Sanierung oder Neubau: Seit 14 Jahren wartet Hainberg-Gymnasium Göttingen auf Lösung

„14 Jahre – wie lange sollen wir noch warten? Das HG braucht einen Neubau – JETZT!“ – prangte in großen Buchstaben auf einem Transparent über dem Haupteingang des Göttinger Hainberg-Gymnasiums (HG). Kurz vor den Sommerferien hatten Schüler des Göttinger Hainberg-Gymnasiums erneut auf den maroden Zustand des Anbaus im Süden des Hauptgebäudes aufmerksam gemacht. „Neubau“ heißt der Trakt heute noch im Schuljargon. Doch längst ist der 1965 als Anbau des Oberstufentraktes vom Landkreis Göttingen als damaligen Schulträger gebaute Schulteil zu einem maroden Altbau verkommen – mit entsprechender, der Bauzeit geschuldeten Asbestbelastung. Inzwischen sind die Fenster vollkommen marode. „Das Holz der Rahmen splittert. Der Wind drückt die Fenster auf, sodass wir viele Fenster mit Metallriegeln schließen mussten“, erklärte HG-Schulleiter Georg Bartelt bei einem Rundgang Anfang März. Bereits im November hatten er und weitere Vertreter der Schule 1125 unterschriebene Protestbriefe an Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler und Ratsvorsitzenden Christian Henze (beide SPD) übergeben. Schwitzen und frieren im Anbau: Viele Fenster ließen sich nicht mehr öffnen oder nur noch kippen. Im Sommer herrschten hier extrem hohe Temperaturen, im Winter frören die Schüler, weil es durch die Fenster ziehe, merkt dazu der Schulelternrat an. Zudem ließen sich viele Türen nicht richtig schließen. Verstärkt werde dieser Zustand durch die schlechte Gebäudedämmung, „sodass es mit einem einfachen Austausch der Fenster lange nicht getan wäre“. Das Gremium verweist auf den „Niedersächsischen Rahmenhygieneplan Corona“, der auch für Schulen als eine Grundbedingung zur Vermeidung weiterer Infektionen das regelmäßige, mehrmals tägliche Lüften durch vollständig geöffnete Fenster vorsehe. „Wie sollte das am HG bei vorgenannter Problematik umgesetzt werden? Lange hat es gebraucht, bis der Schulträger – die Stadt Göttingen – gehandelt hat, sodass nun endlich vereinzelt Fenster derart – und nur durch die Lehrkräfte – geöffnet werden können, dass das Stoßlüften ermöglicht wird“, beschreibt der Schulelternrat die Situation. 610 000 Euro für das HG im Sommer: 7000 Euro hat die Stadt Göttingen nach Angaben von Verwaltungssprecher Dominik Kimyon investiert, um die Fenster in dem Trakt wieder öffnen zu können. „In jedem Klassenraum wurden die beiden äußeren Fenster zum vollständigen Öffnen hergerichtet. Sie können nur noch gedreht, aber nicht mehr auf Kipp gestellt werden. Die verbleibenden Fenster sind zum Kippen eingestellt und mit einer Drehsperre versehen.“ In den Sommerferien werde die Stadt 610 000 Euro in die Schule investieren – am Hauptstandort 530 000 Euro, am HG-Junior 80 000 Euro. Der Schulelternrat kritisiert, dass die Brüstungen nicht den allgemeinen Vorgaben entsprechen und kritisiert, dass dieses Vorgehen nicht durch den Gemeinde-Unfallversicherungsverband (GUV) „abgesegnet“ sei. Eine Genehmigung des GUV sei allerdings gar nicht möglich, weil er keine Genehmigungsbehörde sei, und auch nicht nötig, entgegnet Kimyon. Denn das Land Niedersachsen schreibe im Rahmenhygieneplan genau auf diese Situation bezogen: „Aus Sicherheitsgründen verschlossene Fenster müssen daher für die Lüftung unter Aufsicht einer Lehrkraft geöffnet werden.“ Kimyon räumt aber ein, dass es mit Blick auf die Vorgaben des GUV) zu Brüstungshöhen richtig sei, dass ausschließlich Lehrkräfte diese Fenster öffnen dürfen. „Schüler dürfen sich zur Sicherheit während des Lüftens nicht in der unmittelbaren Nähe des offenen Fensters aufhalten“, sagt Kimyon. Lesen Sie auch: 800 Schüler demonstrieren für Sanierung Auch die Stadtverwaltung sieht den dringenden Handlungsbedarf in dem HG-Anbau. „Das Gebäude ist sanierungsbedürftig“, sagt Kimyon. Außenhülle mit Fassade, Fenstern und Dächern, die Decken mit Beleuchtung, Elektroanlagen und Heizung müssten etwa saniert werden. Bereits seit 2006 seien „wiederholte Anträge auf eine Sanierung oder einen Neubau“ verschoben worden, stellt der Schulelternrat fest. Zahlreiche Pläne, Besuche von Ratsmitgliedern, Proteste von Lehrkräften, Schülern und Eltern seien bislang ungehört geblieben, erinnert sich der Schulelternrat und fragt sich, warum am HG nach „im Jahr 2006 erstmals beantragter, letztlich dann endlich im Jahr 2018 erfolgter Bewilligung der Sanierung“ des maroden Gebäudes nun alles auf Null gestellt, eine mehrjährige Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben werde und ein Beginn dringend erforderlicher Baumaßnahmen weiterhin nicht absehbar sei? Machbarkeitsstudie soll Lösung bringen: Die Machbarkeitsstudie will die Stadtverwaltung für die verschiedenen Varianten Neubau oder Sanierung ausschreiben. Erste, grobe Kostenschätzungen haben nach Angaben von Kimyon 12,8 Millionen Euro für die Kernsanierung des Bestandsgebäudes und 25 Millionen Euro für einen Neubau inklusive Abriss ergeben. Derzeit würden, so Kimyon, zudem Standorte für einen Neubau geprüft. Abgeschlossen sei die Prüfung aber noch nicht. Lesen Sie auch: Städtischer Schulausschuss: Alle Parteien wollen zügige Sanierung des Hainberg-Gymnasiums „Wenn die Machbarkeitsstudie vorliegt, kann die Entscheidung getroffen werden, welche Lösungsvariante durchgeführt werden soll und es können die entsprechenden Haushaltsmittel in das Investitionsprogramm aufgenommen werden. Über die Zurverfügungstellung der Haushaltsmittel muss dann die Politik im Rahmen der Haushaltsbeschlüsse entscheiden“, erläutert Kimyon. Bereits 2018 hatten sich die Ratsfraktionen für die „unverzügliche“ Sanierung des Traktes ausgesprochen. Eine Verschiebung um weitere zwei Jahre sei weder den Schülern noch ihren Lehrkräften weiter zuzumuten, hieß es damals. Verschiebung durch Entschuldung: Dass die Schule bereits seit 14 Jahren auf eine Verbesserung der Situation warten muss, erläutert Kimyon so: „Die Maßnahme war im Investitionsprogramm etatisiert worden. Aufgrund des seinerzeitigen Entschuldungshilfeprogramms musste die Maßnahme nach hinten geschoben werden.“ 2018 waren die Kosten für Schulsanierungen in Göttingen auf 35 Millionen Euro geschätzt worden. Nach konkreterer Planung im Frühjahr 2020 ergibt sich eine Summe von 90 Millionen Euro. Deshalb müsse geprüft werden, was machbar ist, argumentiert die Verwaltung. Die Maxime: Alle müssen sparen. Sie erreichen den Autor unter: E-Mail: m.brakemeier@goettinger-tageblatt.de Twitter: @soulmib Von Michael Brakemeier