„Mein Landleben“: Familie Maus und das Internet

Damit der Blick aus dem Fenster im Winter weniger trüb ist, hat das Vogelfutterhaus einen Platz vor meinem Büro. Wann immer ich vom Bildschirm aufsehe, beobachte ich das Treiben der Meisen, Rotkehlchen und frechen Spechte, die ganze Meisenbällchen stibitzen. Eines Tages erblickte ich allerdings ein Körperteil, das unmöglich zu einem Vogel gehören konnte. Der Schwanz einer Maus? Offenbar hatte ich mich getäuscht. Keine Maus in Sicht, als ich endlich am Fenster war. Zurück am Schreibtisch sah ich immer wieder hinaus. Und zack – plötzlich war der Schwanz wieder da. Dieses Mal heftete ich meinen Blick fest auf die Stelle und konnte tatsächlich eine Maus aus dem Futterhaus huschen sehen. Von da an verbrachte ich viel Zeit hinter dem Fenster, um das Leben der Mäuse vor meinem Büro zu erforschen. Eine alleinerziehende Mutter mit einer übel aussehenden Kopfverletzung sowie ihre drei Kinder lebten offenbar unter dem Betonring der stillgelegten Klärgrube, hatten sich einen Ausguck freigescharrt und rannten über den Stamm der Forsythie zum Futterhaus, um Sonnenblumenkerne zu horten. Bagger rückt an: Ich hatte Familie Maus schon sehr ins Herz geschlossen, als eines Tages der Bagger anrückte. Auf diesen Bagger hatte ich jahrelang gewartet. Er sollte mir endlich den Anschluss an schnelles Internet verschaffen, denn ich werde eines hoffentlich schon sehr nahen Tages Glasfaserkabel bekommen. Einerseits verspürte ich also das Gefühl eines Kindes, das am ersten Advent endlich ein Kalendertürchen öffnen darf, während die unaushaltbare Aufregung wegen des immer noch fernen Weihnachtsfestes weiter wächst. Andererseits überkam mich in Bezug auf meine Mäuse ein ungutes Gefühl. Der Bagger würde direkt auf ihrer Versorgungsstrecke buddeln und möglicherweise ihren Lebensraum zerstören. Die Freude über das verlegte Leer-Rohr für das Glasfaserkabel war schließlich trotzdem groß – bis ich die verschüttete Maus-Behausung sah. Zwei Tage später war immer noch keine Maus zu sehen. Ich befürchtete das Schlimmste und erneut wurde mir schmerzlich bewusst, dass die Freuden der Technik kaum ohne ein Opfer der Natur zu bekommen sind. Doch dann, am dritten Morgen nach dem Bagger-Einsatz, erblickte ich Mutter Maus wieder unter der Forsythie. Ihre Kopfverletzung war inzwischen gut verheilt. Und plötzlich waren auch die jungen Mäuse wieder unterwegs und schleppten Sonnenblumenkerne in ihre Wohung unter dem Betonring. Meine Familie hatte den Baggereinsatz überstanden! Gedeckter Tisch mit Sonnenblumenkernen: Und ja, ich weiß, dass die Landwirtschaft unter einer Mäuseplage leidet. Es gibt offenbar zu viele dieser Nager. Dass meine süße Mausfamilie auf landwirtschaftlich genutzte Flächen abwandert, ist aber nicht zu befürchten. Das würde ja an Blödheit grenzen, wo es bei mir doch ein Betondach über dem Kopf und einen gedeckten Tisch mit Sonnenblumenkernen gibt. Info: Sie erreichen die Autorin unter E-Mail: autorin@anke-weber.de Instagram: https://www.instagram.com/ankeweber_author facebook: https://www.facebook.com/ankeweberautorin Von Anke Weber

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