Nach Einbruch in Göttinger Seminar: Haben sich Diebe „massiv getäuscht“?

Nach einem Diebstahl wertvoller Nachbildungen aus einem Gebäude der Göttinger Universität fehlt von Tätern und Beute noch immer jede Spur. „Wir haben noch keine neuen Erkenntnisse“, teilt Polizei-Sprecherin Jasmin Kaatz auf Anfrage mit. Am Freitag hatte die Polizei den Fall öffentlich gemacht und nach Hinweisen aus der Bevölkerung gebeten. Im betroffenen Seminar hofft man indes, dass die Stücke wieder auftauchen. Denn: „Es ist möglich, dass sich die Diebe massiv getäuscht haben“, sagt Dr. Immo Heske, Kustos am Seminar für Ur- und Frühgeschichte. Die Diebe gingen möglicherweise davon aus, dass die Objekte aus Gold wären. Ein Irrtum: Der Materialwert der sogenannten Galvanoplastiken sei unerheblich, so der Experte. Für die Ausbildung der Studierenden seien sie umso wertvoller. „Der Verlust ist sehr schmerzlich“, sagt Heske. Die Nachbildungen kommen in Lehrveranstaltungen zum Einsatz. „Wir sind stolz darauf, unseren Studierenden Objektkompetenz zu vermitteln. Es ist etwas anderes, solche Objekte in den Händen zu halten als nur in einem Buch zu betrachten.“ Originale aus der Zeit um 500 v.Chr. Gerade die gestohlenen Nachbildungen heben sich von anderen Objekten ab. „Oft sind es braune Töpfe, mit denen wir arbeiten, hier haben wir einen goldfarbenen Fisch“, sagt Heske. Bei den gestohlenen Objekten handelt es sich um Repliken des Goldschatzes von Vettersfelde – ein Fund, der 1882 nahe Vettersfelde, ehemals Guben in der Niederlausitz, gemacht wurde. Die Originalgegenstände aus Gold sind nach Angaben des Experten einer skythischen Kriegerprunkausrüstung der Zeit um 500 v. Chr. zuzuordnen und befinden sich in Berlin. Das wertvollste der entwendeten Gegenstände ist ein Objekt in Form eines Fisches, auf dem verschiedene Motive aus der Mythenwelt zu sehen sind. Die Diebe nahmen zudem unter anderem ein Schwert sowie eine goldfarbene Kette und einen Ohrhänger mit. Insgesamt haben die Stücke einen Wert von mehr als zehntausend Euro. Diebe nahmen nicht alle Objekte mit: Jedoch nicht alle Objekte erregten die Aufmerksamkeit der Diebe. Eine der Nachbildungen blieb am Tatort zurück. „Für mich ist das völlig unverständlich“, sagt Heske. Bei dem Objekt handele es sich um eines der wertvollsten der Goldschatz-Nachbildungen. Die Repliken waren in einer Glasvitrine im Foyer des Seminars gelagert und von der Tür aus zu sehen. Die Diebe brachen nach Ermittlungen der Polizei in der Nacht zu Donnerstag, 16. Januar, in das Gebäude ein und zerschlugen die Vitrine, um die Objekte mitzunehmen. „Die Diebe müssen es gezielt auf die Stücke abgesehen haben“, vermutet Heske. Objekte in unmittelbarer Nähe seien vor Ort und unbeschädigt geblieben. Heske hofft, dass die Diebe ein Einsehen haben: „Da die Stücke keinen nennenswerten Materialwert haben, hoffen wir, dass uns die Diebe ihre Beute vielleicht anonym wieder zukommen lassen.“ Neue Kopien möglich: Sollten die Stücke nicht ihren Weg zurück in die Sammlung des Seminars finden, könnten neue Kopien die alten ersetzen. Galvanoplastiken seien jedoch nicht mehr üblich. Vermutlich komme eher 3D-Drucktechnik zum Einsatz, so Heske. „Die Qualität wäre aber nicht die gleiche.“ Von Verena Schulz

„Goldschatz von Vettersfelde“ - Nach Einbruch in Göttinger Seminar: Haben sich Diebe „massiv getäuscht“?