreis Göttingen gibt es neben den Entsorgungsanlagen Hattorf (Abfallwirtschaft Osterode), Breitenberg und Dransfeld (Abfallwirtschaft Göttingen) auch die Entsorgungsanlage Deiderode in der Gemeinde Friedland. Auf dem Gelände betreibt der Abfallzweckverband Südniedersachsen eine mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage (MBA). Die angelieferten Abfälle werden in der MBA mechanisch aufbereitet und anschließend einer biologischen Behandlung unterzogen. Angenommen werden Hausmüll, Sperrmüll, hausmüllähnliche Gewerbeabfälle wie gemischte Bau-und Abbruchabfälle, Straßenkehricht und überlagerte Lebensmittel. Privathaushalte können kleine Mengen an Altmetallen, Altpapier, Bauschutt, Baum- und Strauchschnitt, Elektronikschrott und Schadstoffen auf dem Recyclinghof abgeben. Ab 18. März waren die Entsorgungsanlagen für die Anlieferung von privaten Abfällen geschlossen. Rückfragen beantworten Mitarbeiter der Abfallwirtschaft Göttingen unter 0551/525-2473. Von Ulrich Meinhard

Baubranche - Mehr Bauschutt durch Bauboom: Deponien im Altkreis Göttingen sind bald voll