Reaktionen auf Tageblatt-Interview: Corona versus Pest

In einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, das auch im Tageblatt erschienen ist, hat der Historiker Prof. Andreas Rödder über die Ereignisse des Jahres und ihre womögliche historische Bedeutung gesprochen und darüber, wie sich die Gesellschaft im vergangenen Jahr verändert hat. Dabei hat er auch die Corona-Pandemie mit einer prägenden Seuche des 20. Jahrhunderts verglichen: „Corona-Pandemie ist nur mit der Pest zu vergleichen.“ Das rief den Tageblatt-Leser Klaus König auf den Plan. „Da vergleicht man schon mal Äpfel mit Birnen“, urteilt er. Auch Prof. Arnd Reitemeier vom Institut für Historische Landesforschung an der Universität Göttingen hält ebenfalls wenig von diesem Vergleich. Wie auch König verweist er auf einen ersten wesentlichen Unterschied. Bei der Pest handelt es sich um ein Bakterium, bei Corona um ein Virus. Auch sei die Pest „auf einem anderen Weg zu uns gekommen“. Über Ratten wurde das Pest-Bakterium verbreitet. Lesen Sie auch Historiker: Corona-Pandemie eher mit Pest statt Spanischer Grippe zu vergleichen USA: 2020 starben so viele US-Amerikaner wie noch nie in einem Jahr Querdenker gab es schon immer: HAZ-Interview mit Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann Beulen und Lungen-Pest: Seit Jahrtausenden habe es das Bakterium gegeben, berichtet Reitemeier. Beispielsweise als Beulen und Lungen-Pest sei es bekannt gewesen. Auch archäologisch sei es nachzuweisen. 1347/48 sei es über Handelswege nach Europa gekommen und sei dort auf eine von einem Klimawandel geschwächte Bevölkerung getroffen. Auch ein Kulturwandel begünstigte nach Reitemeier die Verbreitung des Bakteriums. Immer mehr Menschen lebten auf immer weniger Raum zusammen, auch mit Tieren. Das habe die Ausbreitung befördert. Das Bakterium sei vom Tier auf den Menschen übergesprungen. Erst beim Menschen habe es seine Gefährlichkeit entwickelt. Der Klimawandel hatte zu Beginn des 14. Jahrhunderts eingesetzt. Er habe größere Kälte und mehr Wasser gebracht. Riesige Überschwemmungen vernichteten in mehreren Jahren hintereinander die Ernten. Hochwasserstände an Flüssen wie Weser, Main und Elbe seien gigantisch gewesen. Reitemeier: „Es gab an diesen Flüssen keine Brücken mehr“ und anliegende Städte seien zerstört worden. Gegen die Kälte und Feuchtigkeit habe sich der Mensch nur mit Wolle schützen können. Ein ideales Habitat für die von den Ratten kommenden Flöhe, „weil es so schön warm war“. „Nichts davon gibt es heute“, erläutert Reitemeier. Einzelne Organe befallen: Einen weiteren Unterschied spricht der Wissenschaftler an: „An Pest stirbt man direkt.“ Sie habe einzelne Organe befallen. Wenn die Lunge betroffen gewesen sei, habe es kein Heilmittel gegeben. Eine weitere Differenz: die Mortalitätsrate. Etwa ein Drittel der Menschen starb an der Seuche, in Italien und Frankreich habe es gerade in der großen Städten noch mehr Opfer gegeben. Tageblatt-Leser Klaus König ärgert der Vergleich von Pest und Corona. Auch er argumentiert wie der Historiker Arnd Reitemeier von der Universität Göttingen zuerst einmal mit Fakten. Bakterien, und so auch das Pestbakterium, seien heute in der Regel mit Antibiotika sicher zu behandeln. Außerdem gebe es auch für Risikogruppen eine Impfung gegen die Pest, „ganz zu schweigen von den veränderten Lebens- und Hygienebedingungen“. König stört sich auch an dem Vergleich der Pest-Todeszahlen „mit unserer aktuellen Infektionslage“. Zunächst sei festzuhalten, „dass wir ein Virus haben, das sich äußerst rasch weltweit verbreitet hat. Wir haben aktuell eine hohe Zahl an mit nicht ganz sicheren Testverfahren positiv getesteter Menschen in Deutschland.“ Die überwiegende Zahl davon zeige keine Krankheitssymptome. Ein weiterer Teil habe leichte grippeähnliche Symptome. Ein Teil müsse stationär, davon wiederum ein Teil intensivmedizinisch und davon wieder ein Teil auch beatmet werden. „ Es wird nur auf das Ansteigen oder Sinken der positiv Getesteten abgestellt.“ Und es wird über Todesfälle mit oder an Corona Verstorbenen berichtet. Das bedeutet, dass ein Schlaganfall- oder Herzinfarktpatient, der auch positiv an Corona getestet wurde, ein Coronatoter ist. König: „Ich kann nur erkennen, dass bewusst oder unbewusst durch eine angstmachende Berichterstattung die Bevölkerung am Durchhalten der verordneten Einschränkungen angehalten werden soll.“ Über Jahrhunderte sie die Pest nicht mehr verschwunden und habe die Mortalitätsrate enorm in die Höhe getrieben, sagt Reitemeier. Die einzige Chance auf Unversehrtheit sei die Isolation von Pestkranken gewesen. Sei das nicht schnell genug passiert, seien ganze Ortschaften befallen gewesen. Sommer oder Winter: Heute während der Corona-Pandemie gebe es eine „völlig andere Altersverteilung“ als zu Zeiten der Pest. Moderne Medizin helfe, es gebe Schutzkleidung und jetzt auch schon Impfstoffe. Auch heute ist Klimawandel ein Thema. Doch Reitemeier bezweifelt, dass die Corona-Pandemie im Zusammenhang damit steht. Für eine Verbreitung sei es egal, ob Sommer oder Winter sei. Von Peter Krüger-Lenz

Reaktionen auf Tageblatt-Interview: Corona versus Pest - Widerspruch gegen Vergleich