Sicherer Schulweg: Wie ein Blick aufs Smartphone Schüler gefährden kann

Ein Anruf, eine Nachricht, schlechte Laune oder Ablenkung durch zu laute Musik – das alles kann am Steuer in einem Unfall enden. Für den Autofahrer bedeutet das Gefahr, für einen ABC-Schützen, der die ersten Male zur Schule geht, kann ein Zusammenstoß lebensbedrohlich werden. Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, erklärt die Polizei zusammen mit dem Tageblatt in der Reihe „Sicher zur Schule“, wie Kinder unbeschadet bleiben im Straßenverkehr – und was Autofahrer dafür zu beachten haben. Folge 2: Der Anhalteweg. 2200 Erstklässler sollen Ende August in Göttingen eingeschult werden, sagt Jörg Arnecke, Verkehrssicherheitsberater der Polizeiinspektion (PI) Göttingen. Die Kinder müssten erst lernen, wie sie sich auf dem Schulweg und allgemein an befahrenen Straßen zu verhalten haben. Arnecke vermittelt als Teil des Präventionsteams der PI, wie Schulanfänger, junge Fahrer und Senioren möglichst unfallfrei durch den Straßenverkehr kommen. Jeder Autofahrer müsse seinen Teil dazu beitragen. Lesen Sie auch: Senioren im Straßenverkehr: Experten aus Göttingen geben Tipps Eine Sekunde bis zur Gefahrenerkennung: Im Stadtverkehr braucht ein Autofahrer 40 Meter zum Anhalten, wenn sein Tacho 50 km/h zeigt. Die 40 Meter sind sein Anhalteweg. Dieser setzt sich aus dem Bremsweg und dem Reaktionsweg zusammen. Mit dem Reaktionsweg ist die Strecke gemeint, die ein Fahrer mit seinem Auto zurücklegt, bis er eine mögliche Zeit erkennt. In der Führerscheinausbildung geht man von etwa einer Sekunde aus, die das menschliche Hirn braucht, bis es die Gefahr erkennt. Bei 50 km/h legt das Auto in dieser Zeitspanne 15 Meter zurück. Erst dann tritt ein Mensch auf die Bremse. Der Bremsweg selbst beläuft sich in diesem Beispiel auf weitere 25 Meter. Selbst wenn man komplett in die Eisen geht, also eine sogenannte „Gefahrbremsung“ durchführt, verkürzt sich der Bremsweg nur auf 12,5 Meter, was mit dem Reaktionsweg einen Anhalteweg von 27,5 Metern ergibt. 14 Meter im Blindflug: Das sind lange Strecken, vor allem bei Gefahren, die man kaum kommen sieht: „Kinder laufen spontan auf die Straße“, sagt Arnecke. Hinzu komme, dass „Kinder Geschwindigkeiten und Abstände zu Fahrzeugen nicht richtig einschätzen können“. Diesen Defiziten sollten sich Autofahrer jederzeit bewusst sein. „Reagieren kann man nur dann, wenn man den Menschen an der Fahrbahn oder auf der Fahrbahn optisch wahrnimmt und nicht abgelenkt ist“, stellt Arnecke klar. Wer auch nur eine Sekunde auf sein Handy schaue, sei „14 Meter im Blindflug unterwegs“. Um das zu demonstrieren, haben Kontaktbeamte (KOBs) der Polizei am Hans-Adolf-Krebs-Weg in Göttingen einen Dummy aufgestellt, der einen Grundschüler darstellen sollte. Im Abstand von 40 und 25 Metern markierten Pylonen die Punkte, an denen der Dummy erkannt werden beziehungsweise gebremst werden sollte. Anhalteweg mit Dummy erprobt: Testfahrten zeigten, dass ein Blick aufs Handy ausreicht, um nicht mehr schnell genug reagieren zu können. Selbst der erfahrene Autofahrer Thomas Rath, Leiter der Polizeiinspektion Göttingen, kam teilweise nur Zentimeter vor dem Dummy zum Stehen. Arnecke mahnt: „Das Verschwommene rings um das Display eines Smartphones ist der Verkehrsraum.“ Den sollten Autofahrer auf dem Schirm haben, nicht eine Nachricht oder die Musikplaylist. Lesen Sie auch: Sicherer Schulweg: Stadtverwaltung Göttingen reagiert auf Hinweis besorgten Vaters „Mit der Einschulung verändert sich das Leben der Kinder und der Eltern“, erklärt Arnecke. Der Verkehrsraum müsse erkundet und das richtige Verhalten erlernt werden. Einen großen Teil können aber jeder Autofahrer dazu beitragen: „Man muss sich dem Anhalteweg immer bewusst sein und auch der Gefahr, die mit einem Anruf einhergeht“, sagt der Verkehrssicherheitsberater. Jeder Autofahrer müsse „defensiv und vorausschauend“ fahren, um kein Kind in Gefahr zu bringen. Der Anhalteweg setzt sich aus dem Bremsweg und dem Reaktionsweg zusammen. Der normale Bremsweg ergibt sich aus der der Formel (Geschwindigkeit in km/h : 10) x (Geschwindigkeit in km/h : 10). Bei 50 km/h lautete die Rechnung (50 : 10) x (50 : 10) = 5 x 5 = 25. Das Ergebnis ist eine Meterangabe, 25 Meter Bremsweg kommen heraus. Bei einer Gefahrenbremsung teilt man das Ergebnis durch 2. Im 50 km/h-Beispiel würde das Auto nach 12,5 Metern ab der Bremsung zum Stehen kommen. Für den Reaktionsweg teilt man die Geschwindigkeit in km/h durch 10 und nimmt den Wert mal drei: (50 : 10 ) x 3 = 15. Die 15 Meter Reaktionsweg müssen zum Bremsweg addiert werden, um den Anhalteweg zu ermitteln. Bei einer normalen Bremsung ergibt sich daraus ein Anhalteweg von 40 Metern, bei einer Gefahrenbremsung 27,5 Metern. Für eine Gefahrenbremsung müssen in einem Auto mit Schaltgetriebe Kupplung und Bremse gleichzeitig durchgedrückt werden und bleiben, bis das Auto stillsteht. Sie erreichen die Autorin per E-Mail an l.lang@goettinger-tageblatt.de. Von Lea Lang