Ministerpräsident Stephan Weil zur Region Göttingen

Ende der 90er Jahren haben die zeitgleich ausscheidenden Chefs der Kommunalverwaltungen von Stadt, Landkreis und Zweckverband Großraum Hannover mit dem so genannten „blauen Papier“ den Startschuss zur Bildung der Region Hannover gegeben. Eine Vorlage für den Raum Göttingen? Im nächsten Jahr scheiden mutmaßlich beide Hauptverwaltungsbeamte von Stadt und Landkreis Göttingen – Rolf-Georg Köhler und Bernhard Reuter – aus dem Amt. Wäre es nicht sinnvoll, diese Situation ähnlich wie vor einem Vierteljahrhundert in Hannover zu nutzen. Wäre es nicht Zeit für ein „blaues Papier“ in Südniedersachsen? Die Geschichte der Neuordnung in der Region Hannover ging von unten aus, von den Kommunen selbst. Und so muss es auch sein. Das Land wird immer und überall sehr konstruktiv als Gesprächspartner zur Verfügung stehen. Das sage ich insbesondere immer wieder in der Region Braunschweig, wo diese Diskussion wie das „Ungeheuer von Loch Ness“ einmal im Jahr hochploppt. Aber erstmal muss die kommunale Familie wissen, was sie will. In dem Moment, in dem wir als Land anfangen würden, irgendwelche Vorschläge zu unterbreiten, wäre man sich - da bin ich sicher - in der kommunalen Ebene sehr schnell einig: Genau so darf es niemals werden. Es wäre völlig egal, was wir da vorschlagen würden. Wenn es einen guten Vorschlag gibt aus Südniedersachsen, können wir jederzeit über alles reden. Natürlich ist die Situation von Stadt und Landkreis Göttingen strukturell ein bisschen ähnlich wie damals Landkreis und Stadt Hannover: Ein starkes Oberzentrum in der Mitte umschlossen von einem starken Landkreis. Das war damals der Landkreis Hannover, das ist heute der Landkreis Göttingen. Aber, wie gesagt: Ich bin da erst einmal raus. Wären die beiden Hauptverwaltungsbeamten nicht eigentlich auch raus? Damals haben die drei Hannoveraner – die Verwaltungschefs Jobs Fiedler, Valentin Schmidt und Herbert Droste – das Gegenteil dessen aufgeschrieben, woran sie jahrelang gearbeitet hatten, muss man ehrlicherweise sagen. Die Altersweisheit muss bei allen dreien gleichzeitig durchgebrochen sein. Vorher war es nicht immer einfach in der Zusammenarbeit und auf einmal haben sie zusammen ein Papier geschrieben. Und es wurde dann wirklich ernst genommen, als die beiden Unterbezirksvorsitzenden der SPD sich dahintergestellt haben. Der eine war damals auch noch der Landesfinanzminister, Heiner Aller. Damit wurde auf einmal klar: Jetzt wird es ernst. Die damalige Landesregierung mit Gerd Glogowski an der Spitze hat die Initiative eine Weile abgewimmelt, dann aber gesagt: Wenn ihr das wollt, dann machen wir es halt. So ist die Region Hannover entstanden. Unabhängig davon, ob man Göttingen oder andere Kommunen betrachtet: Sind die Kommunen und deren Verwaltungseinheiten immer noch auf dem richtigen Weg und in der richtigen Größe und handlungsfähig? Oder wäre es nicht längst angezeigt, sehr viel professionellere und größere Kommunalverwaltungen schaffen? Man muss sagen, dass sich bereits sehr viel getan hat. Wir haben in den letzten Jahren viele, viele Umgliederungen auf freiwilliger Basis in den Kommunen gehabt, die wir unterstützt und zum Teil auch gefördert haben. Jüngstes Beispiel aus dem Harz: Wir hätten gerne auch Walkenried, Bad Lauterberg und Bad Sachsa beim Zusammengehen unterstützt, aber das war am Ende nicht gewollt. Wie die Bürgerinnen und Bürger von Bad Sachsa die Perspektive ihrer Kommune sehen, müssen sie am Ende selbst entscheiden. Das ist für mich auch Teil kommunaler Selbstverwaltung. Es hat sich auch insofern viel getan, als wir strukturell wesentlich effektiver aufgestellt sind als noch vor einigen Jahren. Es ploppt immer wieder die Diskussion auf, ob man nicht die Konstruktion der Samtgemeinden aufgeben sollte. Ich muss allerdings sagen, über alles gesehen, funktioniert es. Käme aus der kommunalen Familie dieser Ansatz, könnte man sicher auch darüber mit der Landesregierung reden. Aber von uns aus sehen wir nicht den Anlass zu sagen, dass es an dieser Stelle jetzt zu einer ganz durchgreifenden Änderung kommen muss. Am Ende ist aus meiner Sicht etwas anderes entscheidend, und das ist in Südniedersachsen eigentlich ganz gut gelungen. Die wesentliche Frage ist: Arbeitet man miteinander gut oder schlecht zusammen. Das ist das Entscheidende. Südniedersachsen war jahrzehntelang dadurch gekennzeichnet, dass die Nachbarn sich untereinander nicht grün waren. Ich habe den Eindruck, dass mit dem Südniedersachsenplan nicht nur ein sehr gute Ergebnisse erzielt worden sind, sondern vor allen Dingen inzwischen auch eine andere Form von Zusammenarbeit herrscht. Das sagt jedenfalls Bernhard Reuter bei vielen Gelegenheiten. Man muss in der Lage sein, zu kooperieren. Dazu gehört auch, Aufgaben zu bündeln, wo man Aufgaben gut bündeln kann, ohne dass deswegen dem einen oder anderen ein Zacken aus der Krone fällt. Unter dem Druck von finanziellen Verhältnissen hat sich auch in dieser Hinsicht relativ viel in Südniedersachsen ergeben. Also: Ich setze sehr bewusst darauf, dass Kommunen aus ihrer eigenen Verantwortung die Veränderungen einleiten, die geboten sind, und sehe mich durch die Erfahrungen im Wesentlichen bestätigt. Von Angela Brünjes und Christoph Oppermann