Salons dürfen öffnen: Rund auf die Friseurtermine im Landkreis Göttingen

Wer am Donnerstag versuchte, seinen Friseur anzurufen, musste Ausdauer beweisen oder einfach Glück haben: Am Tag nach der Ankündigung von Bund und Ländern, dass die Salons zum 1. März wieder öffnen dürfen, erlebten viele Friseure in Stadt und Landkreis Göttingen ganz offenbar einen wahren Ansturm auf die ersten freien Termine. Wie ist die Stimmungslage in den Salons der Region – jetzt, wo sie nach monatelangem Lockdown wieder eine Öffnungsperspektive haben? Eine nicht-repräsentative Umfrage lässt vor allem Vorfreude erkennen – aber auch Rechtfertigungsdruck. „Ich bin total happy“, fasst Nicole Broscheit von der Haar-Factory in Göttingen ihre Stimmung zusammen und berichtet von ruhelosen Stunden seit Mittwochabend: „Seitdem die Nachricht durch die Medien ging, steht bei mir kein Kanal mehr still. Die Leute wollen am Telefon, über Whatsapp und per Mail Termine ausmachen.“ Eines bereitet Broscheit aber Sorge: „Ich bemerke, dass wir von anderen Branchen richtiggehend angefeindet werden, weil wir wieder öffnen dürfen.“ Das könne sie insofern verstehen, als es für andere Betriebe ja ebenfalls funktionierende Hygienekonzepte gebe, sagt die Friseurin, findet aber auch: „Es ist schade, dass da jetzt ein Kampf entsteht.“ Kritische Stimmen online – doch bei den Friseuren dominiert Vorfreude: Tatsächlich gibt es auch in den Sozialen Medien nicht nur freundliche Kommentare zur Öffnungsankündigung für die Friseure. Bei Facebook äußert am Donnerstag mancher Nutzer Unverständnis und wirft der Branche vor, bevorzugt zu werden. Ein Vorwurf, dem sich unter einem Tageblatt-Beitrag Friseurin Juliane Heits, die Salons in Göttingen und Adelebsen betreibt, entgegenstellt: „Auch da hängen Jobs und Existenzen dran. Ich habe seit Dezember noch keinen Cent gesehen und muss trotzdem meine Kinder und mich ernähren.“ Vor allem aber trügen nicht die Friseure Schuld an Entscheidungen der Regierung: „Wir haben alles getan, damit man uns hört – aber das kann jede Branche tun.“ Auch bei der Landesinnungsmeisterin des niedersächsischen Friseurhandwerks, Manuela Härtelt-Dören aus Göttingen, sorgt die Ankündigung, dass Friseure am 1. März ihre Salons wieder öffnen dürfen, für Optimismus: „Die ganze Branche freut sich. Jetzt haben wir Planungssicherheit und können sagen: 14 Tage halten wir auch noch durch.“ Für die Wiedereröffnung sei es mit Blick auf die finanzielle Lage vieler Friseure auch höchste Zeit, betont Härtelt-Dören. Denn: „Die Hilfen, die uns so ans Herz gelegt worden sind, sind immer noch nicht da.“ Die Aussicht auf Öffnung verspreche zudem eine bessere Kontrolle der Einhaltung der Regeln, nachdem die Friseure im Lockdown vermehrt Anfragen von Kunden erhalten hätten, ihnen in Schwarzarbeit die Haare zu schneiden, sagt Härtelt-Dören. Einen Appell an die Menschen möchte die Innungsmeisterin außerdem loswerden: „Kommen Sie zu uns in die Geschäfte.“ Tatsächlich seien die Auftragsbücher bereits in vielen Salons voll, sagt Härtelt-Dören. Dennoch gelte: „Wir brauchen jeden Kunden.“ Bei den Betroffenen selbst jedenfalls herrscht Dankbarkeit für die Öffnungsperspektive vor: „Gott sei Dank“, sagt Friseurin Manuela Schneemann aus Gerblingerode mit Blick auf den 1. März. Ihre Stammkunden riefen bereits den ganzen Tag bei ihr an. Ein Zeichen für Zusammenhalt sei das, findet Schneemann: „Für uns alle hängen Existenzen daran. Die letzten Wochen waren happig.“ Lesen Sie auch „Man hat uns zugehört“: Friseure im Landkreis Göttingen dürfen am 1. März wieder öffnen „Zum Nichtstun verdammt“: Existenzangst ständige Begleitung im Lockdown Vor dem Lockdown: Friseurbetriebe schieben Sonderschichten Bei Nancy Boy in Gieboldehausen klingelt das Telefon nach Aussage der Friseurin im Salon Hairstylisten im Zweiminutentakt. „Alle wollen am liebsten einen Termin gleich in der ersten Woche – da kommen wir nicht einmal mit zusätzlichen Öffnungszeiten hinterher.“ Die ersten zwei Märzwochen sei sie bereits ausgebucht. Ärgern würde sich bei langen Wartezeiten niemand, betont Boy: „Jeder freut sich, wenn er überhaupt einen Termin bekommt.“ Telefone in den Friseursalons stehen nicht still: Ganz im Süden des Landkreises, in Hann. Münden, hat Daniela Gießler-Süß für ihre Kunden extra eine zweite Telefonleitung freigeschaltet und eine ihrer Mitarbeiterinnen zur Verstärkung herangeholt. „Es klingelt nonstop“, berichtet die Friseurin – das sei nach zehn Wochen aber auch wenig verwunderlich: „Da hatten wir schon ein ganz schönes Brett zu bohren.“ Ganz anders begegnen die Friseure am Westerturm von Bianca Creutzig in Duderstadt dem Run auf die Friseurtermine. Hier meldet sich ein offenbar frisch besprochener Anrufbeantworter: Termine würden nur an bestimmten Wochentagen angenommen, von privaten Anrufen bitte man abzusehen, um die Termine für alle fair verteilen zu können. Und zum Abschluss heißt es: „Wir freuen uns darauf, sie endlich wieder mit einem Lächeln begrüßen zu dürfen.“ Von Tammo Kohlwes