Sportangebot für Kinder der Groner Landstraße 9

Alessio rennt über den Spielplatz, in der Hand hält er eine Handpuppe – den Hasen Hoppel gibt er nicht mehr her. Der kleine Junge strahlt über das ganze Gesicht. Dass rings um ihn herum hohe Metallzäune stehen und ihn daran hindern, das Gelände um die Wohnanlage Groner Landstraße 9 zu verlassen, stört ihn gerade nicht. Auch dass die Erwachsenen, die gekommen sind, um mit ihm und den anderen Kindern ein bisschen Sport zu machen, in weißen Schutzanzügen stecken und Masken vor dem Gesicht tragen, scheint ihm egal zu sein. Für einen Moment hat er offenbar vergessen, was um ihn herum geschieht. Das Gebäude, in dem der kleine Junge wohnt, steht seit dem Ausbruch des Corona-Virus vor knapp zwei Wochen unter Quarantäne. Und es seien vor allem die Kinder, die unter den Einschränkungen litten, sagt Petra Broistedt, Leiterin des städtischen Krisenstabs. „Toben und Spielen war kaum möglich, schon allein aufgrund der äußerst beengten und prekären Wohnverhältnisse.“ Hinzu komme, dass über mehrere Wochen Schulen und Kitas nicht besucht werden durften. Herausforderung und Spaß: Daher habe es sich die Stadt zur Aufgabe gemacht, mit Unterstützung örtlicher Bildungs- und Jugendhilfeträger bis zum Ende der Sommerferien entsprechende Aktivitäten anzubieten, so die Sozialdezernentin. Ein Team aus Mitarbeitern der Freiwilligenagentur, des Stadtsportbunds und des Kidsclubs macht an diesem Donnerstag den Auftakt. Sie bieten den Kindern aus dem Quarantäne-Hochhaus ein wenig sportliche Herausforderung und eine Menge Spaß. Das tägliche GT/ET Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Göttingen täglich gegen 17 Uhr im E-Mail-Postfach Die Bedingungen sind dabei nicht ganz ideal. Caro, Anna, Timo und Ruben müssen aus Gründen des Infektionsschutzes verkleidet auftreten. Ihre freundlichen Gesichter sind nur zu erahnen, ihre Sprache können die Kinder mehrheitlich nicht verstehen. Verständigungsschwierigkeiten gibt es trotzdem nicht. Das Quartett macht die Übungen mit großen Gesten einfach vor oder sie finden in der Gruppe jeweils einen kleinen Dolmetscher, der für alle anderen übersetzt. Das klappt ganz gut. Begeisterung durch Sport: Aufgabe für die Kleinen ist es, einen Parcours mit sechs Stationen zu durchlaufen. Am Ende werden die Bemühungen mit dem Mini-Sportabzeichen und einer Urkunde gewürdigt. Auch wenn nicht immer gleich klar ist, ob jetzt gerannt, geworfen oder gehüpft werden soll, sind die Kinder begeistert dabei. Sie helfen sich gegenseitig und feuern sich an. Und wenn sich einer der kleinen Sportler nicht gleich traut, kommen die Eltern, die sich am Rand des Spielplatzes aufgebaut haben, zu Hilfe. Die Aktion scheint auch für die Erwachsenen eine willkommene Abwechslung im tristen Corona-Alltag. „Uns geht es vor allem um die Begeisterung, die der Sport in den Kindern auslösen kann“, sagt Timo, nachdem die ersten beiden Gruppen den Parcours durchlaufen haben. Er ist schon sichtlich gefordert, der Parcour ist offensichtlich nicht nur für die Kleinen anstrengend. Die Schutzanzüge tun bei den hochsommmerlichen Temperaturen ihr Übriges. „Am liebsten würde ich das alles weglassen“, gesteht er mit Blick auf seine Ausrüstung. Aber das Risiko, sich oder andere zu infizieren, will niemand eingehen. Corona für einige Stunden vergessen: Einige Mädchen gehen bereits stolz mit ihren Eltern zurück ins Haus, ihre Auszeichnungen und ein paar kleine Geschenke in der Hand. Das Sportangebot habe noch einen zweiten positiven Aspekt, sagt Timo: Es liefere den Kindern ein Erfolgserlebnis. Und auch davon gebe es für die Kleinen in Zeiten von Corona eindeutig zu wenige. Am Ende des Tages wollen die Vier etwa 70 Kinder mit ihrer Aktion erreicht und geholfen haben, das Corona-Virus für einige Stunden zu vergessen. Von Markus Scharf