Stadt Göttingen beschließt Haushalt 2021 -mit Millionendefizit

In der Göttinger Stadtratssitzung am Freitag ist der Haushalt für das Jahr 2021 inklusive Investitionsprogramm bis 2024 verabschiedet worden – jedoch ohne die Stimmen der CDU und Linken. Mit 23 Ja-Stimmen wurde der Haushalt mit rot-grüner Mehrheit beschlossen. Der Jahresabschluss weist ein geplantes Haushaltsdefizit von 27,9 Millionen Euro aus. Auf der Einnahmenseite stehen etwa 480 Millionen Euro, demgegenüber Ausgaben von 508 Millionen. Lesen Sie auch Beteiligung am Bundeswettbewerb: Göttingen möchte zur Smart City werden Göttingen: Um defizitären Haushalt führt kein Weg herum Industriegebiet Dragoneranger: SPD und Grüne Göttingen beerdigen Planungen Tom Wedrins, Vorsitzender der SPD-Fraktion, betonte, dass die coronabedingten Risiken, die Einnahmeausfälle, auch durch den Beschluss nicht beseitigt sein würden. „Es wird aber so sein, dass die Verwaltung weiter planen und handeln kann.“ In diesem und den nächsten Jahren würden Anpassungen vonnöten sein, so Wedrins. Sicher sei, dass die finanziellen Unterstützungen von Land und Bund dauerhafter, verlässlicher und kräftiger sein müssten. „Wir sind da nicht in ein, zwei Jahren raus aus der Krise.“ „Krisenhaushalt“ und „Armutszeugnis“: Von einem „Krisenhaushalt“, den man so nicht mittragen könne, sprach CDU-Fraktionschef Olaf Feuerstein, bevor er zum Rundumschlag gegen Rot-Grün ausholte. Inhaltlich sei der Haushalt eine „Bankrotterklärung“, es sei ein „Armutszeugnis, wenn aus so vielen Versprechen nichts Zählbares herauskommt“. Die Ziele würden allesamt verfehlt, sagte er. „Der in diesem Jahr von Rot-Grün vorgelegte Haushalt ist alles, nur kein Erfolgsmodell“, so Feuerstein. Besonders bei den Schulen werde am falschen Ende gespart, meinte er. Der CDU-Chef griff sowohl Stadtverwaltung als auch Rot-Grün scharf an und sprach teilweise von „Basta-Politik“. Auch die Kostensteigerung bei der Sanierung der Stadthalle und der geplante Wegfall der dortigen Parkplätze stießen den Christdemokraten sauer auf. Und: „Bei der aktuell geplanten Verkehrs- und Verbotspolitik von Rot-Grün müsste das Haushaltsbündnis heute unter den G7-Zielen eine Änderung des städtischen Slogans beantragen“, meinte Feuerstein, und zwar von „Göttingen – Die Stadt, die Wissen schafft“ hin zu „Göttingen – Die Stadt, die bald nicht mehr erreichbar ist.“ „Was ich nicht verstehe, ist, dass Sie am Dienstag im Finanzausschuss dem Haushalt zugestimmt haben“, kritisierte Rolf Becker, Fraktionsvorsitzender der Grünen, daraufhin die halbstündige „Wahlkampfrede“ des CDU-Politikers. Becker betonte, dass er überzeugt sei, dass im Haushalt die richtigen Prioritäten gesetzt worden seien. Trotz Corona-Krise stelle das Papier die „nötigen Investitionen insbesondere in Klimaschutz, Bildung und sozialen Zusammenhalt ins Zentrum“, sagte er. „Im Ergebnishaushalt fehlen für das laufende Geschäft der Stadtverwaltung in diesem Jahr rund 28 Millionen Euro. Das bedeutet, dass die Stadt nach der Planung fast 30 Millionen Euro mehr ausgeben wird, als sie einnehmen kann“, erläutert der Erste Stadtrat und Kämmerer Christian Schmetz. Das führe dazu, dass das Konto der Stadt regelmäßig überzogen werde. Diese Kontoüberziehung, die sogenannten Liquiditätskredite, werde sich nach ersten vorsichtigen Schätzungen im Laufe des Jahres immer weiter steigern und am Ende des Jahres etwa 40 bis 50 Millionen Euro betragen. Einen großen Teil der Ausgaben müsse die Stadt auch vorfinanzieren, die Einnahmen kämen nicht regelmäßig und manchmal deutlich verzögert. „Die Stadtkasse wird dadurch mit diesen Kontoüberziehungen belastet, und das auch längerfristig“, so Schmetz. Denn wegen der fehlenden Einnahmen würden die Liquiditätskredite so schnell nicht zurückgezahlt werden können. „Sie werden vielmehr, da die kommenden Jahre weiterhin Deckungslücken ausweisen, mit der Hypothek der Kontoüberziehung 2021 weiter anwachsen, was die Investitionsfähigkeit in den kommenden Jahren deutlich einschränken wird.“ „Wir haben die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen unter besonderer Berücksichtigung von Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversität zum Leitgedanken der Stadt Göttingen gemacht“, führte Becker aus. In den strategischen „G7-Zielen“ sei der Klimaschutz damit auf Platz eins gerutscht. Warum? „Weil wir das den Menschen in dieser Stadt schuldig sind“, Klimaschutz sei Menschenschutz. Auch die Linken lehnen Haushalt ab: „Die Beratungen zu diesem Haushalt wurden für uns nicht wie abgesprochen durchgeführt“, sagte Rolf Ralle (Göttinger Linke/ALG-Ratsgruppe). So seien Anträge einfach abgelehnt worden, mit der Begründung, man habe keine Zeit dafür. Vielleicht sei den einzelnen Fraktionen erst am Tag vor den Haushaltsberatungen eingefallen, welche Forderungen sie hätten. So enthalte der Haushalt mehrere Beschlüsse, die nicht in Einklang mit den Versprechungen stünden. Auch die Linke lehnte den Gesamthaushalt ab. Thorben Siepmann (FDP) sagte, es sei wenig überraschend, dass der Haushalt die falschen Prioritäten setze. „Uns fehlt es an einer Fokussierung auf Bildung und Fortschritt“, betonte Siepmann. Nach intensiven internen Beratungen sei man übereingekommen, sich bei der Abstimmung zu enthalten – mittragen könne man den Haushalt nicht. Dana Rotter (Partei-Ratsgruppe) sprach beim Haushalt von „Licht und Schatten“: Die Summe für sozialen Wohnungsbau sei zu gering angesetzt, aber man begrüße das Budget für den Klimaschutz. Die Streichung von Parkplätzen am Albaniplatz halte man aber für einen Fehler. Die Hauptattraktion des Haushaltes sei wohl die Dragoneranger-Situation, meinte Francisco Welter-Schultes (parteilos). Die für das mittlerweile abgelehnte Gewerbegebiet eingeplanten Mittel sollen nun für Schulen eingesetzt werden. SPD und Grüne hätten somit „zugehört“, die Entscheidung sei richtig. Allerdings lehnte auch er den Haushalt ab: Besonders die Konzepte zu den geplanten Wohngebieten auf dem Holtenser Berg und in Nikolausberg fanden nicht seine Zustimmung. Von Tobias Christ