Reiserückkehrer: Elf Corona-Testzentren in Niedersachsen sollen reaktiviert werden

Eigentlich sollten alle 45 Corona-Testzentren in Niedersachsen wegen geringer Fallzahlen bis Ende Juli geschlossen werden. Jetzt die Kehrtwende: Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) plant, kurzfristig einige Testzentren wieder zu öffnen, darunter auch das am Universitätsklinikum Göttingen. Entsprechende Tageblatt-Informationen bestätigte KVN-Sprecher Detlef Haffke am Freitag. Hintergrund sind die neuen Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für Reiserückkehrer. Demnach sollen kostenlose Tests für Rückkehrer aus Risikogebieten verpflichtend eingeführt werden. Wer mit dem Flugzeug aus einer solchen Region zurückkehrt, soll noch am Flughafen auf das Coronavirus getestet werden. Gleiches soll für Einreisende an Seehäfen gelten. Unklar ist noch, wie Reisende getestet werden sollen, die mit dem Auto oder mit dem Zug aus Risikogebieten nach Deutschland einreisen. Reiserückkehrer aus Risikogebieten müssen sich testen lassen: Welche Staaten als Risikogebiete mit einer erhöhten Infektionsgefahr gelten, legt die Bundesregierung mit dem Robert Koch-Institut (RKI) in einer Liste fest. Auf der Liste stehen derzeit mehr als 100 Staaten, darunter die USA, Israel, Türkei, Ägypten oder Südafrika. Kernkriterium ist die Marke von mehr als 50 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohnern innerhalb der vergangenen sieben Tage. Die Verordnung zu den Corona-Pflichttests soll voraussichtlich Anfang August fertiggestellt werden und dann direkt in Kraft treten. Die Bundesregierung will damit eine größere Verbreitung des Coronavirus durch Reiserückkehrer verhindern. Auch Rückkehrer aus Nicht-Risikogebieten können sich testen lassen – aber freiwillig: Eine zweite Verordnung, die ebenfalls in Arbeit sei, besage zudem, dass Rückkehrern aus Nicht-Risikogebieten (dazu zählen zum Beispiel die meisten EU-Staaten) das Recht eingeräumt werden soll, sich ebenfalls kostenlos bei ihrem Hausarzt freiwillig auf das Coronavirus testen zu lassen, erklärt KVN-Sprecher Haffke. Und da beginne das eigentliche Problem. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen befürchtet demnach, dass das Hausarzt-System durch die Reiserückkehrer, die sich testen lassen wollen, überlastet werden könnte. Es dürfe nicht sein, so Haffke, dass andere Patienten unter dem Andrang der Reiserückkehrer zu leiden hätten. Daher gebe es die Überlegung, einige Testzentren in Niedersachsen kurzfristig wieder zu eröffnen, um die Hausarztpraxen zu entlasten. Testzentrum an Unimedizin Göttingen soll reaktiviert werden: Dieser Plan soll aber erst dann umgesetzt, wenn die Vorgaben des Bundesgesundheitsministers tatsächlich in Kraft treten. „Wir gehen von nächster Woche aus. Wenn das rechtskräftig ist, schalten wir um“, sagt Haffke. „Wir haben keine Sorge, dass wir das kurzfristig hinbekommen, weil die alten Testzentren jederzeit reaktiviert werden können, da sie sich im Standby-Modus befinden.“ Geöffnet werden soll dann nach Angaben des KVN-Sprechers in jeder der elf Bezirksstellen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen jeweils ein Testzentrum. Grund: Man könne den Bedarf nicht wirklich einschätzen. Die elf Bezirksstellen sind: Aurich, Osnabrück, Oldenburg, Wilhelmshaven, Stade, Lüneburg, Verden, Hannover, Braunschweig, Hildesheim und Göttingen. Im KVN-Bezirk Göttingen soll den Plänen nach das Testzentrum an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) reaktiviert werden. Es wäre dann unter anderem für die Stadt und den Landkreis Göttingen zuständig. Testzentren: Nur für Reiserückkehrer aus Nicht-Risikoländern: Klar sei aber auch, sagt Haffke, dass wenn die neue Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministers in Kraft treten sollte, auch Hausärzte die Tests für Reiserückkehrer durchführen können – wenn sie das denn wollen. Falls ihre Praxis aber überlastet sein sollte, könnten Hausärzte diese Patienten an das jeweilige Testzentrum überweisen. Die neue Aufgabe der Testzentren werde sein, ausschließlich Reiserückkehrer aus Nicht-Risikogebieten zu testen, erklärt Haffke – auf freiwilliger Basis. Patienten mit Symptomen müssten künftig in den Arztpraxen getestet werden. Auch die Reiserückkehrer müssten allerdings vorher bei ihrem Hausarzt vorstellig werden und dürften sich nicht direkt zu den Testzentren begeben. Kostenlose Tests: KVN bewertet Pläne von Spahn „äußerst kritisch“: Insgesamt bewerte die KVN die Pläne Spahns „äußerst kritisch“, sagt Haffke, „weil diese Testungen von der Allgemeinheit finanziert werden sollen. Wir halten es für nicht angezeigt, die Gelder der Solidargemeinschaft dafür zu verwenden. Unserer Meinung nach müsste das der Staat übernehmen.“ Die KVN könne es gut nachvollziehen, dass die Testungen ausgeweitet werden sollen. „Dann muss man sich aber auch genau überlegen, wie man das organisiert und finanziert“, erklärt Haffke. Unterdessen sind an Flughäfen bereits zentrale Teststellen für Reiserückkehrer aus Risikogebieten errichtet worden. Nach ihrer Ankunft sollen die Urlauber von der Bundespolizei angesprochen und auf die Testmöglichkeit hingewiesen werden. Bis die Ergebnisse bekannt sind, müssen sich Reisende aus Risikogebieten in Quarantäne begeben. Wenn das Testergebnis negativ ist, entfällt die sonst vorgeschriebene 14-tägige Quarantäne. Auch Reisende, die aus Nicht-Risikogebieten wieder nach Deutschland einreisen, sollen innerhalb von 72 Stunden nach ihrer Ankunft kostenlose Tests in Anspruch nehmen können. Sie werden allerdings nicht direkt am Flughafen getestet, sondern auf anderen Wegen an ihrem Wohnort. Wie nun klar ist, soll das vornehmlich in den reaktivierten Corona-Testzentren geschehen – nach vorheriger Anmeldung beim Hausarzt. +++ Update: Urlauber, die aus dem Ausland zurückkehren, können sich ab Sonnabend kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. Das legt eine entsprechende Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fest, die am Freitagnachmittag veröffentlicht wurde. Die Tests sind für alle Reiserückkehrer auch ohne Krankheitsanzeichen innerhalb von 72 Stunden nach der Ankunft in Deutschland möglich - zum Beispiel an Teststellen an Flughäfen, in Gesundheitsämtern und Arztpraxen. Ab wann die Tests auch in den reaktivierten Testzentren wie in Göttingen durchgeführt werden, ist noch unklar +++ Von Andreas Fuhrmann