Sommerinterview mit Fritz Güntzler

Wie ist die AfD einzuschätzen, was hilft gegen Wohnraummangel in Göttingen, wo liegen die Probleme an der Universität – und wie lange hält die GroKo noch? Darauf antwortet der CDU-Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler im Tageblatt-Sommerinterview. Wie haben Sie im Juli die Nachricht aufgenommen, dass Verteidigungsministerin und Parteichefin neue Aufgaben übernehmen? Ich bin erst mal froh, dass Ursula von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt worden ist. Das Verfahren dahin kann man unterschiedlich bewerten. Das Parlament konnte sich auf keinen Kandidaten einigen, deshalb musste sich der Europäische Rat verständigen. Das und die dann erfolgte Einigung auf von der Leyen sowie ihre Wahl werte ich als ein gutes Zeichen. Auch, weil damit eine Frau aus Deutschland diesen wichtigen Posten erhalten hat. Das ist doch ein Erfolg, auch für die CDU. Dass dann unsere Parteivorsitzende, Annegret Kramp-Karrenbauer, das Verteidigungsministerium übernommen hat, hat doch einige überrascht – alles andere wäre nicht richtig zu sagen. Und damit hat Frau Kramp-Karrenbauer keine leichte Aufgabe übernommen. Wie beurteilen Sie, dass sie nun zum Amt der Parteivorsitzenden auch noch ein Ministeramt schultert? Wir hatten ja schon das Bundeskanzleramt oft in Hand der Parteivorsitzenden. Insofern wird es auch hier funktionieren. Bundeskanzleramt ist ein gutes Stichwort. Wird sich Frau Kramp-Karrenbauer darauf vorbereiten, nächste Bundeskanzlerin zu werden? Wir sind klug beraten, wenn wir diese Personaldebatten jetzt nicht führen. Die Leute sind diese Debatten auch leid. Ich habe schon zu einem früheren Zeitpunkt in diesem Jahr gesagt, dass wir zur inhaltlichen Arbeit in Berlin als große Koalition zurückkehren müssen. Wir sollten liefern. Fritz Güntzler ist seit 1989 Mitglied der CDU und seit 2013 Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Göttingen. Der 1966 in Cuxhaven geborene Diplom-Kaufmann ist als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Partner in Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzleien in Göttingen und Kassel. Güntzler ist seit Juni 2019 Präsident der Steuerberaterkammer Niedersachsen. Nach Stationen als Kommunalpolitiker im Stadtrat Göttingen (2001-2014) wurde der Politiker zusätzlich Mitglied des Niedersächsischen Landtages von 2005 bis 2008 sowie von 2010 bis 2013. Seit 2013 ist Güntzler Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2016 Abgeordneter des Kreistages Göttingen. Im Bundestag ist der Finanzpolitiker unter anderem Mitglied im Finanz- und Haushaltsausschuss sowie im Bundesfinanzierungsgremium. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Stellvertretender Landesvorsitzender der CDU in Niedersachsen ist der Göttinger seit 2014. Güntzler ist verheiratet mit Wibke Güntzler, die für die CDU Mitglied im Ortsrat Nikolausberg ist und im Rat der Stadt Göttingen. Das Ehepaar hat zwei Söhne. Was muss Ihre Partei liefern? Die Partei und insbesondere natürlich die Bundestagsfraktion muss liefern, diese Regierung der großen Koalition muss liefern. Wir sind auf einem guten Weg und haben einige Themen abgeräumt: sieben wichtige Migrationsgesetze wurden beschlossen, wir haben die Grundsteuer-Reform auf den Weg gebracht, werden uns bestimmt auch über die Grundrente verständigen. Ich glaube, die Koalition hat eine Chance, wenn man schaut, welche Dinge gemeinsam geschafft werden können statt sich gegenseitig zu behindern. Wir sollten das Mögliche gemeinsam suchen und Antworten geben. Ein wichtiges Thema ist der Klimaschutz. Auch dafür wird es eine Antwort geben im September, wenn das Klimaschutz-Gesetz, das in Vorbereitung ist, zur Debatte steht. Insgesamt haben wir bis Ende des Jahres noch viel zu tun und dafür einen Fahrplan aufgestellt, der sukzessive abgearbeitet werden muss. Ein CDU-Minister macht immer wieder von sich reden, weil er liefert. Jens Spahn soll aber auch gute Kontakte pflegen zu SPD-Politikern, wie dem Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Führt das auch zu guten Ergebnissen? Es ist immer gut, wenn die Minister mit den zuständigen Abgeordneten aus den Fachbereichen gut zusammen arbeiten. Ich würde mir für meinen Finanzbereich wünschen, wenn der Finanzminister Olaf Scholz ähnlich kommunikativ wäre wie Herr Spahn, denn es findet so gut wie keine Kommunikation mit dem Finanzminister statt. Wir könnten auch in unserem Bereich viel mehr auf die Bahn bringen, wenn man es so laufen würde wie es Spahn vorbildlich vormacht und die Fachpolitiker mitnimmt. Dann kann man auch liefern. Herr Spahn hat 16 Gesetze vorgelegt. Welche Probleme sehen Sie konkret für den Finanzbereich? Wir haben so gut wie keine Steuergesetze gemacht. Bis Ende des Jahres werden wir noch sechs, sieben Gesetze machen müssen. Die Zeit rennt uns davon und wir haben kaum noch Zeit, die sorgfältig zu beraten. Das liegt alles an Minister Scholz. Was beschäftigt den gelernten Steuerberater Fritz Güntzler im politischen Tagesgeschäft? Die Grundsteuer-Reform muss dringend bearbeitet werden. Sie muss bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, sonst fällt die Grundsteuer ab Januar 2020 weg. Die erste Lesung haben wir im Deutschen Bundestag dazu gehalten, aber es muss noch Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat geben, die Mehrheiten für Änderungen des Grundgesetzes zur Grundsteuer-Reform nötig machen. Da fordert Herr Scholz uns schon dadurch, dass er sich so lange Zeit gelassen hat. Seit wann ist das auf der Liste der zu erledigenden Aufgaben? Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts datiert vom 2. April 2018. Der Gesetzentwurf ist eingebracht worden im April 2019. Wir haben viel Zeit verschenkt, die Dinge auf den Weg zu bringen. Das liegt an dem besonderen Stil, den Finanzminister Scholz pflegt, weil er kaum kommuniziert. Das betrifft auch seine eigenen Fraktionskollegen, was mich immer wieder überrascht. Ein anderes Thema ist die Reform des Unternehmenssteuerrechts. Da ackern wir zur Zeit sehr, weil Deutschland in dem Punkt ins Hintertreffen geraten ist. Die internationalen Entwicklungen im Bereich der nationalen Unternehmenssteuern sorgen auch für Druck auf den deutschen Gesetzgeber. Verschiedene internationale Länder, wie zum Beispiel die USA haben bereits ihre Unternehmenssteuersätze erheblich gesenkt. Da sich niedrigere Gewinnsteuersätze auch auf die Standort- und Investitionsentscheidungen von Unternehmen und somit auch auf die Arbeitsplätze auswirken, muss der deutsche Gesetzgeber auf diese Entwicklungen reagieren. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Ich habe für die Fraktion dazu entsprechende Vorschläge gemacht, die nun umgesetzt werden sollen. In diesem Jahr geht der Göttinger Bundestagsabgeordnete Fritz Günter (CDU) ab August zu verschiedenen Veranstaltungen in seinem Wahlkreis Göttingen, um den Menschen zuzuhören, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Er nennt die Reihe der Termine im August und September „Fritz on Zuhör-Tour Sommer 2019“. Das Sumpffest in Herzberg und das Freibadfest in Settmarshausen machen am Sonnabend, 10. August, den Anfang. Folgende Terminen stehen bisher auf der Liste von Güntzlers Zuhör-Tour: Herzberg/ Bad Lauterberg Bahnhofsfest am 11. August, Erlebnisbad Dransfeld am 14. August, in Hann. Münden findet am 14. August die Veranstaltungsreihe „Fritz im Dialog bei euch vor Ort“ statt. Mit dem Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler (CDU), ist Güntzler am 15. August in Duderstadt unterwegs und sie besichtigen das Welfenschloss in Herzberg. Sommerempfang des Ortsrates Geismar in Göttingen am 18. August. In Rosdorf und Friedland wird am 19. August „Fritz im Dialog bei Euch vor Ort“ sein. Die Reihe setzt der Wahlkreisabgeordnete am 26. August fort im Pädagogikum Bad Sachsa, dort besucht er auch Ausstellung und das Gelände des Kinderheims Borntal, wo die Nationalsozialisten nach dem 20. Juli 1944 die Kinder internierten, deren Väter den Anschlag auf Adolf Hitler geplant hatten. Um „Alternative Mobilität heute“ geht es am 21. August auf dem Wochenmarkt Göttingen. Am 22. August steht bei Veranstaltungen in Göttingen und Adelebsen mit dem Erzeugerverband Niedersachsen das Thema „lokal & regional - einfach 1. Wahl?!“ im Mittelpunkt. In den Gemeinden Gleichen und Radolfshausen ist am 24. August „Fritz im Dialog bei Euch vor Ort“ vorgesehen. Ebenfalls am 24. August sind in Gieboldehausen die Jugendfeuerwehr und das Springbrunnenfest als Termine vorgesehen. Sommerfest der Marinekameradschaft in Göttingen am 25. August sowie Fritz im Dialog bei Euch vor Ort in Adelebsen. In Duderstadt macht Güntzler am 26. August bei den Schützen und im Freibad Station. „Auf Herz und Nieren – die Zukunft der Organspende“ lautet der Titel der Veranstaltungsreihe „Fritz im Dialog“ am 27. August im Hotel Freizeit In, Dransfelder Straße 3 in Göttingen. Im September sind der Sportplatz Rauschenwasser im Flecken Bovenden am 1. September für eine „Fritz im Dialog bei euch Ort“-Veranstaltung geplant sowie am 2. September der Besuch des Frühstücks der Groner Kirmes und der Sommerempfang der Ratsfraktion Gieboldehausen mit Enak Ferlemann (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Wie beurteilen Sie das Verhalten der italienischen Regierung gegenüber Flüchtlingen auf Rettungsschiffen? Kann es noch eine europäische Lösung geben? Es muss eine europäische Lösung geben. Menschen zu retten, kann nie ein Verbrechen sein. Ich bin sehr bei Außenminister Heiko Maas, der die Koalition der Willigen fordert. Ich fand im Juli die Diskussion um die Hilfsaktion von Rettungsschiff-Kapitänin Carola Rackete, ob es ein PR-Gag war, müßig; es galt, 40 Menschen zu retten. Wir brauchen eine Lösung, um die Menschen, die übers Meer flüchten und dort in Gefahr geraten, zu retten. Mein Vorgänger im Deutschen Bundestag, der Göttinger CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer, hat immer gesagt, wenn die Menschen des afrikanischen Kontinents sich auf den Weg nach Europa machen, dann haben wir hier ein anderes Problem. Jetzt geht es um Menschen in einer Anzahl, die unsere Gesellschaft nicht auseinander bringen kann. Wie halten Sie es mit der AfD? Es herrscht ein anderer Umgangston im Deutschen Bundestag als in der vorherigen Legislaturperiode. Und das ist wesentlich durch die AfD geprägt. Es führt aber auch dazu, dass Fraktionen, die früher nicht miteinander geredet haben, mehr miteinander reden und Verabredungen treffen. Das ist positiv. Ich bin grundsätzlich nicht dafür gewesen, die AfD auszugrenzen. Die Abgeordneten sind demokratisch gewählt. Obwohl ich auch immer sage, dass nicht jeder, der demokratisch gewählt ist, automatisch ein Demokrat ist. Das zeigen AfD-Abgeordnete immer wieder in ihrem Verhalten. Deshalb habe ich bisher zu keinem Zeitpunkt einen AfD-Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten gewählt. Auch wenn es eine geheime Wahl ist, stehe ich dazu. Es gibt immer wieder besondere Vorfälle. Diese mehr als 90 Kollegen und Kolleginnen der AfD sind sehr unterschiedlich. Gemäßigtere, die es auch gibt, distanzieren sich nicht von den anderen. Man hat das Gefühl, dass die radikalen Kräfte nicht nur in der Partei, sondern auch in der Fraktion die Überhand gewinnen. Ziehen Sie bitte Bilanz für die bisherige Wahlperiode mit Blick auf Stadt und Landkreis Göttingen. Was haben Sie als Abgeordneter erreicht? Als Bundespolitiker haben wir den Blick aufs Ganze gerichtet. Es gibt also keine gezielten Maßnahmen für den Wahlkreis. Aber wenn es ums Geldverteilen geht, sind mein SPD-Bundestagskollege Thomas Oppermann und ich sehr verknüpft. Da ist uns einiges gelungen, um verschiedene Projekte zu unterstützen: Kunstquartier und Johanniskirche, Junges Theater und Otfried-Müller-Haus sind nur Beispiele. Wir haben natürlich immer den Kontakt in den Wahlkreis, um hier zu erklären, welche Dinge wir in Berlin erledigen. Und es zählt auch zu den Aufgaben, Themen und Projekte, die die Menschen hier interessieren, auf der Bundesebene zu diskutieren und einzubringen. Insofern sind wir Wahlkreisabgeordneten so eine Art Transmissionsriemen zwischen Göttingen und Berlin. Wo erfahren Sie von den Themen, die die Menschen im Wahlkreis bewegen? Nutzen Sie die Sommerzeit, um hier häufiger vor Ort zu sein? Ich bin seit dem Wahlkampf 2013 immer auf Tour in der Sommerzeit, mit 50 bis 60 Terminen, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. In diesem Jahr beginnt die Tour im August unter dem Titel ,Fritz on Zuhör-Tour’. Es gibt viel zu besprechen und zu erfahren. Das ist wichtig. Und viel von dem, was Bundestagsabgeordnete leisten, auch im Wahlkreis, erfährt die Öffentlichkeit gar nicht. So hat es hinsichtlich der Neubauten der Universitätsmedizin Göttingen zahlreiche Gespräche gegeben, mit dem Vorstand, um Dinge zu bewegen. Wohnraummangel in der Stadt Göttingen, Leerstände in manchen Bereichen des Landkreises Göttingen. Gibt es Lösungen für diesen Gegensatz? Was wäre für eine funktionierende Wohnungspolitik nötig? Wir müssen akzeptieren, dass die Menschen in den Zentren leben wollen. Dafür hat die Bundesregierung eine Wohnrauminitiative gestartet mit verschiedenen Bausteinen, um den öffentlichen und privaten Sektor des Wohnungsbaus voranzubringen. Es müssen aber auch die Leerstände, die es zum Teil gibt, genutzt werden. Dafür muss der ländliche Raum in den Fokus genommen werden. Wir benötigen dort die Schulen, die ärztliche Versorgung und eine Nahversorgung.Sehr gut finde ich die aktuelle Debatte über die Nutzung der Ortsteilzentren und deren Förderung. Das habe ich im Wahlkreis auch oft erlebt, dass Neubaugebiete ausgewiesen werden und die Zentren zerfallen, weil es dort keine Fördermöglichkeiten. Das ist ein Vorschlag aus dem Innenministerium, dem Hause Seehofer. Im Eichsfeld kenne ich mehrere Orte mit Leerständen im Zentrum und zugleich der Überlegung, am Ortsrand Neubaugebiete auszuweisen. Mit der Flächenressource muss ja auch vorsichtiger umgegangen werden, deshalb sollten die Flächen, die eh schon bebaut sind, weiter genutzt werden. Aber wir sollten auch nicht glauben, dass damit der Wohnungsraumbedarf in den Städten dadurch befriedigt werden kann. Gibt es vor Ort Projekte, die Ihrer Meinung nach gut funktionieren? Ich bin auch Kreistagsabgeordneter und finde, dass die Kreiswohnungsbaugesellschaft gute Bauprojekte auf den Weg gebracht hat, aktuell in Bovenden. Und in der Stadt Göttingen laufen ebenfalls Bemühungen für Wohnungsbauprojekte. Als Bundestagsmitglied finde ich es richtig, dass mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden sind. Nun kommt es darauf an, dass die Länder die Förderung auch weiterreichen. Andererseits müssen wir aufpassen, dass wir in der Mietgesetzgebung nicht überziehen. Mietpreisbremse, Mietpreisdecke sind Themen, die nicht unbedingt dazu führen, private Investoren davon zu überzeugen, Wohnraum zu schaffen. Welche Vorhaben müssten aus Ihrer Sicht in Stadt und Landkreis Göttingen unbedingt als nächste angeschoben oder vollendet werden? Natürlich hat man aus Berlin immer noch einen anderen Blick auf die Dinge. Aber die Abstimmung in vielen Fragen mit Oberbürgermeister Köhler und Landrat Reuter läuft gut. Ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen, dass WRG und GWG, also die Wirtschaftsförderung Region Göttingen und die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen, über den Wirtschaftsstandort Südniedersachsen nachdenken. Wir freuen uns über Sartorius mit dem Bekenntnis zum Standort hier und ärgern uns dagegen über Zeiss und andere, die gehen. Wo ist hier eine Politik, die diesen Wirtschaftsstandort entwickelt und weiterentwickelt? Welche Vorschläge machen Sie vor dem Hintergrund Ihrer Frage zur regionalen Wirtschaftspolitik? Ich habe gemeinsam mit dem Göttinger Oberbürgermeister Köhler enge Kontakte zum Kompetenzzentrum für Kreativwirtschaft in Berlin aufgenommen. Ich war in Heidelberg und Mannheim, wo ich das Potenzial der Kreativwirtschaft gesehen und erkannt habe. In Ergänzung zum SNIC könnte das ein guter Punkt sein. Göttingen ist viel Hochschule, aber nicht nur Hochschule. Ich möchte etwas Neues hier entwickeln. Das alte Thema Hochschule und Wirtschaft läuft im Südniedersachsen-Innovationscampus, dem SNIC, ganz gut. Aber es geht nicht nur um Hochschule. In den Workshops, die zum Thema Kreativwirtschaft in Göttingen stattfanden, wurden Ideen von Teilnehmern von außerhalb und aus der Region entwickelt. Das war eine spannende Geschichte. Dabei hat sich die Frage herauskristallisiert, wie können wir Schwarmstadt werden, um innovative Leute anzulocken. Wobei der Begriff Schwarmstadt aus einer Veranstaltung kommt, bei der mein Bundestagskollege Oppermann über innovative Wirtschaftsideen diskutiert hat. Stichwort Universität: Erst Verlust des Exzellenz-Status, jetzt Diskussion um die Wahl des Präsidenten – hat die Uni Schaden genommen? Und wie ließe sich das Image wieder aufpolieren? Dass die Universität Göttingen in der Exzellenz-Strategie früh gescheitert ist, ist aus meiner Sicht schon schädigend für Image der Hochschule. Als Externer vermisse ich die Diskussion über die Gründe für das Scheitern. Wenn ich mich mit Angehörigen dieser und anderer Hochschulen unterhalte, dann sind die der Auffassung, hier gibt es genügend Exzellenz und Qualität. Daraus folgt auch die Frage, warum hat es nicht funktioniert, woran hat das gelegen, hat es hier Probleme im Management des Wettbewerbs gegeben? Ich weiß nicht, ob die Diskussion über die Gründe im Senat geführt wird. Ich weiß aber, dass im politischen Raum bei einem vergleichbaren Vorgang, die Diskussion und der Umgang ganz anders gewesen wäre. Auf jeden Fall ist Image verloren gegangen und auch viel Geld für die Universität. Wie bewerten Sie die Debatte um den designierten Präsidenten? Mit ihm hat die Georg-August-Universität eine neue Chance. Herrn Spoun kenne ich noch gut aus meiner Zeit als Landtagsabgeordneter. Er war gerade junger Präsident der Universität Lüneburg geworden und ich war Mitglied im Wissenschaftsausschuss des Niedersächsischen Landtages. Ich finde seine Wahl hier überzeugend. Natürlich habe ich auch mitbekommen, dass es innerhalb der Hochschule hier erhebliche Vorbehalte gegen Sascha Spoun gibt. Aber wer beobachtet hat, wie Herr Spoun die Universität Lüneburg weiterentwickelt hat, sollte ihm hier die Chance geben. Auf jeden Fall ist er mehr ein Hochschulmanager. Halten Sie einen Manager an der Spitze einer Hochschule für geeigneter als eine Forscherpersönlichkeit, wie sie von einem Teil der Göttinger Professorenschaft für das Amt gefordert worden ist? Hochschulen dieser Größenordnung benötigen möglicherweise eher Managertypen an der Spitze als Personen, die rein aus der Fachlichkeit kommen. Von daher halte ich die Wahl für eine gute und den eingeschlagenen Weg für richtig. Und mit Wolfgang Brück ist auch ein sehr seriöser Nachfolger vom UMG-Vorstandsvorsitzenden Heyo Kroemer gefunden worden. Insofern meine ich, dass Universität und Universitätsmedizin Göttingen sehr gut aufgestellt sind. Die Diskussion um die Wissenschaftsmanager ist nicht neu. Die wurde schon vor zehn Jahren mit dem damaligen Wissenschaftsminister Lutz Stratmann in Niedersachsen geführt. Der hat damals schon gesagt, es ist ein besonderer Beruf, eine Hochschule zu leiten. Das ist so ähnlich wie im Verteidigungsministerium: Dort werden unter dem Minister eher viele Projektmanager benötigt, um das Geld zu bewegen, und nicht unbedingt Soldaten. Zurück zur Bundespolitik: Wie steht es um die GroKo? Wie lange hält sie, wann wird gewählt? Sie wird länger halten, als manche glauben. Im Maschinenraum, auf der Fachebene also, läuft die Zusammenarbeit mit der SPD sehr gut. Von daher wäre es schade, wenn es früher zu Ende gehen würde. Aber das liegt in der Hand der SPD und ist abhängig vom Bundesparteitag der SPD im Dezember. Wenn ich mit Kollegen aus der SPD im Bundestag rede, dann möchten die die Erneuerung der SPD aus der Regierung schaffen. Und dabei geht es ihnen nicht um die Sicherung ihrer Mandate, was ja immer gleich unterstellt wird, weil die bei Neuwahlen gefährdet sind. Insofern läuft es interessanterweise seit der Krise richtig gut, seitdem verständigen wir uns sehr viel schneller. Ich hätte nie gedacht, dass die SPD bei den Migrationsgesetzen zustimmt oder bei der Öffnungsklausel der Grundsteuer. Im November wir ein Haushalt beschlossen, der ins nächste Jahr hineinwirkt. Von daher sollten wir das Jahr 2020 nutzen. Dazu kommt, dass Deutschland in der zweiten Hälfte von 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Auch das wird für die dann anstehenden Wahlen und den Wahlkampf von Bedeutung sein für die Regierungsparteien in der Großen Koalition. Treten Sie bei der nächsten Bundestagswahl wieder an? Zur Zeit würde ich sagen, ich würde mich wieder bewerben. Die Partei muss mich ja aufstellen. Ich habe eine tolle Aufgabe, ich bin in Berlin angekommen und arbeite dort viel. Man sieht die große Verantwortung, die man trägt, was besonders deutlich wird, wenn namentlich über Bundeswehreinsätze abgestimmt wird. Ich bin auch, wenn ich durchs Brandenburger Tor zu den Plenarsitzungen im Reichstagsgebäude gehe, oftmals demütig hinsichtlich der Amtes als Bundestagsabgeordneter. Ich habe noch ein paar Projekte, die ich in meinem Steuer- und Finanzbereich weiter verfolgen und umsetzen möchte. Von daher würde ich gerne weitermachen. Interview: Angela Brünjes Die Autorin erreichen Sie unter a.bruenjes@goettinger-tageblatt.de Von Angela Brünjes (Interview)

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