Schutzmasken ohne Zertifikat in Apotheken erhältlich

Frank Müller (Name geändert) hat sich am 11. Juni eine neue Schutzmaske gekauft. Ein mittlerweile alltäglicher Vorgang, der in Zeiten von Corona eigentlich keiner weiteren Erwähnung bedürfte. Seit Inkrafttreten der entsprechenden Verordnung gehört das kleine Stück Stoff vor Mund und Nase für alle verpflichtend dazu. Der Göttinger ging also in eine ortsansässige Apotheke und entschied sich für eine „FFP2-Maske mit Nano-Silver-Ausstattung, waschbar für 10,95 Euro“. Besonders sicher und dazu noch umweltverträglich, dachte er sich. Doch damit lag er falsch, wie er wenig später feststellen musste. Das tägliche GT/ET Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Göttingen täglich gegen 17 Uhr im E-Mail-Postfach Zuhause angekommen sprang ihm auf einer Internetseite eine Produktwarnung ins Auge, die sich auf die soeben erworbene Maske bezog: Es handele sich um ein Produkt, das „nachweislich für den menschlichen Gebrauch nicht unbedenklich“ sei. Die versprochene Schutzwirkung sei nicht gegeben, die EU-Kommission ordne eine Rückrufaktion an und verbiete den weiteren Handel von der Lieferung bis zur Ausstellung des Produkts. Maske weiterhin im Handel: Müller wandte sich umgehend an die Apotheke. Hier wurde nicht nur die Maske zurückgenommen und der Kaufpreis erstattet, sondern das Produkt auch nach kurzer Recherche umgehend aus dem Verkauf genommen. Zudem habe man den Lieferanten um eine Stellungnahme gebeten, so der Apotheker. Ein medizinisches Produkt ohne das notwendige Zertifikat dürfe nicht in den Handel gelangen. Das Problem: Trotz der bestehenden Rückrufaktion wird die fragliche Maske im Internet immer noch angeboten. Lesen Sie auch: Mund-Nase-Schutz richtig tragen: Göttinger Medizinerin erklärt Offenbar ist das Geschäft mit Corona-Schutzmasken derart lukrativ, dass der Markt nach anfänglichen Lieferengpässen mittlerweile überschwemmt wird – auch mit fragwürdigen Produkten. Deutsche und europäische Behörden aktualisieren inzwischen täglich ihre Warnungen vor unseriösen Anbietern oder Produkten ohne Zulassung oder Zertifizierung. So listet beispielsweise die Datenbank der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) aktuell 40 Schutzmasken in der Rubrik „Gefährliche Produkte“. Europaweites Warnsystem: Die EU-Kommission warnt Verbraucher und Händler wöchentlich vor Verstößen gegen Produktsicherheit, die auf den Märkten ihrer Mitgliedsstaaten entdeckt werden. Die deutschen Übersetzungen dieser sogenannten RAPEX-Meldungen (Rapid Exchange of Information System) werden unter anderem auf privat betriebenen Internetplattformen wie produktrueckrufe.de oder produktwarnung.eu veröffentlicht. Auf diesen Seiten heißt es, dass sich durch die unzureichende Filterkapazität der mehrheitlich aus Fernost importierten Masken das Infektionsrisiko erhöhen könne. Zudem sei oftmals ungeklärt, ob die verwendeten Materialien beim regelmäßigen Tragen der Masken gesundheitlich unbedenklich seien. Allerdings ist es für den Laien von außen kaum zu erkennen, welches Produkt er in den Händen hält. Experten verweisen dabei auf die Kennzeichnung auf der Maske. „FFP2-Masken ohne CE-Kennzeichnung sind keine“, schreiben die Experten von Produktwarnung.eu. Falsche CE-Kennzeichen: Das allein hilft bei der Auswahl der richtigen Maske aber auch nicht weiter. Wie der Blick auf Online-Einkaufsportale erkennen lässt, verfügen die meisten im Handel befindlichen Exemplare über Zertifikate und Kennzeichnungen. Die Buchstaben CE und eine Zahlenkombination können aber ebenso falsch sein wie die Produktbezeichnung FFP2. Im Zweifel hilft nur die individuelle Überprüfung des erworbenen Produkts, so wie es Frank Müller getan hat. Er gab sein Wissen außerdem an den Verbraucherschutz weiter. Die Belohnung für seine Aufmerksamkeit kam als Antwort per Mail: „Das zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, auch einen vermeintlich sicheren Kauf über Produktwarnungen zu überprüfen, und die Informationen weiter zu geben, um Schlimmeres zu verhindern.“ Im Verlauf der Corona-Pandemie haben sich die sogenannten „Filtering Facepieces“ (FFP) als effektivster Schutz gegen die Übertragung des Virus erwiesen. Die Mund-Nase-Masken kommen aus dem Arbeitsschutz und bieten anders als die meisten OP-Masken einen dichten Sitz im Gesicht. In den drei Schutzstufen können sie mindestens 80 Prozent (FFP1), 94 Prozent (FFP2) oder 99 Prozent (FFP3) der Aerosole aus der Luft filtern. Die Bezeichnung KN95 wird häufig synonym zu FFP2 verwendet. Tatsächlich handelt es sich um einen in China gebräuchlichen Maskentypus, der dem N95-Standard der Luftfiltrationsbewertung des US-amerikanischen National Institute for Occupational Safety and Health erfüllt. Dies bedeutet, dass mindestens 95 Prozent der in der Luft befindlichen Partikel abgeschieden werden. Mit der Empfehlung des Robert-Koch-Instituts für das Gesundheitswesen wurde die FFP2-Maske zum Standard erhoben. Die Engpässe in der Versorgung ließ innerhalb der ersten Wochen der Pandemie den Marktpreis für die Masken um ein Vielfaches in die Höhe schnellen. Von Markus Scharf