Prozess in Göttingen Einbecker soll größere Mengen Marihuana beschafft haben

Vor dem Landgericht Göttingen hat am Montag ein Drogenprozess gegen einen 50-jährigen Mann aus Einbeck begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten bandenmäßigen unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor. Der 50-Jährige soll mit zwei separat verfolgten Männern eine Bande gebildet haben, deren Ziel es gewesen sei, größere Mengen Marihuana zu beschaffen und anschließend mit Gewinn weiter zu verkaufen. Der Angeklagte soll bei der Abwicklung der Rauschgiftgeschäfte die Anweisungen gegeben haben. Er sitzt seit Mitte Januar in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich die drei Männer im Frühjahr 2019 zu einer Bande zusammengeschlossen haben. Laut Anklage sollen sie dabei arbeitsteilig vorgegangen sein, wobei der 50-Jährige offenbar die Fäden in der Hand gehabt hatte. Der aus der Türkei stammende Angeklagte habe Kontakte zu Drogenhändlern in Spanien gehabt, Verhandlungen über die Rauschgiftgeschäfte geführt und Bestellungen aufgegeben. Der zweite mutmaßliche Mittäter mit Wohnsitz in Bilbao habe die Aufgabe gehabt, die bestellten Drogen entgegenzunehmen, nach Deutschland zu bringen und dem mutmaßlichen dritten Bandenmitglied zu übergeben. Insgesamt seien bei den zwei angeklagten Taten im Mai vergangenen Jahres erst 3,5 Kilo und dann 8,5 Kilo Marihuana von Spanien nach Deutschland gebracht worden. Telefonate abgehört: Aufgedeckt hatte den Drogenschmuggel die Polizei in Baden-Württemberg. Diese hatte die Ermittlungen aufgenommen, nachdem Ende 2018 im badischen Lahr eine Tasche mit sechs Kilo Marihuana aufgefunden worden war. Den Beamten gelang es, den Eigentümer zu ermitteln. Dieser sei bereits einschlägig bekannt, berichtete einer der Ermittler, der am Montag als Zeuge geladen war. Die Polizei ließ daraufhin im Rahmen von verdeckten Ermittlungen unter anderem dessen Telefonate abhören. Eine seiner Kontaktpersonen war das mutmaßliche dritte Bandenmitglied. Bei der Überwachung von dessen Telefonverkehr fiel auf, dass dieser regelmäßig in kurdischer Sprache mit einem Mann telefonierte, den er „Onkel“ nannte. Bei den Telefonaten mit dem „Onkel“ sei es unter anderem um die beiden Drogenlieferungen gegangen, berichtete der Polizist. Der „Onkel“ habe dem abgehörten Verdächtigen darüber informiert, wann und wo ein Drogenkurier aus Spanien in Freiburg eintreffen werde, und ihm Anweisungen zu den Treffen und den Übergabemodalitäten gegeben. Den Ermittlern fiel auf, dass es nie einen direkten Telefonkontakt zwischen dem Gesprächspartner des „Onkels“ und dem Kurier gab. „Alle Gespräche und Anweisungen liefen über den Onkel“, sagte der Beamte. Um sich mit dem Kurier abzusprechen, habe das mutmaßliche dritte Bandenmitglied stets erst den „Onkel“ angerufen, der denn dem Kurier die jeweiligen Angaben ausgerichtet habe. Auffällig sei auch gewesen, dass in den Telefonaten nie „Klartext“ geredet worden sei. So habe der „Onkel“ auf die Frage, wieviel der Kurier denn aus Spanien mitbringe, gesagt: „Neun bis zehn Kinder“. Die Ermittler sind überzeugt, dass dies die Umschreibung für neun bis zehn Kilo Marihuana war. Tasche aus Auto geworfen: Die Polizei hatte durch ihre Ermittlungen und Observationen mitbekommen, dass der Kurier sich nach der zweiten Drogenlieferung in einem Hotel in Freiburg aufhielt. Dort tauchte dann abends auch der abgehörte Gesprächspartner des „Onkels“ auf. Kurz nachdem dieser mit einer Sporttasche in der Hand das Hotel verließ, geriet er in eine Polizeikontrolle. Statt anzuhalten, warf er die Tasche aus dem Autofenster und flüchtete. In der Tasche habe sich ein Kilo Marihuana befunden, sagte der Fahnder. Wenig später habe der flüchtige Autofahrer den „Onkel“ angerufen, damit dieser den Kurier warnen und instruieren konnte, sofort alles zusammenzupacken und zu verschwinden. Als der Kurier fluchtartig das Hotel verlassen wollte, standen schon die Fahnder vor der Tür und nahmen ihn fest. Kurze Zeit später nahmen die Beamten auch den Autofahrer fest. Die Fahnder hatten damals neben 8,4 Kilo Rauschgift auch mehrere Smartphones sichergestellt. Die Datenauswertung der Geräte sei recht schwierig gewesen, sagte der Polizist. Erst Ende vergangenen Jahres sei es gelungen, den „Onkel“ zu identifizieren. An den langwierigen Ermittlungen sei auch die Polizei in Einbeck beteiligt gewesen. Die Polizei geht davon aus, dass der 50-jährige Angeklagte aus Einbeck jener Mann ist, der die Anweisungen gegeben hat. Zum Prozessauftakt wollte dieser noch keine Angaben machen. Von Heidi Niemann