Posse um Bußgeldkatalog: Das müssen Autofahrer in der Stadt Göttingen jetzt wissen

Der neue Bußgeldkatalog hatte in der Stadt Göttingen weitreichende Folgen für Autofahrer: So hat sich die Zahl der Fahrverbote, die gegen Raser verhängt wurden, im Mai dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahresmonat nahezu verdoppelt. Betroffene Autofahrer können allerdings auf Gnade hoffen. Werden Fahrverbote aufgehoben? Was passiert mit bereits gezahlten Bußgeldern? Weil der am 28. April eingeführte neue Bußgeldkatalog wegen eines Formfehlers ausgesetzt wurde, haben die kommunalen Verkehrsbehörden einen großen Berg Arbeit vor sich – und Autofahrer viele Fragen. Wie die Stadt Göttingen mit bereits verhängten Bußgeldbescheiden und Fahrverboten umgeht und was betroffene Verkehrsteilnehmer jetzt tun können, erklären wir im Folgenden. Die Änderungen der Straßenverkehrsordnung waren Ende April in Kraft getreten. Von da an drohte Autofahrern außer einem höheren Bußgeld ein Monat Fahrverbot, wenn diese innerorts mindestens 21 Kilometer pro Stunde oder außerorts 26 Kilometer pro Stunde zu schnell waren. Das ist jedoch wieder Makulatur: Denn wegen eines Formfehlers ist der verschärfte Bußgeldkatalog für Verstöße im Straßenverkehr vorerst ausgesetzt worden. Das betrifft auch Niedersachsen und somit die Stadt Göttingen. Seitdem wird erst mal wieder der alte Katalog angewendet. Doch Fragen bleiben.. Wurden seit Mai wegen des neuen Bußgeldkatalogs mehr Fahrverbote ausgesprochen? Tatsächlich hat sich die Zahl der Fahrverbote in der Stadt Göttingen im Mai 2020 (117 Fahrverbote) im Vergleich zum Mai 2019 (59 Fahrverbote) verdoppelt. „Es liegt durchaus nahe, dass ein Teil davon auch auf die neuen Regelungen entfällt“, sagt Verwaltungssprecher Dominik Kimyon. Allerdings habe die Stadt Göttingen in dem Zeitraum 2019 bis 2020 Ampeln mit Kombi-Anlagen zur Überwachung von Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen ersetzt und zudem neue Anlagen installiert. „Ein Teil der Fahrverbote wird daher auch auf die neuen Anlagen zurückzuführen sein“, so Kimyon. Demgegenüber mussten die Kontrollen durch mobile Anlagen im Vergleich zum Vorjahr allerdings zurückgefahren werden, da ein Teil des Personals zur Überwachung der Corona-Anordnungen eingesetzt wurde. Wie reagieren Autofahrer, deren Vergehen nach dem neuen Bußgeldkatalog geahndet wurden? Es gibt offenbar erheblichen Klärungsbedarf: „Die Rechtsprobleme führen verständlicherweise zu einer Vielzahl von zusätzlichen und teils sehr beratungsintensiven Kundenkontakten“, sagt Kimyon. Wie verfährt die Stadt, nachdem der neue Bußgeldkatalog außer Kraft gesetzt wurde? Die Göttinger Stadtverwaltung wendet nach eigenen Angaben aktuell wieder den alten Bußgeldkatalog an, nachdem sie am 3. Juli 2020 durch einen Erlass des Landes offiziell davon informiert wurde, dass die Anwendung der neuen Regelungen ausgesetzt werden muss. Wie verfährt die Stadt Göttingen mit bereits ausgesprochenen Fahrverboten nach der neuen Verordnung? Maßgeblich sei, ob die bereits ausgesprochenen Bußgeldbescheide rechtskräftig geworden sind, also nicht mehr per Einspruch angefochten werden können, erklärt Kimyon. Rechtskräftige Bußgeldentscheidungen könnten in aller Regel nicht mehr korrigiert werden. Der Erlassentwurf des Landes sehe allerdings auch eine Übertragung des sogenannten „Gnadenrechts“ vor. Auf diese Weise könnten dann die auf der Grundlage des neuen Bußgeldkataloges festgesetzten Fahrverbote „im Gnadenweg“ aufgehoben werden. Welchen Arbeitsaufwand hat die Göttinger Stadtverwaltung wegen der neuen Regelungen? „Die Hürden mit der Änderungsverordnung haben der Stadt ein ordentliches Bündel an Arbeit und Herausforderungen beschert, die die Mitarbeiter/innen im zuständigen Fachbereich noch eine ganze Weile begleiten werden“, sagt Kimyon. Zudem entstehe durch das Aufrollen der Fälle ab dem 3. Juli ein erhöhter Arbeitsaufwand: „Die korrigierten Bußgeldentscheidungen führen teilweise zu Erstattungsansprüchen, die abgearbeitet werden müssen. Die EDV-Verfahren müssen erneut geändert werden, was alles andere als einfach ist.“ Als Ergebnis einer Bund-Länder-Besprechung ist nach der Aufhebung des neuen Bußgeldkataloges bis auf Weiteres Folgendes zu beachten, wie der Landkreis Göttingen mitteilt. Dies gelte so auch für die Stadt Göttingen: – Wenn Bußgeldbescheide oder Verwarnungsgelder bereits rechtskräftig geworden sind, scheidet eine Rücknahme der Bescheide oder eine Rückzahlung aus. Auf der Grundlage des neuen Bußgeldkataloges festgesetzte Fahrverbote können aber „im Gnadenweg“ aufgehoben werden. – Soweit die Kommune bei einem Verkehrsvergehen noch keinen Bescheid erlassen hat, wird auf den alten Bußgeldkatalog zurückgegriffen. – Bußgeldbescheide können unter gewissen Umständen berichtigt oder zurückgenommen werden. Zum Beispiel „wenn ein Rechtsbehelfsverfahren (nach Einspruch oder Klage) eingeleitet wurde oder der Bußgeldbehörde (...) innerhalb der Rechtsbehelfsfrist die neue Sachlage bekannt ist“, erklärt Landkreissprecherin Andrea Riedel-Elsner. Betroffene hätten aber keinen Anspruch darauf, dass der Bußgeldbescheid automatisch zurückgenommen wird. Diese hätten stattdessen die Möglichkeit des Einspruchs (bei Einhaltung der Fristen). – Nach fristgemäßem Einspruch prüfe die Kommune die Sach- und Rechtslage erneut und werde „unter Zugrundelegung der bis zum 27.4.2020 geltenden Rechtslage dem Einspruch stattgeben sowie den Betroffenen auf Basis dieser Rechtslage neu bescheiden“. Lesen Sie auch Kontrolle am Rosdorfer Baggersee: Falschparker und Wildcamper Campingplätze in Südniedersachsen gut belegt Schulen in Göttingen werden in den Sommerferien saniert Von Andreas Fuhrmann