Mein Landleben: Verliebt in einen felligen Klumpen

Fledermäuse fliegen im Sommer täglich um mich herum. Davon war ich zwar immer fasziniert, habe mich mit der Spezies aber nicht intensiver befasst. Bis eines Morgens an der Haustür ein merkwürdiger brauner Klumpen in der Größe einer Kinderfaust hing, den ich auf den ersten Blick nicht identifizieren konnte. Zuerst dachte ich an Laub, das in der Dachrinne vermodert, getrocknet, von Vögeln herausgescharrt und in Spinnweben an der Tür hängengeblieben war. Tatsächlich entpuppte sich der Fremdkörper jedoch als Fledermaus. Also als schlafendes Lebewesen, das ein Mensch tagsüber nicht zu Gesicht bekommen sollte. Aber gab es nun eine Handlungspflicht, um dieses bei Tageslicht gestrandete und nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützte Wesen zu retten? Fledermaus versperrt die Eingangstür: Eines war klar: Die Haustür konnte ich nicht benutzen, denn die Fledermaus hing an der nach links außen anschlagenden Tür so ungünstig links zwischen Türblatt und Zarge, dass ich sie beim Öffnen der Tür vermutlich verletzt oder gar zerquetscht hätte. Umständlich gelangte ich durch die selten benutzte Hintertür ins Haus. Nach kurzer Internet-Recherche rief ich einen Fledermausbeauftragten an und bekam die Auskunft, dass ich das Säugetier in Ruhe lassen solle, bis es in der Dämmerung davonfliegen würde. Den Rest des Tages benutzten der Hund und ich also nur noch die Terrassentür. Weil ich mir um meinen Schützling trotzdem weiter Sorgen machte, sah ich dauernd zur Haustür und baute eine geradezu verliebte Beziehung zu der kleinen Fledermaus auf. Halbstündig suchte ich im Internet nach neuem Fledermauswissen. Hatte sich ein Kleiner Abendsegler bei mir niedergelassen oder eine Nordfledermaus? Keine Ahnung. Obwohl ich mir deswegen gar keine Gedanken gemacht hatte, erfuhr ich nebenbei, dass Fledermäuse in Deutschland wohl keine Überträger des neuartigen Coronavirus sind. Schließlich landete ich auch noch bei Mythologie und Symbolik. Ein bisschen Spiritualität im Alltag kann ja nie schaden. In China steht die Fledermaus für Glück und Gewinn, in Nordamerika für Intuition und Kommunikation. Und auf einigen Seiten war zu lesen, dass sie Veränderung, Entscheidung und Wiedergeburt symbolisiert. Flattert sie einem ins Leben, soll Altes losgelassen und Neues erschaffen werden. Deutliches Zeichen an der Tür: Ich wusste sofort, wovon die Rede ist. Nicht nur eine Entscheidung schiebe ich schon länger vor mir her, darunter den Kauf einer neuen Haustür. Dazu konnte ich mich bisher nicht durchringen, weil ich mich scheue, den unperfekten Charme meines Hauses zu verändern. Aber ein deutlicheres Zeichen als eine an der Tür hängende Fledermaus konnte es ja wohl nicht geben. Altes loslassen und Neues erschaffen – ich bin bereit. Obwohl … vielleicht war die Fledermaus ja auch der Hinweis, mal wieder vor der Tür abzuhängen und den Tag zu verschlafen. Info: Das Buch „Mein Landleben“ ist in den GT-Geschäftsstellen oder im Buchhandel erhältlich. Sie erreichen die Autorin unter E-Mail: autorin@anke-weber.de Instagram: https://www.instagram.com/ankeweber facebook: https://www.facebook.com/_author Von Anke Weber